2000 DemonstrantenGegen die AfD und den Faschismus: Euskirchen bekennt sich zur Demokratie

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Der Alte Markt in Euskirchen ist gefüllt mit Demonstrierenden, die Banner, Schilder und Fahnen in die Höhe halten.

Der Alte Markt in Euskirchen platzte aus allen Nähten. In Spitzenzeiten waren bis zu 2000 Menschen auf dem Platz, schätzt die Polizei.

Seite an Seite standen am Sonntag Jung und Alt, Akademiker und Arbeiter, um auf dem Alten Markt in Euskirchen gegen die AfD zu demonstrieren.

Der Alte Markt in Euskirchen ist aus allen Nähten geplatzt. Zu Spitzenzeiten stehen am Sonntag nach Schätzungen der Polizei etwa 1800 bis 2000 Menschen auf dem Platz, um friedlich gegen Faschismus und für Demokratie zu demonstrieren. Viele von ihnen wie die Omas gegen Rechts oder die Mitglieder des Queeren Stammtischs Euskirchen gehen regelmäßig für Vielfalt auf die Straße.

Magdalena und Hartmut Hoffmann aus Euskirchen sind das erste Mal dabei: „Weil wir finden, dass es jetzt an der Zeit ist.“ In den Nachrichten haben sie davon erfahren, dass Rechtsradikale mit der AfD gemeinsame Sache machen, um Menschen, die „nicht deutsch genug“ sind, nach Nordafrika zu deportieren. „Jetzt sind wir besorgt um unsere Demokratie“, sagt Magdalena Hoffmann. Und dass sie hoffen, dass sich genug Menschen finden, die dagegenhalten.

2000 Menschen nahmen teil

Demonstration für Demokratie und gegen Faschismus in Euskirchen

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Politiker, Organisationen, Kirchen und Vereine stehen zusammen gegen Rechts

Dagegengehalten haben sowohl die demokratischen Parteien (Grüne, SPD, FDP, CDU, Volt, die Partei und die UWV-Ortsverbände) sowie Verbände, Vereine und Organisationen (etwa die AWO Rhein-Erft & Euskirchen, die Kreisbauernschaft, Fußballvereine gegen Rechts und Vogelsang IP). Auch die Kirchen waren vor Ort. Evangelische und katholische Christen protestierten Seite an Seite. Schließlich tragen sie dasselbe Kreuz. „Und das hat keinen Haken“, sagt eine Protestantin, hält ein Schild hoch und zieht eine Katholikin an ihre Seite.

Neben den Christen stehen die Bauern. Gerade erst haben vielerorts Menschen aus der rechtsradikalen Szene versucht, ihren legitimen Protest zu unterwandern und für ihre eigene radikale Agenda zu missbrauchen. Auf der Bühne steht Helmut Dahmen, der Vorsitzende der Kreisbauernschaft, kerzengrade und sagt: „Diese Menschen sind keine Demokraten. Trotzdem versuchen sie sich unter uns zu mischen. Und das ist der Anfang vom Ende.“

Dahmen sagt auch, dass er wisse, dass es auch unter den Bauern diejenigen gebe, die „dunkle Gedanken“ hegten. Gerade deswegen sei es wichtig, dass jeder Einzelne diesen dunklen Gedanken widerspreche, damit sie sich nicht fortpflanzen könnten. „Ich hoffe, dass wir alle durchhalten, um unseren Kindern unser Land als Demokratie zu übergeben.“

Sie wollen, dass wir uns isolieren und dass wir uns einsam fühlen. Sie wollen, dass es um uns herum kalt wird. Dass unsere Herzen kalt werden. Sie wollen, dass es uns egal wird, was neben uns passiert. Sie wollen, dass wir gleichgültig werden.
Myriam Kemp über die AfD

Nur zu hoffen, das reicht Myriam Kemp, Sprecherin des Grünen-Kreisverbandes, nicht: „Demokratie ist kein Ding an sich. Wir können sie nicht fassen. Demokratie existiert nur dadurch, dass wir sie leben“, brüllt sie ins Mikrofon. Wie man Demokratie lebt? „Wir gehen wählen. Egal was, Hauptsache nicht AfD.“

Denn diese Partei argumentiere nicht mit Fakten. Ihre Mittel seien das Schüren von Angst und Missgunst sowie das Verbreiten von Fake News. „Sie wollen, dass wir uns isolieren und dass wir uns einsam fühlen. Sie wollen, dass es um uns herum kalt wird. Dass unsere Herzen kalt werden. Sie wollen, dass es uns egal wird, was neben uns passiert. Sie wollen, dass wir gleichgültig werden.“

Für einen Moment wird es ganz leise auf dem Alten Markt. Dann hebt Kemp die Arme, und brüllt ins Mikrofon: „Aber das schaffen sie nicht!“ Jetzt sei die Zeit gekommen, in der bewiesen werden müsse, dass wir aus den Fehlern unserer Vorfahren gelernt hätten, sagt sie. „Nie wieder ist jetzt. Und morgen. Und übermorgen. Und alle Tage danach.“

Viele Menschen fühlen sich in die 1920er Jahre zurückversetzt

An den Plakaten kann man erkennen, dass viele Menschen, die an diesem Tag auf dem Alten Markt zusammengekommen sind, sich durch das Bekanntwerden der geheimen Deportationspläne in die 1920er-Jahre zurückversetzt fühlen. In die Zeit kurz vor Hitlers Machtergreifung.

Auch Landrat Markus Ramers erinnert in seiner Eröffnungsrede an einen in den Zwanziger Jahren geborenen, berühmten Sohn der Stadt Euskirchen: „Willi Graf ist für mich die bedeutendste Persönlichkeit, die in dieser Stadt geboren wurde.“ Der gebürtige Kuchenheimer war ein Mitglied der Widerstandsbewegung Weiße Rose. Damals hat er gesagt: „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung.“ Ramers sagt heute: „Das ist unsere Verantwortung. Die Verantwortung, um die es geht, ist heute die gleiche wie damals: gegen den Faschismus einstehen.“

Diese Kongruenz kommentiert der Demonstrant Tobias Feld. Er sagt, dass man aus den 1920er-Jahren doch weitaus schönere Dinge in die 2020er-Jahre importieren hätte können als Inflation und Faschismus: zum Beispiel die ausufernden Partys, die tollen Kostüme und den Charleston, findet Feld.

Landrat Markus Ramers: „Eine erfolgreiche Demonstration genügt nicht“

Trotz des erkennbaren Erfolges der Demonstration sagt Markus Ramers: „Aber lasst mich auch drei mahnende Sätze sprechen.“ Der Kampf für die Demokratie werde nicht am heutigen Tag und nicht in Euskirchen entschieden. „Wir werden weiter dafür einstehen müssen“, so Ramers.

Während einer Rede schiebt sich ein vermummter Mann durch die Menge Richtung Bühne. Sein Handy hält er mit ausgestreckten Armen vor sich. Er filmt nicht nur die Menschen, die auf der Bühne stehen, sondern auch diejenigen, die im Publikum in der ersten Reihe stehen. Karl-Heinz March (Grüne) geht auf den Mann zu und bittet ihn, sein Gesicht zu zeigen. Der Mann nimmt seinen Gesichtsschutz ab und lässt kurz darauf auch sein Handy sinken. Eine Weile steht er noch vor der Bühne, bis er wieder in der Menge verschwindet.

Magdalena und Hartmut Hoffmann, die heute zum ersten Mal auf die Straße gegangen sind, finden, dass wirklich viele Menschen zusammengekommen sind. „Aber vielleicht sollten langfristig sogar noch ein paar mehr dazukommen“, sagt Hartmut Hoffmann. Seine Frau nickt.

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