Protest in LützerathMenschen aus dem Kreis Euskirchen solidarisieren sich

Lesezeit 4 Minuten
Macht ein Foto vom Tagebau: Der Zülpicher Luca Spychalski, der in den kommenden Tagen in Lützerath bleiben will.

Foto am Tagebau: Der Zülpicher Luca Spychalski, der in den kommenden Tagen in Lützerath bleiben will.

Unter den Demonstranten in Lützerath waren auch Menschen aus dem Kreis Euskirchen. Einige wollen dort bleiben und für den Erhalt des Ortes kämpfen.

Luca Spychalski trägt Schwarz. Im Herzen ist der Zülpicher aber grün. Deshalb ist er am Sonntag nach Lützerath gekommen. Jenem Ort, der nach dem Hambacher Forst zum neuen Symbol gegen den Kohleabbau geworden ist.

Nach Angaben von Dina Hamid, Sprecherin der Initiative Lützerath, befinden sich 700 Menschen in dem Erkelenzer Ortsteil, der eigentlich nur aus wenigen ehemaligen Bauernhöfen und Häusern besteht. Eigentlich: Rund um die noch vorhandenen Gebäude haben Klimaaktivisten Zelte aufgebaut, Baumhäuser errichtet.

Mehr als 1000 Menschen demonstrieren in Lützerath

Und am Sonntag sind es auch nicht nur 700 Menschen, die für den Erhalt des Dorfes kämpfen. Die Aachener Polizei zählt am Sonntagmittag 1500 Menschen, die sich auf den Weg nach Lützerath gemacht haben, um an der Abbruchkante des Tagebaus gegen den Kohleabbau zu demonstrieren. Spychalski ist gekommen, um zu bleiben. „Ich werde nicht auf ein Baumhaus klettern, aber ich werde hier bleiben und versuchen, meinen Teil zum Erhalt von Lützerath beizutragen“, sagt der 18-Jährige.

Alles zum Thema Klimawandel

Auf einem kaputten Auto sitzen zwei Klimaaktivisten, die Musik machen.

Ein bisschen wie Woodstock, ist aber Klima-Protest in Lützerath.

Den Segen seiner Eltern habe er, auch wenn die nicht sonderlich politisch aktiv seien. Spychalski ist nach eigenem Bekunden über die Fridays-for-Future-Bewegung in die Politik gekommen und seitdem vor allem in der Grünen Jugend aktiv.

Dort ist der Euskirchener Thomas Wiskirchen Vorstandsmitglied. Auch er will am Sonntag nach Lützerath kommen, um für den Erhalt des Ortes und das Ende des Braunkohleabbaus zu demonstrieren. Doch daraus wird nichts. Der Grund: Sein Zug aus Berlin hat Verspätung. Aber er macht das, was Menschen heute eben so machen.

Menschen aus dem Kreis Euskirchen solidarisieren sich mit Lützerath

Er schickt Grüße via Smartphone an die Abbruchkante und hofft, dass der Protest nicht aufhören wird. „In Lützerath wird gerade ein Verbrechen an den Lebensgrundlagen der jungen Generation und künftiger Generationen begangen“, sagt der 23-Jährige.

Das Abbaggern der Kohle unter Lützerath sei für die Energieversorgung Deutschlands nicht notwendig, das hätten unabhängige Studien gezeigt, so Wiskirchen: „Wenn wir diese Politik fortsetzen und einfach hinnehmen, werden wir unseren Kindern eine chaotische, lebensfeindliche Welt hinterlassen.“ Es dürfe kein „Weiter so“ geben. Viele Protestler sind mit dem Auto nach Lützerath gekommen.

Zahlreiche Menschen haben eine Kette gebildet, um Steine für eine weitere Barrikade heranzuschaffen.

Zahlreiche Menschen haben eine Kette gebildet, um Steine für eine weitere Barrikade heranzuschaffen.

Schließen sich Klimaschutz und eine etwa 60 Kilometer lange Anreise aus dem Kreis Euskirchen nicht aus? „Nein“, sagen Wiskirchen und Spychalski. „Die wenigen Kilo CO2, die bei einer Autofahrt von Euskirchen nach Lützerath entstehen, sind marginal verglichen mit den 280 Millionen Tonnen CO2, die unter Lützerath schlummern und deren Ausstoß wir durch unseren Widerstand verhindern können“, führt der 18-jährige Zülpicher aus.

Für ihn ist der Kampf um „Lützi“ noch nicht verloren. „Wir können den Abriss des Dorfes noch verhindern. Natürlich wird es alles andere als leicht“, sagt Spychalski, der am Sonntag eine Isomatte und einen kleinen Rucksack dabei hat. Er hofft, dass man die Räumung des Dorfes möglichst lange herauszögern kann, um so den politischen Druck – auch auf seine Partei – zu erhöhen.

Lützerath ist zum Symbol gegen den Kohleabbau geworden.

Lützerath ist zum Symbol gegen den Kohleabbau geworden.

Der Zülpicher will sich in den kommenden Tagen im Klimacamp in der Nähe von Lützerath engagieren. Der Grund: Laut Spychalski ist der Aufenthalt in Lützerath selbst ab diesem Montag illegal. „So ein Klimacamp hat es auch schon beim Kampf für den Hambacher Forst gegeben“, sagt er. Er wolle beispielsweise Gemüse schälen und so seinen Teil für die Versorgung der Menschen beitragen, die trotz Verbots in Lützerath bleiben werden.

Dass der Kampf gegen den Kohleabbau keine Generationenfrage ist, beweist Regine Görlitz. Die 66-Jährige ist aus Mechernich nach Lützerath, an den Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler, gekommen. „Meine Generation hat es leider verpasst, früher aufzuwachen. Wir hätten uns früher engagieren müssen.“ Sie finde es „großartig, wie die jetzige Generation für den Klimaschutz kämpft“.

Und dann sagt die Eifelerin etwas, was am Sonntag immer wieder zu hören ist. „Wie kann man Windräder als Verschandelung der Landschaft bezeichnen, wenn man vor einem solchen Loch steht.“ Und noch etwas könne sie nicht verstehen – wieso RWE nicht einfach auf die Kohle unter Lützerath verzichtet. „Das wäre doch ein großer Imagegewinn. Aber es geht eben um Kohle“, sagt Görlitz.


Die Polizei hat für diesen Montag eine Pressekonferenz angekündigt. Darin will sie bekannt geben, wie die Räumung von Lützerath ablaufen soll.

Klimaaktivisten wie der Zülpicher Luca Spychalski rechnen damit, dass am Mittwoch mit der Räumung begonnen werden soll. Bis dahin will er auf jeden Fall vor Ort bleiben. Für kommenden Sonntag sei wieder eine Demonstration geplant.

Seit Tagen sind mehrere Hundertschaften der Polizei in Lützerath im Einsatz. Aus dem ganzen Bundesgebiet sollen weitere folgen. Die Beamten sichern die vorbereitenden Räumungsmaßnahmen von RWE ab.

Dabei war es bereits zu Auseinandersetzungen mit Aktivisten gekommen. Ein Gutachten von Wissenschaftlern hatte zuletzt Zweifel daran geweckt, dass die Kohle unter Lützerath benötigt wird – auch bei höherem Energieverbrauch.

Die NRW-Regierung verweist darauf, dass im Gegenzug für die Abbaggerung der Kohleausstieg in NRW auf 2030 vorgezogen wurde.

KStA abonnieren