Granulate gegen KlimawandelWeilerswist kämpft für seine Blütenpracht

Lesezeit 4 Minuten
„Essbare Gemeinde“ ist ein nächstes Projekt des Grünflächenamtes in Weilerswist. Christoph Zimmermann zeigt die Fläche, auf der Bürger zugunsten der Allgemeinheit essbare Pflanzen anbauen dürfen.

„Essbare Gemeinde“ ist ein nächstes Projekt des Grünflächenamtes in Weilerswist. Christoph Zimmermann zeigt die Fläche, auf der Bürger zugunsten der Allgemeinheit essbare Pflanzen anbauen dürfen.

Weilerswist – Klimawandel und Schädlingsbefall nötigen Grünflächenämter zu Anpassungen. Und die leuchten nicht auf den ersten Blick ein. Was ist das für ein ungewöhnliches Substrat auf den Beeten? Warum werden die Bäume so radikal geschnitten? Wie heißt denn dieser Baum? In der Gemeinde Weilerswist kann man solche Fragen gut verstehen und gibt einige Erläuterungen.

In der Martin-Luther-Straße probiert die Gemeinde unter Leitung des zuständigen Mitarbeiters für Baumpflege und Grünflächenkonzepte, Christoph Zimmermann, eine neue Form der Beetpflege aus. Mit diesem Konzept soll auf die Klimaveränderungen mit langfristigen Maßnahmen reagiert werden. In den neu angelegten Beeten sieht man nicht den üblichen, dunkelgrauen, torfhaltigen Boden und auch keinen Rindenmulch als Abdeckung, sondern Granulate. Es handelt sich um Substrate aus der Vulkaneifel, die mit nahrhaftem organischen Material ergänzt werden.

Mit Eifeler Granulat und Drainage sind die Beete vorbereitet.

Mit Eifeler Granulat und Drainage sind die Beete vorbereitet.

Die Vorteile dieser Bodenbedeckung: Der Boden versauert nicht wie bei Rindenmulch und ähnlichen organischen Materialien, die Wurzeln werden optimal mit Sauerstoff versorgt, und Staunässe wird vermieden. Da das Material aus der Eifel stammt, erspart man sich weite Transportwege. In Weilerswist ist man stolz darauf, dass für die Gewinnung keine empfindlichen Ökosysteme belastet werden.

Alles zum Thema Klimawandel

„Pflege statt Fällung“ lautet das Motto

Über 15000 Blumenzwiebeln sollen im Frühjahr in den so aufbereiteten Beeten zur Blüte kommen – ausgesucht wurden Sorten mit viel Nektar und Pollen für Insekten. Ab März pflanzt die Gemeinde Stauden aus Steppengebieten in die Beete, die mit relativ wenig Wasser und Nährstoffen problemlos auskommen. „Das Substrat sorgt auch dafür, dass sich nur wenig Unkraut ansiedeln kann“, ist Zimmermann überzeugt. Er freut sich, auf Torf und künstlichen Dünger verzichten zu können. Er lässt die Beetpflege nach ökologischen Erkenntnissen vornehmen.

Ideen für den heimischen Garten

Die Ergebnisse des neuen Pflanzkonzeptes können in Weilerswist ab etwa Februar mitverfolgt werden. Wer daraus auch Ideen für den eigenen Garten übernehmen will, findet in den Beeten Schilder mit einem QR-Code. Dieser kann einfach übers Smartphone eingescannt werden – und schon kommt der Naturfreund auf eine Seite der Gemeinde mit Pflanzplänen und Pflanzenlisten.

Die Auswahl der Bäume für die Bepflanzung an Straßen und auf Plätzen befindet sich ebenfalls in einem Veränderungsprozess. Auf der Seite der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz gibt’s im Internet unter www.galk.de eine Tabelle mit Straßenbäumen in der Erprobungsphase. Eine Spalte verrät, welche Arten sich noch in der Testphase befinden und welche sich bereits als geeignet oder ungeeignet für den öffentlichen Raum erwiesen haben. Auch hier können Gartenbesitzer, die Platz genug für Bäume haben, Ideen erhalten. Kleinere Pflanzen und Büsche sind auf dieser Seite jedoch nicht zu finden.

Unter der Leitung von Christoph Zimmermann werden entsprechende neue Arten in Weilerswist gepflanzt. Soweit möglich, werden sie in regionalen Baumschulen gekauft. (fkn)

Für die Bäume, so genannte Stammbüsche, wird es zusätzlich noch ein Drainagesystem geben. „Es sorgt dafür, dass Luft an die Wurzeln kommt. Wurzeln brauchen Sauerstoff. Ist der in den Tiefen nicht vorhanden, suchen die Wurzeln danach an der Oberfläche und sie wachsen nach oben. Es kommt zu den bekannten Wurzelhebungen im Bürgersteig und Asphalt, da hier Luft und Wasser ausreichend vorhanden sind“, erklärt Zimmermann.

Bäume im öffentlichen Raum müssen regelmäßig überwacht und gepflegt werden. Zimmermann und sein Team bemühen sich, die Gehölze möglichst zu erhalten, auch wenn an ihnen Erkrankungen festgestellt werden. „Pflege statt Fällung“ lautet das Motto. Da in Hohlräumen eines Stammes Eulen und Fledermäuse zuweilen ideale Bedingungen für ein Nest finden, soll nicht gleich alles weggeschnitten werden. Doch manchmal geht es aber nicht anders. Am Bahnhofsparkplatz wird die Gefahr, die von einer kranken Rosskastanie ausgeht, als zu hoch eingeschätzt. Mittelfristig wird eine Fällung nötig sein.

Gemeinde wirbt um Vertrauen

Als Fachagrarwirt für Baumpflege und Baumsanierung legt Zimmermann nach Baumkontrollen fest, was getan werden muss. Ist ihm etwas verdächtig, untersucht er es zunächst mit einfachen Geräten. Bleiben Zweifel, holt er einen externen Gutachter mit entsprechendem Equipment für genauere Untersuchungen.

Die Kastanie am Bahnhof ist von einem Austernseitling besiedelt.

Die Kastanie am Bahnhof ist von einem Austernseitling besiedelt.

Auch Verjüngungsschnitte stoßen bisweilen ebenfalls auf wenig Verständnis bei Passanten. Warum muss man eine schöne Baumkugel so heftig reduzieren? Weil sonst der Wuchscharakter verloren geht und sich in einem Baum Totholz bilden kann, das Krankheiten Vorschub leistet, erklärt die Gemeinde. Formgehölze, wie Bäume mit einer architektonisch besonderen Form genannt werden, erfüllen einen gestalterischen Zweck. Ohne Pflege würde dieser Charakter mit der Zeit verloren gehen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch wenn Astschere und Säge bei Mitbürgern zuweilen Unverständnis hervorrufen, wirbt die Gemeinde um Vertrauen in die Kompetenz der Mitarbeiter und um die Bereitschaft, die neuen Maßnahmen zur Klimaanpassung in öffentlichen Grünanlagen mitzugehen.

KStA abonnieren