Wegen möglicher Nazi-VergangenheitKarl-Kaufmann-Weg wird umbenannt

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Die Umbenennung des Karl-Kaufmann-Wegs gaben Heinz-Peter Thiel (v.l.), Rolf Seel, Wolfgang Schmid und Geschäftsführer Manfred Rippinger (hinten) in der Hellenthaler Jugendherberge bekannt.

Die Umbenennung des Karl-Kaufmann-Wegs gaben Heinz-Peter Thiel (v.l.), Rolf Seel, Wolfgang Schmid und Geschäftsführer Manfred Rippinger (hinten) in der Hellenthaler Jugendherberge bekannt.

Rhein-Sieg-Kreis/Eifelland – „Wandergruppe Eifelgold“ nennt sich eine anonyme Gruppierung, die dem Eifelverein vorwirft, sich nicht seiner Geschichte zu stellen. Es geht der Gruppe um den Namensgeber des Karl-Kaufmann-Wegs, der auf rund 200 Kilometern von Brühl nach Trier führt. Karl Kaufmann war von 1904 bis 1938 Vorsitzender des Eifelvereins. Mit 500 Zettelchen, die die anonyme Gruppe nach eigener Darstellung an den Markierungszeichen des Wegs angebracht hat, will sie auf die Rolle Kaufmanns in der Zeit des Nationalsozialismus aufmerksam machen.

„Wir lassen uns nicht in die rechte Ecke drängen.“ Mit diesen Worten wehrte sich Hauptvorsitzender Rolf Seel gegen die Kritik. Sichtlich verärgert zeigten sich die Mitglieder des Hauptvorstands, als sie nach ihrer Tagung am Wochenende in der Jugendherberge in Hellenthal vor die Presse traten. Nach dem Vorwurf der anonymen Wandergruppe, der Eifelverein stelle sich nicht seiner Vergangenheit, versucht dieser nun den Befreiungsschlag. Einstimmig beschloss das Gremium, den Hauptwanderweg 2 von Karl-Kaufmann-Weg in Ville-Eifel-Weg umzubenennen.

Die Gruppe „Eifelgold“ bleibt anonym

Wer hinter den Vorwürfen steckt, ist auch den Eifelvereins-Verantwortlichen nicht bekannt. „Die Leute sind gut informiert und professionell aufgestellt“, so die Einschätzung von Wolfgang Schmid, Professor für Landeskunde und Kulturwart des Hauptvereins.

Kurz vor der Jahrestagung im Mai versandte die Gruppierung namentlich nicht gekennzeichnete Schreiben, in denen die Tatsache angeprangert wird, dass der Wanderweg immer noch nach dem langjährigen Vorsitzenden benannt ist. Zeitgleich wurden die Beschilderungen des Weges mit Aufklebern versehen, auf denen Zitate Kaufmanns aus der Zeit zwischen 1933 und 1938 zu lesen waren. „Bildungspolitische Aufklärung“ nennen das die unbekannten Verfasser.

Auf 200 Kilometern führt der Karl-Kaufmann-Weg von Brühl nach Trier.

Auf 200 Kilometern führt der Karl-Kaufmann-Weg von Brühl nach Trier.

Dass diese sich selbst nicht öffentlich machen, verbittert vor allem Schmid: „Ich habe dafür kein Verständnis, gerade als Historiker lebe ich von offenem Diskurs.“ Heinz-Peter Thiel, Landrat des Vulkaneifel-Kreises und zweiter stellvertretender Vorsitzender des Hauptvereins, fügte hinzu: „Wir hätten uns gern positioniert.“

Geschichte von Karl Kaufmann soll aufgearbeitet werden

Nach der Jahrestagung des Hauptvereins, so Schmid, habe er Kontakt mit Dr. Helmut Rönz und Dr. Dagmar Hänel vom Landschaftsverband Rheinland sowie Heike Pütz vom Kreisarchiv Euskirchen aufgenommen. „Wir waren uns einig in der Bewertung, dass von Kaufmann keine Kriegsverbrechen bekannt sind, er aber in die Zeit verstrickt war“, erläuterte Schmid. Allerdings sei die Aktenlage bislang dünn. Um den Komplex richtig aufzuarbeiten, werde im nächsten Jahr eine Historikertagung zu Karl Kaufmann organisiert.

Karl Kaufmann

Nicht zu verwechseln ist Karl Leopold Kaufmann (1863 – 1944) mit Karl Otto Kaufmann, der von 1929 bis 1945 Gauleiter von Hamburg war.

Karl Leopold Kaufmann war Sohn des ehemaligen Oberbürgermeisters von Bonn, Leopold Kaufmann. 1899 wurde er zum Landrat des Kreises Malmedy ernannt. 1907 wurde er Landrat des Kreises Euskirchen, ein Amt, das er bis zu seiner Pensionierung 1929 ausübte.

Danach zog er nach Bonn und arbeitete als Historiker. Er wurde Vorsitzender des Vereins für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande. Kaufmann habe sich als Wissenschaftler mit der Westforschung befasst und den Nazis die wissenschaftliche Grundlage geliefert, die mit dem Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg an Belgien abgetretenen Westgebiete zurückzufordern, so Wolfgang Schmid. 1944 starb Kaufmann in Bonn bei einem Bombenangriff. (sev)

Bereits 2015 waren zahlreiche Wege umbenannt worden: Die Namensgeber wurden durch thematische Bezeichnungen ersetzt. „Wir wollen die Umbenennung der Wege mit regionalen Bezeichnungen“, so Thiel. Das sei ohnehin Marketingkonzept.

Kaufmann ist noch immer eine „legendäre Person“

Dies galt jedoch nicht für den Karl-Kaufmann-Weg. Dass Kaufmann in Teilen der Südeifel immer noch eine „legendäre Person“ sei, hat laut Schmid dazu geführt, dass mehrere Ortsvereine 2015 gegen die Umbenennung des Wegs gestimmt hätten. „Kaufmann ist immer noch Ehrenbürger mehrerer Städte“, so der Historiker. Auch Straßen sind nach ihm benannt, zum Beispiel in Kyllburg und in Schleiden. „Er war ein Faktor der Kontinuität aus dem Kaiserreich, da er bereits unter Kaiser Wilhelm Landrat war“, beschrieb Schmid Kaufmanns Position.

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1904 übernahm Kaufmann den Vorsitz des Eifelvereins und leitete ihn 34 Jahre bis 1938. „Kaufmann war kein Parteigenosse der NSDAP“, so Schmid. Doch er sei aufgrund seiner Autorität auch bei der Gleichschaltung und Arisierung der Vereine 1933 nicht aus dem Amt entfernt worden. Anders, als zum Beispiel der Alpenverein, sei der Eifelverein zwar immer eigenständig geblieben. „Unser Verein ist aber gleichgeschaltet und missbraucht worden“, sagte Thiel.

Der Straßenname

In Swisttal-Buschhoven heißt die Ortsdurchfahrt der Landstraße 493 „Karl-Kaufmann-Weg“. Um eine Entscheidungsgrundlage für eine mögliche Umbenennung zu erhalten, hat die Swisttaler Verwaltung Kontakt mit dem Eifelverein und anderen Kommunen aufgenommen, in denen ebenfalls Straßen nach Karl Kaufmann benannt wurden (unter anderem Schleiden in der Eifel). Der Swisttaler Haupt-, Finanz- und Beschwerdeausschusses beschloss Ende Juni einstimmig, zunächst die Ergebnisse der historischen Untersuchungen abzuwarten.

„Wir als Eifelverein müssen uns zwei Punkte vorwerfen lassen“, fasst Schmid die Erkenntnisse zusammen. So sei die Eifelvereins-Zeitschrift mit ihrer hohen Auflage von 30000 Exemplaren zu Propagandazwecken genutzt worden, etwa um den Bau des Westwalls oder die NS-Malerschule in Kronenburg zu feiern.

Auch Vergangenheit von Josef Schramm wurde nicht aufgearbeitet

Auch der Umgang mit dem langjährigen Ehrenvorsitzenden Josef Schramm, von 1933 bis 1945 Landrat im Kreis Schleiden, sei kritikwürdig. „Der Eifelverein hat sich nicht getraut, die Vergangenheit Schramms aufzuarbeiten“, bemängelte Schmid. Die Aufarbeitung sei in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Vereins „sehr zurückhaltend“ gewesen. 2015 sei der Hauptwanderweg 4 von Josef-Schramm-Weg in Felsenweg umbenannt worden.

Nach den durch die anonyme Gruppe erhobenen Vorwürfen wird nun also auch der Karl-Kaufmann-Weg umbenannt. „Es war klar, dass Handlungsbedarf besteht. Wir wollen nicht, dass das Thema wieder aufploppt“, so Schmid. Deshalb, und da Personen ohnehin längst aus den Wegenamen verschwunden sein sollten, habe es jetzt keinen Sinn gemacht, einen ehemaligen Vorsitzenden so hervorzuheben.

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