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StolpersteineJüdische Bürger waren fest in Mechernich verwurzelt

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Das Bild zeigt fünf Pflastersteine aus Messing, auf denen Namen stehen. Drumherum liegen weiße Rosen.

Stolpersteine für die Angehörigen der Familie Zimmermann wurden in Mechernich verlegt.

Fünf neue Stolpersteine erinnern an die jüdische Familie Zimmermann. Zur Verlegung waren Nachfahren aus den USA gekommen.

Sechs Millionen Juden wurden von Nationalsozialisten ermordet – eine Zahl, die das Leid jedes Einzelnen nicht auszudrücken vermag. Wie tief das Entsetzen auch heute sitzt, wurde deutlich, als in der Bahnstraße fünf Stolpersteine für die Familie Zimmermann verlegt wurden, die 1938 in die USA emigrierten.

Rund 60 Mechernicher wohnten der Enthüllung der vom Bauhof verlegten Gedenksteine bei. Für die musikalische Gestaltung der Feierstunde sorgten Nicole Besse und Erik Arndt. Louis und Fanny Zimmermann mussten mit ihren Kindern Jetty, Else und Adolf den Ort verlassen, den sie und ihre Vorfahren seit rund 300 Jahren als ihre Heimat bezeichneten.

„Die Überlieferung, die mir erzählt wurde, besagt, dass sie ursprünglich vor der spanischen Inquisition geflohen waren“, sagte Jacqueline Schwarz, die Nachfahrin der Familie, die das Gedenken an die Flucht ihrer Familie aus Mechernich in die Wege geleitet hatte. Wie verwurzelt die jüdischen Bürger in der Region waren, verdeutlichte Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick.

Die Vorbereitungen zur Hochzeit mussten geheimgehalten werden

Er erinnerte an eine Chronik aus dem 19. Jahrhundert, in der sich ein protestantischer Autor, der in Mechernich und Kommern unterwegs war, darüber ausgelassen habe, dass die Katholiken sehr wohl ihre jüdischen Nachbarn grüßten, aber nicht die Protestanten. Auch in der Bahnstraße war es nicht anders. Wenige Häuser weiter bezeugen weitere Stolpersteine, wie selbstverständlich Juden und Christen nebeneinander wohnten. Louis Zimmermann diente als Sanitäter im Ersten Weltkrieg und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet.

Doch mit dem NS-Regime wurde alles anders. Auch für Jetty Zimmermann, die 1935 Josef Schwarz aus Kommern geheiratet hatte. Schon die Vorbereitungen zu ihrer Hochzeit hatten sie geheim halten müssen, um Störungen durch die Nationalsozialisten zu vermeiden, berichtete ihre Tochter. Eine Reihe von besonderen Umständen rettete ihnen das Leben.

Jim Vacca, Jacqueline Schwarz, Emma und Daniel Vacca (v.l.)

Die Nachkommen der Familien Schwarz und Zimmermann, die rund 300 Jahren in Mechernich lebten: Jim Vacca, Jacqueline Schwarz, Emma und Daniel Vacca (v.l.)

So warnte 1937 der Schachpartner von Louis Zimmermann, ein Mechernicher Schreiner, dessen Name leider nicht überliefert ist, seinen Freund, dass sein Leben und das seiner Familie nicht mehr sicher seien. Sie habe den Mann bei einem Besuch im Jahr 1972 noch kennengelernt, erinnere sich aber nicht an seinen Namen, so Jacqueline Schwarz. Allerdings stehen in ihrem Haus zwei Möbelstücke aus seiner Mechernicher Werkstatt.

Jacqueline Schwarz stellte die Verbindung in die Heimat her

Ein weiteres Erlebnis machte der Familie deutlich, dass die Lage immer gefährlicher wurde. 1938 wurde Josef Schwarz von einer Gruppe Nationalsozialisten angehalten und, da er blond und blauäugig war, nach dem Wohnhaus des Juden Josef Schwarz gefragt. Er deutete nur mit dem Kopf nach hinten. Danach setzte er alles daran, das Land zu verlassen.

Glücklicherweise absolvierte Schwarz' Onkel Ernst eine Facharztausbildung zum Psychiater bei Siegmund Freud. Über seinen Schwiegervater konnte der die benötigten Visa für England besorgen. In den USA endete der Exodus der Familie. Dort wurde Jacqueline Schwarz geboren, die mit einer E-Mail an Bürgermeister Schick die Verbindung herstellte, in der sie über die Herkunft ihrer Familie aus der Stadt am Bleiberg berichtete.

Der Kontakt zwischen ihr, ihrer Familie, die mittlerweile in Louisville, Colorado, lebt, und dem Arbeitskreis „Forschen, Gedenken, Handeln“ wurde vertieft, so dass schließlich die Verlegung der fünf Stolpersteine im Beisein von Jacqueline Schwarz und ihrer amerikanischen Familie mit Jim Vacca, Sohn Daniel Vacca und seiner Frau Emily stattfinden konnte. Wie traumatisch die Vertreibung für ihre Familie war, berichtete Schwarz: „Äußerlich lebten meine Eltern in New York, innerlich aber in Mechernich und Kommern.“

Sie sei mit deutschen Volksliedern aufgewachsen, habe Geschichten von Kostümbällen und Festlichkeiten gehört. Sie machte auch deutlich, wie aufwühlend die aktuellen Zeiten für sie seien. „Ich hoffe, dass die Stolpersteine uns an einen besseren Punkt der Weltgeschichte führen.“ Zu Hause trage sie einen Button mit der Aufschrift: „Hass hat noch nie ein Land großartig gemacht.“