Das Kursangebot der Volkshochschule im Kreis Euskirchen hat sich über Jahrzehnte stark gewandelt. Einige Angebote bleiben aber Dauerbrenner.
Bildung im WandelVHS Kreis Euskirchen stellt sich immer wieder neu auf den Zeitgeist ein

„Wir sind eine Hochschule fürs Volk“, sagt die Leiterin der VHS des Kreises Euskirchen, Vanessa Becker.
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Es muss ein ziemlicher Andrang im Alten Rathaus in Euskirchen gewesen sein, als 140 Menschen gleichzeitig an einem Italienisch-Kursus teilnehmen wollten. Wie Vanessa Becker, die heutige Leiterin der Volkshochschule (VHS) im Kreis Euskirchen, zu berichten weiß, kam es Ende der 1980er-Jahre zu dem mehrfach überbuchten Sprachkurs. Kurzerhand seien die Teilnehmer auf zwei Kurse von jeweils stattlicher Größe aufgeteilt worden.
Sie selbst kenne die Geschichte aus Erzählungen. Mit den neueren Anmeldungssystemen sei eine derartige Kursüberbelegung zum Glück nicht mehr vorstellbar, sagt die Bildungsexpertin und lächelt.
Damals gab es noch sowohl eine städtische als auch eine Kreis-VHS. 2014 wurden beide zusammengelegt. Becker übernahm sieben Jahre später die Leitung, startete aber schon 2002 als Kursleiterin. „Ich wollte immer unterrichten“, sagt sie. Diese Begeisterung habe auch nicht nachgelassen. Seit mehr als 20 Jahren befasse sie sich inzwischen mit dem Kursangebot der VHS und den Veränderungen, die die Jahre so mit sich brachten.
Warum die VHS im Kreis Euskirchen keine Kochkurse anbietet
„Der Wandel der VHS ist auch ein Wandel der Dinge“, fasst Vanessa Becker zusammen. Das Weiterbildungsgesetz (siehe auch: „Vor 50 Jahren trat das Weiterbildungsgesetz NRW in Kraft“), kurz WBG, biete eine gute Basis für die Arbeit der 131 Volkshochschulen in NRW. Die Einrichtungen seien damit ab Mitte der 1970er zur Pflichtaufgabe der Kommunen geworden.
Gründe, warum bestimmte VHS-Kurse nicht mehr angeboten würden, gebe es viele. „Stenografie ist weggefallen“, nennt die VHS-Leiterin ein Beispiel. Die Technik werde einfach nicht mehr genutzt. „Länderkundliche Vorträge sind durch das Internet weggefallen“, fügt sie hinzu. Es gebe keinen Bedarf mehr, sich diese Infos bei der Volkshochschule zu holen.
Auch Kurse wie „Deutsch für Belgier“, „Auf dem Weg zur Ehe“ oder „Gymnastik für Frauen“ gehörten der Vergangenheit an. „Mittlerweile“, so Becker, „sind weniger Kurse nach Geschlecht geteilt“. Doch für den Wegfall von Angeboten sorge nicht nur der Zeitgeist. Zuweilen sind es auch ganz praktische Ursachen, wie Vanessa Becker erläutert. Kochkurse etwa scheiterten an der Raumsituation in der Euskirchener VHS. „Manche Kurse enden auch, wenn Dozierende wegziehen“, so die Leiterin.
Klöppelkurs kommt nicht aus der Mode
Andererseits führten Veränderungen vor Ort zu neuen Angeboten. Als etwa 2002 in Euskirchen der Stadtbus eingeführt worden sei, habe die Bildungseinrichtung Bürgerinnen und Bürgern vermittelt, wie dieses ÖPNV-Angebot zu nutzen sei. „Wir gucken, was hier gebraucht wird. Wir bedienen alle elf Kommunen“, betont Becker.

Klöppelkurs der VHS Hellenthal in den 1950er-Jahren.
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Doch bei allen Veränderungen, einige Kursangebote haben die Jahrzehnte unbeschadet überstanden: Der Klöppelkurs etwa funktioniere seit den 1950er-Jahren. Und ein Ende sei nicht in Sicht. „Kreatives Gestalten gehört immer zum Angebot“, nennt Vanessa Becker den Grund. Viele Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer nutzten die Angebote der Volkshochschule vor allem als Entspannung von der Arbeit.
Sprachkurse als Dauerbrenner – Politik mit schwerem Stand
Auch die Sprachkurse seien Dauerbrenner, erklärt Becker. Und sie ist sicher: „Politische Bildung gab, gibt und wird es immer geben an der VHS.“ Auch wenn im ländlichen Bereich die Nachfrage nach Kursen zur politischen Bildung abnehme.
Zu den Klassikern gehöre auch das Thema „Nachhaltigkeit“. Das Bewusstsein habe sich in den vergangenen Jahren zwar inhaltlich weiterentwickelt, aber Recycling sei auch schon früher ein wichtiger Bestandteil des Angebots gewesen.

VHS-Programmhefte zeigen den Wandel der Angebote in den Jahrzehnten.
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Die VHS versuche mittlerweile, möglichst breite Gruppen anzusprechen, sagt deren Euskirchener Chefin. Sie betont zudem den integrativen Auftrag.
Dieser leite sich aus der bundesweiten Integrationskursverordnung ab, die 2005 in Kraft trat. „In der Verordnung steht, dass wir für alle zugänglich sein müssen. Wir sind eine Hochschule fürs Volk.“ Daraus ergebe sich der Auftrag, Bildung für alle anzubieten– und das möglichst kostengünstig für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Themen die gerade im Trend sind
Und dann ist da natürlich noch die Digitalisierung – sowohl als Kursinhalte als auch als Vermittlungsweg der VHS. „Auch ältere Teilnehmer sollen für das Internet geschult werden“, so Vanessa Becker. Corona habe das bereits vorangetrieben. Nicht zuletzt habe der mediale Wandel auch zu einem Zuwachs an Kursen zur Smartphone-Nutzung geführt.
„Die Informationsflüsse ändern sich“, fasst die VHS-Chefin zusammen: „Wir müssen Bedarfe erkennen und am Puls der Zeit bleiben.“ Auch die Programmhefte der VHS wandern ins Digitale. Für die Bildungseinrichtung sei es aber sehr wichtig, auch Menschen zu erreichen, die der Digitalisierung (noch) zurückhaltend begegnen. Darum gebe es die wesentlichen Infos zum Kursangebot weiterhin auch in gedruckten Heften.
Bis Donnerstag, 28. August, können Interessierte die VHS-Beratungswoche nutzen – und zwar von 8.30 bis 18 Uhr. Am Freitag findet im Alten Rathaus in Euskirchen ein Aktionstag mit kostenfreien Angeboten wie etwa Französisch, Aquarellmalerei oder Einblicke in den Bereich EDV im Alten Rathaus in Euskirchen statt. Anmeldungen für Kurse sind auch telefonisch, per E-Mail oder online möglich.
Das Weiterbildungsgesetz NRW gibt es seit 50 Jahren
Ein halbes Jahrhundert ist es her, als das Weiterbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (WBG) in seiner Erstfassung in Kraft trat.
Das war am 1. Januar 1975. Es folgten verschiedene Erneuerungen – zuletzt eine größere Novellierung Anfang des Jahres 2022. Das WBG könne als Reaktion auf gesellschaftliche Debatten über ein Recht auf Bildung eingeordnet werden, wie Michael Schemmann, Professor für Erwachsenen- und Weiterbildung an der Universität zu Köln, und Celia Sokolowsky, Vorstandsvorsitzende des Landesverbands der Volkshochschulen von NRW, schreiben.
Laut den Experten war die Förderung des WBG in NRW bemerkenswert: 1975 sollen die Ausgaben von 37 auf 190 Millionen D-Mark gestiegen sein. Damit erhielten die Volkshochschulen in Nordrhein-Westfalen RW einen größeren finanziellen Handlungsspielraum. Für die beiden Experten Sokolowsky und Schemmann hat sich das WBG, das in einem fraktionsübergreifenden Konsens zustande kam, als Erfolgsgeschichte erwiesen. (ges)