Interview mit Landrat Ramers„100 nachhaltige Unternehmen im Kreis Euskirchen bis 2026“

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Landrat Markus Ramers radelt mit seinem E-Bike an der Kreisverwaltung in Euskirchen vorbei.

26.09.2023 Landrat Markus Ramers nimmt bei Terminen im Euskirchener Stadtgebiet gerne das E-Bike. Der Verwaltungschef setzt auf die Nachhaltigkeit auch bei der Mobilität.

Der Euskirchener Landrat Markus Ramers nennt im Interview die vielfältigen Möglichkeiten, im Kreis Euskirchen nachhaltig zu agieren. 

Herr Ramers, Nachhaltigkeit ist längst zum Modewort geworden. Auch der Kreis Euskirchen hat eine Nachhaltigkeitsstrategie. Wie nachhaltig ist die Region?

Markus Ramers: Ich glaube, dass wir schon sehr nachhaltig sind. Aber natürlich haben wir Verbesserungspotenzial. Wir haben aufgrund unserer ländlichen Struktur – mit vielen Waldgebieten, mit dem einzigen Nationalpark in NRW – bereits viele Bereiche, die für Nachhaltigkeit stehen.

Aber auch die vielen kleinen mittelständischen Handwerksbetriebe, die seit Jahren einen festen Mitarbeiterstamm haben – auch das ist nachhaltig. Dass ein Unternehmen seine Mitarbeiter weiterentwickelt, von der Lehre bis zum Meister. Viel nachhaltiger geht es kaum. So ist auch unsere Wirtschaftsstruktur seit Jahren nachhaltig aufgebaut.

Was kann Nachhaltigkeit noch sein?

Nachhaltigkeit bedeutet auch, dass man über den Profit im Jahr hinausdenkt. Und sich die Frage stellt, wie es meinem Betrieb in 10, 20, 30 Jahren geht. Oder sich Gedanken macht, wo und wie beziehe ich meine Rohstoffe oder meine Energie.

Der Kreis Euskirchen hat sich auf die Fahnen geschrieben, bis 2026 mindestens 100 nachhaltige und klimaneutrale Unternehmen im Kreis zu haben. Was hat es damit auf sich?

Im Rahmen des Wirtschaftlichen Entwicklungskonzepts (WEK), das von der Politik abgesegnet ist, haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2026 im Kreis Euskirchen mindestens 100 nachhaltige Unternehmen zu haben. Wir wollen ganz konkret die Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen sichern.

Ich verstehe Nachhaltigkeit für den Kreis Euskirchen nicht so, dass wir hier die grüne Ausgleichsfläche für die Ballungsgebiete sind, damit die hier ihre Windräder aufstellen. Ich verstehe Nachhaltigkeit so, dass wir eigene Betriebe haben, eigene Wertschöpfung hier haben. Deswegen ist das Thema wichtig, deswegen haben wir uns dieses Ziel gesetzt.

Sind die 100 Unternehmen eine realistische Vorgabe?

Wir hätten die Zahl 100 nicht ausgewählt, wenn wir sie nicht für realistisch halten. Wir hätten sie aber auch nicht gewählt, wenn es nicht ambitioniert wäre. Zu Beginn wird bei allen Unternehmen, die sich beteiligen, eine Bestandsaufnahme gemacht.

Es geht aber nicht nur die Wirtschaft, sondern um den gesamten Kreis.

Ja, deshalb haben wir eine Nachhaltigkeitsstrategie für den Kreis. Für die haben wir als global nachhaltige Kommune bereits den German SDG Award erhalten, weil wir uns diverse Nachhaltigkeitsziele gesetzt haben. Eine wichtige Maßnahme, ein großer Baustein im wirtschaftlichen Entwicklungskonzept ist die Ideenfabrik in der Alten Tuchfabrik, die im November an den Start gehen wird.

Dazu gehören aber auch interne Projekte wie die Entwicklung des Abfallwirtschaftszentrums oder unser betriebliches Mobilitätsmanagement mit Job-Rad. Wir wollen in der Kreisverwaltung selbst etwas tun, wollen aber auch eine Blaupause für andere größere Unternehmen sein.

Was hat es mit der Ideenfabrik auf sich?

Die Vision der Ideenfabrik ist es, bestehende Unternehmen auf dem Weg zu nachhaltigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Geschäftsmodellen zu helfen. Sie auf dem Transformationsprozess zu begleiten. Konkret möchten wir Gründungen fördern - vor allem mit Fokus auf soziale und nachhaltige Gründungen. Die Digitalisierungsquote im Mittelstand soll erhöht werden. Geplant sind unter anderem Gründungsstammtische, Vernetzungsangebote, Beratungen, Fachveranstaltungen zu Nachhaltigkeit, Innovation und Technologietransfer.

Wie nachhaltig ist der Landrat?

Oh je, ich bin weit davon entfernt perfekt nachhaltig zu leben. In Sachen Öko-Bilanz habe ich dieses Jahr ganz gute Fortschritte gemacht, weil wir Anfang des Jahres eine Photovoltaikanlage aufs Dach bekommen haben. Da gibt es eine recht motivierende App, die mir ausrechnet, was ich an CO2-Emission eingespart habe. Das sind seit Februar mehr als 4,6 Tonnen.

Ansonsten versuche ich, dienstliche Termine auch mal mit der Bahn oder dem Rad zu erledigen. Aber oft geht es auch nicht anders als mit dem Auto. Ich probiere immer mal wieder aus, Dinge zu verändern – zuletzt beispielsweise Shampoo nicht mehr in Hartplastikverpackung zu kaufen.

Sie sind leidenschaftlicher Radfahrer. Sind Sie denn in diesem Jahr schon mit dem Rad zur Arbeit gekommen?

Leider noch nicht. Was ich aber tatsächlich mache: Wenn ich Termine in Euskirchen habe, beispielsweise bei der Polizei oder im Rathaus, dann fahre ich mit dem Rad. In meinem Schrank ist immer ein Helm.

Gibt es Unternehmen, die bereits jetzt positiv in Sachen Nachhaltigkeit herausstechen?

Positive Beispiele aus der Wirtschaft im Kreis Euskirchen gibt es viele, da man auf sehr unterschiedliche Art und Weise nachhaltig sein kann. Vergangene Woche erst wurden ProPet Koller und Papstar jeweils mit dem Nachhaltigkeitspreis der IHK Aachen ausgezeichnet. ProPet Koller entwickelt Tiernahrung auf Insektenbasis, was deutlich ressourcenschonender ist.

Und Papstar setzt bereits jetzt auf 100 Prozent Ökostrom und ist bereits seit drei Jahren klimaneutral. 75 Prozent der Artikel sind aus nachwachsenden Rohstoffen. Dazu gibt es viele weitere große und kleine Betriebe im Kreis, die Transformationskonzepte entwickeln.

Das Iversheimer Unternehmen Peter Greven, das gerade seinen 100. Geburtstag gefeiert hat, will die CO2-Emissionen bis 2023 um 46 Prozent senken. Dafür läuft der gesamte Stromverbrauch über Ökostrom und bei der Produktion werden hauptsächlich auf Basis biobasierter Rohstoffe verwendet. Die Eifeler Firma Pappen Olef beispielsweise ist Vorreiter im Hinblick auf die nachhaltige Geschäftsmodelltransformation im Bereich der Papierindustrie.

Welche Herausforderungen sind auf dem Weg zu einem nachhaltigen Kreis Euskirchen zu bewältigen?

Wir müssen die Nachhaltigkeit als unsere Chance erkennen. Die Unternehmen müssen zudem umfassend über alle Fördermöglichkeiten informiert werden, die sie im Rahmen ihrer Geschäftsmodelltransformation für Investitionsmaßnahmen, die Erstellung von Konzepten und die Inanspruchnahme von Beratung nutzen können. Hier ist unsere Wirtschaftsförderung sehr intensiv unterwegs.

Im ersten Entwurf des Wasserstoff-Kernnetzes, das bis 2032 entstehen soll, spielt der Kreis Euskirchen keine Rolle. Droht der Kreis abgehängt zu werden?

Grüner Wasserstoff ist der Energieträger der Zukunft. Davon werden auch ländliche Regionen wie der Kreis Euskirchen profitieren. Voraussetzung ist allerdings, dass unsere Wirtschaft einen direkten Zugang zu sauberer Energie hat – entweder durch die Anbindung ans überregionale Wasserstoffnetz oder über kurze Wege durch dezentrale Erzeugung vor Ort und ein regionales Netz.

Wir dürfen bei diesem wichtigen Thema nicht abgehängt werden. Deswegen werden wir alles tun, dass die Technologie der Zukunft für den und im Kreis Euskirchen eine wichtige Rolle spielt.


Sonderveröffentlichung in der Ausgabe am Samstag

Am Samstag, 30. September, erscheint in dieser Zeitung eine Sonderveröffentlichung rund um nachhaltige Wirtschaft im Kreis Euskirchen. In verschiedenen Themenblöcken geht es unter anderem um die Frage, was einen nachhaltigen Wirtschaftsstandort ausmacht oder wie wichtig die Mobilität ist. Und natürlich geht es um die Frage, wie die Mobilität nachhaltiger sein kann.

Weitere Themen der Sonderveröffentlichung sind Wasserstoff und die damit verbundene Energieversorgung als möglicher Standortfaktor für den Kreis Euskirchen.

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