ProzessOrtsvorsteher wegen Missbrauchs seiner Enkelin verurteilt

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Justitia am Gericht

Justitia an einem Gerichtsgebäude (Symbolbild)

Euskirchen – Gestanden hat der Angeklagte am Montagabend den sexuellen Missbrauch an seiner damals 13-jährigen Enkeltochter keineswegs, den ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legte und den das Jugendschöffengericht gegen 19.30 Uhr mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung sowie einer Geldbuße vor 3000 Euro zugunsten des Kinderschutzbundes bestrafte.

Von ursprünglich 21 angeklagten Tatbeständen blieb nach dem vierten Verhandlungstag lediglich einer übrig. 20 sexuell motivierte Übergriffe ließen sich nicht in Ort und Zeit konkretisieren, haben aber nach Überzeugung des Gerichts unter Vorsitz von Richterin Stefanie Diel stattgefunden.

Befangenheitsanträge gestellt

Die Strafverfolgung wegen dieser 20 Übergriffe wurde vorläufig eingestellt, weil die eine Straftat vom 22. oder 23. Juli 2015 schwer genug wog, um den Angeklagten zu bestrafen. Der übrigens bestreitet nach wie vor die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.

Sein Strafverteidiger Hagen S. Seipel wurde am letzten Verhandlungstag nicht müde, Befangenheitsanträge gegen die psychologische Sachverständige Dr. Beate Dabel aus Düsseldorf und gegen Richterin Stefanie Diel zu stellen. Zudem forderte Seipel, den Prozesstag vom 25. September diesen Jahres zu wiederholen, weil die Öffentlichkeit durch eine falsche Markierung auf dem Aushang vor dem Gerichtssaal von der Sitzung ausgeschlossen worden sei.

Das sei ein Revisionsgrund und schon tausendfach in der deutschen Justizgeschichte auch so von übergeordneten Gerichten entschieden worden. Anträge, die das Gericht allesamt ablehnte. Seipel hatte moniert, die Gutachterin habe sich in ihrer Einschätzung lediglich von ihren Eindrücken aus der Transkription und der Begutachtung der Enkelin leiten lassen.

Sie habe indes zwei Chat-Verläufe auf dem Handy des Mädchens nicht in ihre Begutachtung einbezogen. In denen hatte das Kind mit zwei unbekannten männlichen Chat-Partnern auch sexualisierte Inhalte ausgetauscht. Diesen wichtigen Punkt habe die Gutachterin außer Acht gelassen, kritisierte Seipel.

Staatsanwältin Brigitta Krechel widersprach den Anträgen. Es gebe keine begründeten Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Gutachterin, die frei darin sei, wie sie ihr Gutachten erstatte. Das habe sie auch erledigen können, ohne die Audiodateien zu kennen.

Zudem sei die Lichtzeichenanlage über dem Gerichtsaushang intakt gewesen. Die Öffentlichkeit sei also nicht ausgeschlossen gewesen, so Krechel.

Verteidiger Hagen S. Seipel reagierte genervt auf die Ablehnung seiner Anträge: „Ich kann nicht zugucken, wie hier das Prozessrecht mit Füßen getreten wird.“ Sein Mandant, so sein nächster Antrag, lehne die Vorsitzende Richterin Stefanie Diel als befangen ab. Ihre Unvoreingenommenheit gegenüber dem Angeklagten sei mehr als zweifelhaft. Seipel sprach von „Rechtsbeugung“ durch das Jugendschöffengericht. Der Angeklagte selbst rief kopfschüttelnd in Richtung Richterin: „Ich war von Ihnen schon verurteilt, als ich im November 2016 den Gerichtssaal betrat.“

Zweistündige Beratung

Nach zweistündiger Beratung verkündete Amtsrichter Dr. Wolfgang Schmitz-Jansen, auch der Befangenheitsantrag gegen Vorsitzende Richterin Stefanie Diel entbehre jeder Grundlage. Zudem sei selbst durch die möglicherweise teilweise überklebte Lichtzeichenanlage über dem Aushang der Gerichtsrolle am 25. September für die Öffentlichkeit klar sichtbar gewesen, wann die Öffentlichkeit zugelassen und wann sie ausgeschlossen war.

Das Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Stefanie Diel übernahm erneut die Verhandlungsführung. Auf Anregung des Gerichts beantragte Staatsanwältin Brigitta Krechel, die Strafverfolgung der ersten 20 zur Rede stehenden Anklagepunkte vorläufig einzustellen.

Sie bezeichnete ebenso wie später Nebenklägerin Anke Sefrin die Schilderungen des Mädchens als Opfer der Übergriffe als glaubhaft. Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für den Angeklagten. Nebenklägerin Sefrin, die detailliert auf das Gutachten einging, schloss sich der Strafmaßforderung an.

Auf Freispruch plädiert

Auf Freispruch hingegen plädierte Verteidiger Seipel. Das Gericht habe nicht gründlich ermittelt. Der Tatvorwurf sei nicht erwiesen, die Zeit am fraglichen Tag zu kurz gewesen. Seipel kündigte an, er werde den Freispruch für seinen Mandanten bei einer übergeordneten Instanz erstreiten.

Das Gericht selbst erkannte den Angeklagten hingegen für schuldig. Die Aussage des Mädchens sei schlüssig, über Monate hinweg konstant und ohne übermäßige Belastungstendenzen gegenüber dem Opa.

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