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Wolf oder Goldschakal?An der Euskirchener Steinbachtalsperre wurden acht Schafe gerissen

Lesezeit 4 Minuten
Eine Herde Schafe steht auf einer Wiese. Am Zaun steht Schäfer Georg Bungart.

Acht Schafe und Lämmer hat Schäfer Georg Bungart verloren. Er vermutet, dass sie von einem Wolf - oder gar mehreren - gerissen wurden. Weitere Tiere in der Herde sind verletzt.

Der Schäfer geht davon aus, dass ein Wolf die Tiere getötet hat. Ein Experte schließt jedoch nicht aus, dass es ein Goldschakal war.

Das Tal zwischen der Steinbachtalsperre und Gut Steinbach ist ein Idyll. Manchmal stolziert der Schwarzstorch über die Wiesen, der Eisvogel ist hier regelmäßig zu sehen. Doch seit Sonntag ist die Welt dort für Georg Bungart nicht mehr in Ordnung. Da erreichte ihn ein Anruf: „Du musst mal nach deinen Schafen schauen, da stimmt was nicht.“ Vier Tiere, darunter ein Lamm, waren tot, andere hatten schwere Verletzungen. „Das Blut tropfte aus den Wunden“, sagt der Schäfermeister. Für ihn ist klar, dass Wölfe in die Herde eingedrungen sind.

Tatsächlich ist in den vergangenen Tagen in der Nähe von Rheinbach und Palmersheim mehrfach ein Wolf gesichtet worden – ob es immer derselbe war, ist unklar. In Netzwerken kursieren Fotos und ein Video, das ein Tier in der Fahrgasse eines Getreidefeldes zeigt. Doch der Wolfsberater, der den Riss bei Schäfer Bungart begutachtet hat, hat einen anderen Verdacht. „Es könnte ein Goldschakal gewesen sein“, sagt Dietmar Birkhahn.

Tatsächlich breitet sich das Raubtier, das größer als ein Fuchs, aber kleiner als ein Wolf ist, in Deutschland aus. Zuletzt hatte es Schlagzeilen gegeben, weil ein Goldschakal auf Sylt Lämmer gerissen hatte. In Nordrhein-Westfalen hat laut Landesamt für Natur, Umwelt und Klima (Lanuk) 2020 ein Exemplar bei Klewe Schafe gerissen. Das sei der einzige Nachweis, der vorliege.

Ein Goldschakal läuft in der Nacht durch einen Wald.

Der Goldschakal ist größer als ein Fuchs, aber kleiner als ein Wolf. In der Eifel wurde bisher kein Vorkommen nachgewiesen.

Ganz gleich, ob Wolf oder Schakal: Für Georg Bungart ist eine Welt zusammengebrochen. Ein Tierarzt musste vier weitere Schafe einschläfern, bei anderen Wunden versorgen. Ob sie überleben werden, sei noch nicht abzusehen, sagt der Schäfer. Die Bilder vom Sonntag verfolgen ihn. Er könne nicht mehr schlafen aus Sorge um seine Herde, sei vom Gelegenheitsraucher zum Kettenraucher geworden.

Pro Schaf nur 40 bis 60 Euro Entschädigung

Da ist zum einen der wirtschaftliche Schaden. Zwar bekomme er eine Entschädigung, wenn der Wolfsriss nachgewiesen werde. Doch bis die Ergebnisse der DNA-Proben vorlägen, könne es Monate dauern. Und außerdem gebe es pro Tier lediglich 40 bis 60 Euro, weit unter dem Marktpreis.

Im vorigen Jahr habe die Blauzungenkrankheit seine Herden dezimiert. „Der Verdienst fehlt komplett, die Kosten bleiben“, beklagt der Schäfer. Seine Herde besteht aus Tieren der Rasse Coburger Füchse sowie aus Rhönschafen. Letztere seien eine sehr seltene, gefährdete Art: „Davon gibt es weniger, als es in Deutschland Wölfe gibt.“

Der Sonntag hat aus einem weiteren Grund Spuren bei dem 60-Jährigen hinterlassen. Er hat das Gefühl, dass seine Sorgen und Nöte nicht ernst genommen würden. Und dass das Interesse, Wolfsrisse nachzuweisen, nicht sehr groß sei.

Ich kann die Schafe nicht weggeben, das hier ist doch mein Leben.
Georg Bungart, Schäfer

Erst einmal habe er herumtelefonieren müssen, um überhaupt Hilfe zu bekommen. Polizei, Lanuk, sogar das Senckenberg-Institut, in dem die DNA-Proben untersucht werden, habe er angerufen. Der Wolfsberater, der schließlich vor Ort war, kam aus dem Oberbergischen. Das sei völlig normal, wenn die Wolfsberater vor Ort verhindert seien, erklärt Dietmar Birkhahn. Schließlich seien sie alle Ehrenamtler, die auch ein Privatleben hätten.

Um 13.58 Uhr sei er vor Ort gewesen. Aus seiner Sicht war so viel Eile gar nicht geboten: Schließlich müssten die Proben innerhalb von 24 Stunden entnommen werden, rechtlich wäre das also auch noch am Montagmorgen in Ordnung gewesen.

Zwei Vertreter des Fördervereins Deutsche Schafhaltung waren vor Ort

Die weiteren Schilderungen gehen auseinander. Bungart beschreibt, ein Lamm sei in zwei Teile zerrissen gewesen, was für ihn ein Beleg dafür sei, dass zwei Wölfe am Werk gewesen sein müssten. Birkhahn sagt, ein Lamm sei „befressen“ gewesen. Zunächst habe die Situation für ihn nach einem Wolfsriss ausgesehen. Doch als er später seine Dokumentation angeschaut habe, seien ihm Zweifel gekommen. Die Rissspuren deuteten eher auf einen Goldschakal hin. Aber das sei seine private Einschätzung, betont er.

Der mutmaßliche Wolf steht in der Fahrspur eines Feldes.

Das Bild zeigt möglicherweise einen Wolf in einem Feld an der Monikastraße zwischen Rheinbach und Palmersheim.

Als der Wolfsberater ankam, waren bereits zwei Mitglieder des Fördervereins Deutsche Schafhaltung vor Ort: Silke Roth, Landesbeauftragte für Rheinlandpfalz und NRW, und ein weiterer Rissbegleiter. Der Verein betreue Weidetierhalter, auch wenn sie nicht Mitglied seien, erklärt Roth.

Proben an ein zweites Labor geschickt

Bungart ist nicht nur kein Mitglied, er hatte auch zuvor nie von dem Verein gehört, wie er sagt. Doch er zollt den beiden Anerkennung. Die beiden hätten eine Ausrüstung dabeigehabt, wie die Spurensicherung im Krimi. Sie hätten Proben nicht nur der toten, sondern auch der verletzten Schafe genommen. Die werden, wie die Proben des Wolfsberaters, untersucht. Allerdings nicht im Senckenberg-Institut, sondern in einem Hamburger Labor. Das komme häufig zu anderen Ergebnissen als das „Monopol-Labor“, sagt Silke Roth.

Mittlerweile ist Georg Bungart schon fast egal, was bei den DNA-Untersuchungen herauskommt. Er will sich auch gar nicht mehr um die Entschädigung kümmern. Auch die später verendeten Tiere will er dem Wolfsberater nicht nachmelden.

Seinem Sohn, der mehrere eigene Herden besitze, habe er geraten, die Schäferei aufzugeben. Er selbst habe sein erstes Schaf zur Kommunion bekommen. Über die Jahre habe er eine Großschäferei aufgebaut, mit rund 800 Tieren, die in mehreren Herden in der Eifel weideten und dort Flächen offenhielten für seltene Tier- und Pflanzenarten. Jetzt denkt der Schäfer ans Aufhören, aber: „Ich kann die Schafe nicht weggeben, das hier ist doch mein Leben.“