AmphibienwanderungKrötenschleppen macht Naturschützer im Kreis Euskirchen glücklich

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Ein Helfer mit Einweghandschuhen hält die Erdkröte in der Hand.

Auch diese Erdkröte hat sich an diesem warmen, aber trockenen Abend auf den Weg zu ihrem Laichgewässer in Eicks gemacht.

Bei der Amphibienwanderung haben Naturschützer im Kreis Euskirchen viel zu tun, um Frösche, Kröten und Molche an eigens errichteten Barrieren einzusammeln und über viel befahrene Straßen zu bringen.

Eigentlich herrscht gar kein Amphibienwetter. Es ist – überraschenderweise in diesem Winter – mal trocken und gar nicht so kalt. Und da sogar am frühen Abend jetzt ein wenig Restlicht die Szenerie beleuchtet, ist noch niemand unterwegs, der gerne über die Landstraße am Schloss Eicks getragen werden möchte.

Als sich die Teilnehmer der Amphibienexkursion des Nabu-Kreisverbands am Parkplatz bei Eicks zusammenfinden, ist es ein lauschiger Vorfrühlingsabend. Für die Menschen. Doch Amphibien haben ihre eigenen Vorlieben. Kalt, regnerisch und dunkel, vielleicht noch als Würze ein wenig Sturm aus einer beliebigen Richtung, da geht ein Ruck durch die vom Winterschlaf müden Tiere. Und schon machen sie sich auf zu den Zielen, die ihnen ihre Kröten-, Frosch- oder Molchgene vorgeben: zum nächstbesten Laichgewässer.

Helfer bringen die Tiere zu ihren Laichgewässern

Der Weg dorthin ist seit Generationen festgeschrieben, nur ist die Erfindung des Automobils und des Straßenverkehrs in diesem System so gar nicht vorgesehen.

Hier kommen die Menschen ins Spiel. Während die einen Gefahr laufen, die kleinen, fortpflanzungsbereiten Wesen mit ihren Fahrzeugen plattzufahren, gehen andere zitternd und frierend am Straßenrand auf und ab, sammeln die Tiere in Eimern und tragen sie sicher über die Straße zu ihrem Laichgewässer.

Manche Autofahrer nehmen keine Rücksicht

„Krötenschleppen“, so nennen die Helfer vom Nabu-Kreisverband Euskirchen mit einer Mischung aus Stolz, Zusammengehörigkeitsgefühl und Selbstironie das, womit sie oft schon seit Jahren die ersten Monate des Jahres verbringen. Denn bereits bei einstelligen Temperaturen machen sich Frösche, Kröten und Molche auf den Weg.

Ihre Rettung ist ein mühsames Geschäft. Und ein manchmal nicht ungefährliches, denn einige der vorbeirauschenden Autofahrer zeichnen sich nicht gerade durch die gebotene Rücksichtnahme aus.

Die Leitanlage bei Eicks bildet eine für Amphibien unüberwindbare Barriere zur Straße und lotst sie in Tunnel.

Interessiert begutachteten die Nabu-Helfer auf ihrer Exkursion die Amphibienleitanlage am Schloss Eicks

So ist die Leitanlage am Schloss Eicks eine große Erleichterung für die Helfer, die an dieser Stelle seit Jahren versuchen, die Amphibien vor dem Straßenverkehr zu schützen. Im vergangenen Jahr, allerdings erst nach Beendigung der Laichperiode, wurde das Bauwerk fertig, in das prompt, quasi statt einer Einweihung, ein Auto hineinrutschte und den ersten Schaden produzierte. Hier treffen sich die Teilnehmer der Exkursion, die der Kreisverband des Nabu anlässlich seines Gründungsjubiläums veranstaltete.

„Wir haben als Sonderveranstaltung in jedem Monat ein Thema, das mit Vorträgen oder auch Exkursionen beleuchtet wird“, sagt Ulrich Pohl, der den Einsatz gemeinsam mit Marco Mora koordiniert. Im März sei es halt die Amphibienwanderung, die derzeit die Naturschützer im Dauereinsatz halte. Mit der Exkursion sollen zwei der vielen Brennpunkte vorgestellt werden. Sechs Teilnehmer gehen mit, alles erfahrene Krötenschlepper, die die Gelegenheit zum Austausch nutzen wollen. Und auch, um gleich selbst aktiv werden zu können.

Im Kreis Euskirchen in diesem Jahr schon mehr als 10.000 Tiere gerettet

Rund 70 Helfer seien in diesen Tagen im Kreis unterwegs, um morgens und abends die Zäune abzusuchen und die Eimer zu leeren, in die die Amphibien durch die Schutzzäune geleitet wurden. „Wir haben in diesem Jahr bereits mehr als 10.000 Tiere gerettet“, sagt Pohl stolz. Das ist umso bemerkenswerter, da bei Eicks eine der Stellen weggefallen ist, an der stets viele Tiere gefunden wurden. Ein Wermutstropfen ist jedoch, dass die Arten, die besonders selten sind, in diesem Jahr noch gar nicht gefunden wurden: Springfrosch und Kammmolch.

Voll des Lobes sind die Helfer bei der Begutachtung der Amphibienleitanlage in Eicks. Es ist ein Vorzeigebauwerk, 300.000 Euro teuer, bei dem wirklich alles richtig gemacht worden sei, freut sich Pohl. Rund ein Kilometer lang sind die aus dickem, rostfreiem Edelstahl gefertigten Leitzäune, die auch dem Ansturm eines wütenden Dachses standhalten.

Helfer mit Warnwesten leuchten mit Taschenlampen in den Amphibientunnel.

Gut angenommen wird der Tunnel unter der Straße, durch den die Tiere zu dem Teich kommen.

Vor allem aber sind sie 60 Zentimeter hoch. „Das ist notwendig, weil hier ein Vorkommen des Springfrosches ist“, erläutert Pohl. Massive Gitter, ähnlich den „Cattle Grids“ auf den englischen Straßen, die die Gemeinwiesen absperren, trennen die Wiesen ab. Durch sie sollen die Amphibien in die Laufrinnen fallen und von da aus zu den beiden Tunneln wandern, die unter der Straße herführen.

„Die Tunnel werden auch angenommen, da hinten sitzt eine Kröte“, sagt Pohl, als er mit einer Taschenlampe in das Bauwerk hineinleuchtet. Noch hätten die Waschbären nicht entdeckt, dass hier leichte Beute zu machen sei, zeigt er sich erleichtert.

Auf dem Rückweg sind die Amphibien auf sich allein gestellt

Doch zu dem lachenden Auge gesellt sich auch das weinende. „Wir waren hier immer gern“, sagt Silke Mora, die mit ihrem Mann Marco oft in Eicks im Einsatz war. Wenn es dunkel sei, seien die Waldkäuze unterwegs. In der Dämmerung ist die malerische Silhouette von Schloss Eicks zu sehen. Wie auf Kommando beginnt ein Uhu aus dem nahen Wald zu rufen.

Besonders für diejenigen Tiere ist die Leitanlage ein Segen, die den Laich im Teich abgesetzt haben und nun wieder zurück in ihr Habitat wollen. Für sie steht in Eicks nun ein sicherer Weg zur Verfügung, anders als an vielen anderen Stellen im Kreisgebiet, an denen der Nabu seine Schutzzäune aufgebaut hat. Sie fangen nur die Tiere ab, die auf dem Weg zu ihrem Laichgewässer sind. Die, die zurück wollen, sind auf sich alleine gestellt. Was das bedeutet, ist zum Beispiel am Mechernicher Krematorium zu sehen, der zweiten Station der Exkursion. Hier kleben die Überreste von drei Kröten auf der Straße, die den Rückweg nicht geschafft haben.

Helfer inspizieren einen Amphibienzaun.

Auch zu der frühen Stunde ist bereits ein Bergmolch in der Amphibienleitanlage unterwegs, wie die Helfer feststellen können.

Inzwischen ist es stockdunkel. Licht kommt alleine vom Fernlicht der vorbeifahrenden Autos. Bewaffnet mit Taschenlampen und Eimern, machen sich die Helfer daran, beide Seiten des Zaunes abzusuchen. Ganz wichtig, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen: die Desinfektion der Schuhsohlen, um nicht Krankheitskeime oder Pilzsporen von einem Habitat in das nächste zu transportieren. Nicht nur der Bsal-Pilz, der die Feuersalamander befällt, ist gefürchtet. „Der BD-Pilz, der schon Arten hat aussterben lassen, ist weltweit auf dem Vormarsch“, sagt Marco Mora.

Ich finde sie schön, die haben so tolle Augen.
Silke Mora schützt Amphibien

In zwei Eimer sortiert Silke Mora die gefundenen Tiere: Jene, die vom Altusknipp auf dem Weg zu dem Weiher neben dem Krematorium waren, kommen in den einen, und die, die bereits auf dem Rückweg waren, in den anderen. Warum macht sie das, morgens und abends? „Es macht mich glücklich“, sagt sie strahlend. An diesem Tag habe sie schlechte Laune gehabt, doch die Tiere zu retten und die frische Luft zu genießen hätten sie das vergessen lassen. „Man lernt dazu tolle Leute kennen“, fügt Kerstin Jonke hinzu, die aus Reetz gekommen ist.

Zu dem Stamm der erfahrenen Krötenschlepper gesellen sich auch immer wieder neue Menschen. Es sei auch wichtig zu sehen, dass es den Tieren gut gehe, so Jonke weiter. „Und ich finde sie schön, die haben so tolle Augen“, schwärmt Mora.

Gegen 20.30 Uhr sind alle Eimer kontrolliert, der Zaun ist sorgfältig untersucht worden. Die Taschenlampen werden ausgemacht, es geht zurück zu den Fahrzeugen. Ein Stück weiter steht an der Straße nach Strempt noch ein Krötenschutzzaun, der kontrolliert werden muss. Dort ist heute niemand, um nach den Tieren zu sehen. „Ich fahre jetzt dahin“, kündigt Pohl an. „Ich komme mit, ich habe nichts vor“, ertönt es in der Dunkelheit. Dann macht sich eine kleine Gruppe auf zur nächsten Station.

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