Schlachten am EifelhimmelVerein plant Museum für Luftkriegsgeschichte in Vogelsang

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Ein verbogener Curtiss-Electric-Dreiblatt-Propeller und ein Tragflächenteil eines amerikanischen zweimotorigen B-26-Bombers

Ein verbogener Curtiss-Electric-Dreiblatt-Propeller und ein Tragflächenteil eines amerikanischen zweimotorigen B-26-Bombers

Schleiden-Vogelsang – „Wir waren von der Arbeitsgemeinschaft Luftkriegsgeschichte Rhein/Mosel schon seit einiger Zeit auf der Suche nach einer Möglichkeit, die Ergebnisse unserer Recherchen der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie sollten nicht einfach in einem Aktenschrank und einem Lager verschwinden“, erzählt Vereinssprecher Frank Güth.

Teile von Zwischenwänden wurden entfernt und so ein langer Verbindungskorridor geschaffen.

Teile von Zwischenwänden wurden entfernt und so ein langer Verbindungskorridor geschaffen.

Als dann die Anfrage der Firma Today Systems aus Viersen kam, konnten es der Schleidener und seine Mitstreiter kaum glauben: „Der Geschäftsführer Harald Ebels hat bei uns nachgefragt, ob wir nicht in Vogelsang ein Museum einrichten wollten.“ Das war vor rund zwei Jahren. Jetzt haben die Arbeiten für das Projekt, das im Westteil des Malakoff-Gebäudes realisiert werden soll, begonnen.

Luftkriegsgeschichte zwischen 1939 bis 1945

Die rund 20 Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft beschäftigen sich zum Teil schon seit mehreren Jahrzehnten ehrenamtlich mit der Luftkriegsgeschichte zwischen 1939 bis 1945, hauptsächlich im Rhein- und Moselland. „Seit 2003 arbeiten wir mit der Bodendenkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland zusammen und versuchen, abgestürzte Flugzeuge zu finden und sie aus dem Boden zu holen“, sagt Güth. Die Denkmalpflege selbst habe dafür zu wenig Ressourcen.

Vogelsang und der Luftkrieg

Durch den Flugplatz Walberhof hat auch die „Ordensburg“ Vogelsang eine direkte Verbindung zum Luftkrieg. Nach Angaben des Landschaftsverbands Rheinland hatte die nationalsozialistische Deutsche Arbeitsfront (DAF) 1933/34 den Walberhof erworben, um dort einen Feldflugplatz mit Flugzeughallen und Baracken zu bauen. Der Flugplatz sollte unter anderem dazu dienen, die Mannschaften der „Ordensburg“ auch im Motorfliegen auszubilden. 1937 nutzten Luftwaffeneinheiten aus Münster das Gelände des späteren Flugplatzes, um hier Starts und Landungen zu üben.

1938 begann dann der Bau des Flugplatzes. Umfangreiche Erdbewegungen mussten ausgeführt werden. Am 18. Juli 1939 wurde der Flugplatz eröffnet und elf Maschinen von Köln zur „Ordensburg“ Vogelsang überführt, die dann für die weitere Ausbildung zur Verfügung standen. Die Piste hatte eine Länge von rund einem Kilometer und war damit deutlich länger, als sie für einen Übungsplatz gebraucht wurde. Die Versorgungsgebäude lagen im nördlichen Bereich nahe dem Walberhof. Die Hangars und weitere Anlagen lagen westlich des Hofes.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 wurde der Flugplatz der Luftwaffe übergeben und bei dem deutschen Überfall auf die Beneluxstaaten und dem Angriff auf Frankreich im Mai/Juni 1940 genutzt. Stationiert waren hier das Kampfgeschwader 76 mit den leichten Bombern Dornier Do 17Z sowie das Jagdgeschwader 3 und 21 mit dem Jagdflugzeug Messerschmitt Bf 109E. Zugleich war das Flugfeld Landestelle beim Rücktransport verwundeter deutscher Soldaten, die im Lazarett in Vogelsang eine Erstversorgung erhielten. Bis zu 700 Flüge täglich wurden hier registriert, doch schon rund eine Woche nach Kriegsausbruch herrschte wieder Ruhe.

Im Spätsommer 1944 landeten 14 Sturzkampfflugzeuge (Stuka) des Typs Junkers Ju 87 in Vogelsang. Die Nachtschlachtflieger griffen im Schutz der Dunkelheit gegnerische Ziele in der Nähe der Front wie etwa Truppenzusammenballungen an. Neun Maschinen flogen am 11. September 1944 Störangriffe gegen amerikanische Truppen im belgischen Lüttich sowie Straßen und Bahnlinien in dem Bereich. Eine Maschine kehrte nicht zurück.

Am 13. September 1944 wurden die Stukas nach Köln-Ostheim verlegt. Durch Umpflügen und Sprengungen zerstörte die Wehrmacht am 17. September 1944 die Bauwerke einschließlich des Hangars und der Startbahn. Im Februar 1945 wurde der Platz von amerikanischen Truppen erobert und zügig wieder betriebsbereit gemacht. (wki)

Ziel sei darüber hinaus auch die Aufklärung über immer noch vermisste Kriegsopfer sowie die Darstellung und Vermittlung des Luftkriegs in den beiden Weltkriegen. Der Verein arbeitet laut Güth dabei mit zahlreichen Wissenschaftlern und Experten sowie dem Volksbund Kriegsgräberfürsorge zusammen. Auch Stefan Wunsch, wissenschaftlicher Referent der NS-Dokumentation in Vogelsang, gehöre zu den Beratern.

300 Fundstellen allein im Kreis Euskirchen

„Hinweise auf abgestürzte Maschinen erhalten wir aus Augenzeugenberichten oder aus alten Akten. Es gibt aber auch Zufallsfunde, beispielsweise auf Feldern“, berichtet Güth. Neben dem Kreis Euskirchen gehören auch die Kreise Düren und Heinsberg sowie die Städteregion Aachen zum Untersuchungsgebiet des Vereins. „Das hängt auch immer ein bisschen damit zusammen, wo die Mitglieder wohnen“, meint Güth.

Allein im Kreis Euskirchen gebe es rund 300 Fundstellen von Flugzeugen der verschiedenen Kriegsparteien. „Am Anfang des Krieges wurden mehr alliierte Flugzeuge abgeschossen, am Ende waren es dann mehr deutsche.“ Ein bis zwei neue Stellen würden pro Jahr entdeckt. Ihr gesammeltes Material haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft derzeit zum Teil in einem Lager im Schleidener Tal untergebracht.

„Nach dem Angebot des Investors haben wir Kontakt zum Landschaftsverband Rheinland und zu Vogelsang IP aufgenommen“, erinnert sich der Schleidener. Damit werde auch sichergestellt, dass die Ausstellung in das Gesamtkonzept von Vogelsang passe. „Die Absprachen haben wegen Corona etwas länger gedauert.“ Im September haben nun die Umbauarbeiten in den Räumen begonnen. „Teile von Zwischenwänden wurden rausgerissen“, sagt Güth.

Beleuchtung aus verschiedenen Blickwinkeln

Geplant ist, den Luftkrieg auf knapp 300 Quadratmetern aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Dabei, so Güth, werde die Sicht der Bevölkerung ebenso wie die der Zwangsarbeiter und der Besatzungen dargestellt: „Auch ethische Aspekte und Kriegsverbrechen werden angesprochen. Der Schwerpunkt wird dabei auf dem Luftkrieg in der Region liegen.“

Im westlichen Teil des Malakoff-Gebäudes soll die Ausstellung zur Luftkriegsgeschichte präsentiert werden.

Im westlichen Teil des Malakoff-Gebäudes soll die Ausstellung zur Luftkriegsgeschichte präsentiert werden.

Ziel sei es, Artefakte und Hintergründe der Luftkriegsereignisse weiter zu erforschen und so für kommende Generationen zu bewahren. „Der Luftkrieg ist letztendlich der Krieg, der in das Land seines Verursachers zurückkehrte. Die zunehmenden Zerstörungen waren gleichzeitig für das NS-Regime die größte innenpolitische Gefahr, da damit die latente Auflehnung der Bevölkerung verbunden war“, sagt Güth. „Von daher lassen sich daran auch die perfide Propaganda, die Instrumentalisierung von ,Gemeinschaften’ und beispielsweise die Aushöhlung des Rechts unter dem Deckmantel des Luftkrieges nachweisen.“

Vogelsangs Entwicklung vom NS-Täterort zum aktuellen Internationalen Platz

Bei der Zusammenstellung der Ausstellung werde die Arbeitsgemeinschaft von Vogelsang IP und dem Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte des LVR wissenschaftlich beraten und begleitet. Die Schau soll auch einen Bezug zu geschichtlichen Zusammenhängen und Ereignissen herstellen, aber auch Vogelsangs Entwicklung vom NS-Täterort zum aktuellen Internationalen Platz aufzeigen. „Ein aktueller Bezug ergibt sich daraus, dass in der Flüchtlingsunterkunft Schelde in direkter Nachbarschaft zur geplanten Ausstellung zurzeit Menschen leben, die in der heutigen Zeit auch vor dem Luftkrieg in ihrem Land geflohen sind“, so der Schleidener.

Jede Menge Literatur zum Zweiten Weltkrieg und zum Luftkampf haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft bereits gesammelt.

Jede Menge Literatur zum Zweiten Weltkrieg und zum Luftkampf haben die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft bereits gesammelt.

Die Ausstellung soll multimedial gestaltet werden. „Neben Zeugnissen von früher, Plakaten, Fotos und anderen Informationen soll es auch Codes zum Scannen geben, mit denen Filme abgerufen werden können.“ Geführte Rundgänge seien ebenso geplant wie Kooperationen mit Schulen. In den Räumen neben dem Museum plane der Investor, eine kleine Gastronomie und einen kleinen Markt einzurichten.

300.000-Euro-Förderung vom Land Nordrhein-Westfalen

Finanziert werden sollen der Umbau und die Ausstellung unter anderem mit einer 300 000-Euro-Förderung vom Land Nordrhein-Westfalen, der NRW-Stiftung und dem Landschaftsverband. Kleinere Beträge wurden von der Bürgerstiftung Schleiden und den ortsansässigen Banken zugesagt oder schon überwiesen. Die Ausstellung soll 2023 eröffnet werden. „In einem Radius von mehr als 100 Kilometern gibt es kein vergleichbares Museum oder eine vergleichbare Ausstellung“, hebt Güth hervor.

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Das Interesse an greifbarer Geschichte im Kontext zum Nationalsozialismus mit all seinen Auswirkungen sei ein Alleinstellungsmerkmal für die Ausstellung, für Vogelsang IP und die Region. Beim Tag der offenen Tür in Vogelsang im September wurden die Museumspläne von Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft erstmals vorgestellt.

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