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Aus Syrien und Ukraine geflüchtetEuskirchener Talente sind mit Stimme und Flöte erfolgreich

Lesezeit 5 Minuten
Das Foto zeigt die beiden Musikerinnen und den Musikschulleiter vor einem Konzertflügel.

Die Querflötistin Polina Starytska (l.) und die Sängerin Loubna Albddallah, Schülerinnen der Musikschule Euskirchen, hier mit Schulleiter Christian Wolf, waren beim Landeswettbewerb Jugend musiziert erfolgreich.

Loubna Alabddallah und Polina Starytska, Schülerinnen der Musikschule Euskirchen, kamen als junge Geflüchtete nach Deutschland.

Beide flüchteten vor dem Krieg in ihrer Heimat, beide fanden in Euskirchen ein neues Zuhause, beide lieben die Musik. Während Loubna Alabddallah sich mit Erfolg dem Popgesang verschrieben hat, brilliert Polina Starytska an der Querflöte. Der Leiter der Euskirchener Musikschule, Christian Wolf, sagt über die beiden Talente: „Neben der Begabung, die sie mitbringen, begeistert mich vor allem ihr Ausdruck beim Musizieren.“ Im Gespräch mit dieser Zeitung erzählten die Sängerin und die Flötistin jetzt von ihrem Werdegang und ihren Plänen.

Für Loubna Alabddallah sind es spannende Zeiten. In Kürze wird sie zum ersten Mal seit neun Jahren wieder in Damaskus sein, in der Stadt, die sie wegen des syrischen Bürgerkriegs als Kind notgedrungen verließ. „Ich freue mich sehr, zum Beispiel darauf, dass ich mein Kinderzimmer wiedersehen werde. Aber ich bin auch aufgeregt“, sagt die 19-Jährige, die voriges Jahr an der Gesamtschule Euskirchen ihr Abitur abgelegt hat und momentan beim Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrum (Kobiz) des Kreises ihren Bundesfreiwilligendienst absolviert.

Loubna fiel damals mit ihrer Gesangsstimme als Naturtalent auf.
Christian Wolf, Leiter der Musikschule

2017 hatte sie in Euskirchen in dem Musical „Home“ mitgespielt, mit vielen anderen Kindern und Jugendlichen, die wegen Krieg, Terror und Not aus ihrem Ursprungsland geflüchtet waren. Das Musical war eine Gemeinschaftsproduktion, zu der sich die Musikschule Euskirchen, die katholische Kirchengemeinde und die internationalen Klassen von Emil-Fischer-Gymnasium und Gesamtschule zusammengetan hatten.

„Loubna fiel damals mit ihrer Gesangsstimme als Naturtalent auf“, erzählt Musikschulleiter Wolf. Der Rotary Club förderte sie, „sodass ich mir Gesangsunterricht leisten konnte“, ergänzt die Sängerin. Schon 2019 qualifizierte sie sich bei „Jugend musiziert“ für den NRW-Landeswettbewerb.

Die junge Sängerin aus Euskirchen holte 25 Punkte – die Höchstwertung

Der Abiturstress ließ sie zwischendurch eine Pause einlegen, „mittlerweile bin ich wieder eingestiegen“, sagt die 19-Jährige, die in der Musikschule von Marvin Becker unterrichtet wird. Im Februar gewann sie in ihrer Altersgruppe in der Kategorie Popgesang mit der Höchstwertung von 25 Punkten den Regionalwettbewerb von „Jugend musiziert“.

Dies bedeutete den erneuten Sprung zum Landeswettbewerb. In Essen sang sie, von Marvin Becker an Klavier und Keyboard begleitet, unter anderem „Moonlight“ von Ariana Grande. „Sie ist als Sängerin mein Vorbild, ich liebe ihre Lieder“, sagt   sie über die US-Amerikanerin.

Die 19-Jährige, die aus Syrien stammt, mag vor allem Taylor Swift

Nicht zuletzt steuerte Alabddallah einen eigenen Song bei, „I'm Not Standing Still“. Mit ihren Beiträgen sicherte sie sich 19 Punkte und einen dritten Preis. Lieder   selber schreiben – das tut die Sängerin jetzt häufig. Unter den Songwriterinnen mag sie vor allem Taylor Swift, auch sie ein Megastar aus den USA.

„Als ich nach Deutschland kam, habe ich die Popmusik entdeckt – Katy Perry, Justin Bieber und wie sie alle heißen.“ Bei einem Auftritt mit der Maryphonix Bigband der Euskirchener Marienschule im April sang sie Hits von Adele und Whitney Houston.

Die Flötistin spielt auf ihrem Instrument.

Querflötistin Polina Starytska hat den Bundeswettbewerb Jugend musiziert erreicht.

Die Sängerin mit Mikrofon in der Hand.

Popsängerin Loubna Alabddallah errang beim Landeswettbewerb Jugend musiziert einen dritten Preis.

Jetzt jedoch, so erzählt sie, wolle sie ihr Repertoire erweitern, eine allgemeine klassische Gesangsausbildung mit Theorie und Klavier durchlaufen und im nächsten Jahr ein Musik-Lehramtsstudium aufnehmen.

Polina Starytskas Berufswunsch ist es, als Solistin in einem Orchester zu spielen. Als Profimusikerin würde sie ihrer Mutter Oksana, einer Gitarristin, nacheifern, die ihr als erstes Instrument die Blockflöte ans Herz legte. Damals war sie sechs. Vier Jahre später wechselte sie zur Querflöte.

Seit der Flucht aus der Ukraine findet der Unterricht online statt

Als kleines Kind hatte sie unter Asthma gelitten. „Als ich mit der Blockflöte begann, ging das Asthma weg“, erzählt die Elftklässlerin der Marienschule. „Die Flöte ist für dich wie ein Medikament“, habe ihre Mutter gesagt. Nicht nur deshalb kann sich die 17-Jährige ein Leben ohne Querflöte, ohne Musik im Allgemeinen, nicht mehr vorstellen.

Sie wuchs in der ukrainischen Stadt Tschernihiw auf. Schon von der siebten Klasse an besuchte sie ein Musikinternat in Kiew. Ihren Unterricht in Querflöte und Klavier behielt sich auch nach ihrer Flucht 2022 bei – er findet seither online statt. Jetzt steht sie kurz vor dem Abschluss. Als Leistungsnachweise schickte sie von Deutschland aus regelmäßig per Internet Videoaufnahmen in die Ukraine, auf denen sie Werke für   Flöte und Klavier interpretiert.

Polina Starytska ist Jungstudentin der Musikhochschule Düsseldorf

Polina Starytska ist nicht nur Gymnasiastin in Euskirchen, Schülerin eines ukrainischen Internats und der Euskirchener Musikschule, wo sie von Britta Veltmann betreut wird, sondern seit ihrem 16. Lebensjahr auch Jungstudentin an der Musikhochschule Düsseldorf. Dort will sie sich nach dem Abitur auch für ein ordentliches Studium bewerben. Und Schlagzeug-Unterricht nimmt sie auch noch.

In besagtem Internat erlebte sie im Februar 2022 den Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die ganze Ukraine. Wie so viele Menschen dort musste sie um ihr Leben fürchten. „Nachts um vier Uhr ging es mit dem ersten Bombenangriff auf Kiew los. Plötzlich waren ganz viele aufgeregte Leute in meinem Zimmer.“

Nach den Angriffen auf Kiew war die Verbindung in die Heimat gekappt

Weil die Verbindung nach Tschernihiw gekappt war, konnten sie und ihr Bruder, der ebenfalls in Kiew war, nicht nach Hause zu ihrer Mutter. Sie kamen für einen Monat bei ihrer Querflötenlehrerin unter. „Das Lied, das ich damals lernte, ,Hypnosis' von Ian Clarke, kommt mir immer sofort in den Sinn, wenn ich an diese Zeit zurückdenke.“ Später flüchtete die Familie nach Deutschland.

Im Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ errang sie 2024 in Lübeck als Soloflötistin einen ersten Preis mit 24 von 25 Punkten. In diesem Jahr tritt sie in dem traditionsreichen Nachwuchswettbewerb in der Duo-Kategorie „Klavier und ein Holzblasinstrument“ an, mit Leonid Demikhovskiy (Haan) – und das mit großem Erfolg: Im Regionalwettbewerb (25 Punkte) wie auf Landesebene (24 Punkte) wurden die beiden, die Werke von Jules Mouquet („La flute de Pan op. 15“) und Sergej Prokofjew (Sonate D-Dur op. 94) spielten, mit einem ersten Preis bedacht. Nun geht es zum Bundeswettbewerb nach Wuppertal.

Christian Wolf schwärmt von der Ausstrahlung der Flötistin: „In ihre Interpretationen fließt derart viel aus ihrem Leben ein, wie man es bei jugendlichen Frauen nur sehr selten erlebt. Ihre Musik geht durch und durch.“ So möchte es die 17-Jährige wohl, jedenfalls sagt sie: „Ich will mit der Flöte nicht nur Noten spielen, ich will Geschichten erzählen.“