Mauer in ZülpichRömischer Meilenstein gefunden

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Zülpichs Kulturreferent Hans-Gerd Dick präsentierte den kürzlich entdeckten römischen Meilenstein.

Zülpichs Kulturreferent Hans-Gerd Dick präsentierte den kürzlich entdeckten römischen Meilenstein.

Zülpich – Zülpich war alles andere als eine unbedeutende römische Siedlung. Auf dem heutigen Mühlenberg wohnte die feine Gesellschaft in prachtvollen Villen, aß von feinstem Geschirr und ließ es sich in den Thermen wohlergehen. Wichtige Straßen liefen in der Römerstadt zusammen, um das damalige Tolbiacum an Köln oder Trier anzubinden. Angesichts dieser Historie ist es fast schon verwunderlich, dass bis dato nur ein einziger römischer Meilenstein auf Zülpicher Stadtgebiet entdeckt worden ist: der Hovener Meilenstein, der in den 60er-Jahren bei Bauarbeiten an der Nideggener Straße gefunden wurde und im Museum der Badekultur ausgestellt ist.

Doch nunmehr hat dieses Exemplar, das Reisenden wie alle Meilensteine verriet, wie weit es bis zur nächsten Etappe ist, Zuwachs bekommen. „Zur allgemeinen Überraschung“, so der städtische Kulturreferent Hans-Gerd Dick, stieß das Geschichtsvereinsmitglied Peter Spilles durch Zufall bei einem Rundgang um die Hauptschule auf den geschichtsträchtigen Sandsteinblock. Spilles beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit historischen Meilensteinen und Wegzeichen. Seinem geschulten Auge fiel auf, dass der Stein, den er in der Außenmauer eines Klassenraums entdeckte, ein Fund sein könnte, nach dem er jahrelang gesucht hatte. Dick: „Die wenigen, die das Mauerstück wahrgenommen hatten, wussten nicht, was es darstellt.“

Spilles erkannte die Bedeutung. Er informierte Stadt und Geschichtsverein über seine Entdeckung. Im Einvernehmen mit der Schulleitung wurde beschlossen, das Steinfragment aus der Mauer zu entfernen und zur Geschichtswerkstatt zu bringen. Einfach war der Rückbau nicht. Der römische Meilenstein war massiv in der Schulmauer verankert. Kleine Beschädigungen, die entstanden waren, konnte Steinmetzmeister Johannes Drach gemeinsam mit einigen Geschichtsvereinsmitglieder reparieren. Demnächst soll der Meilenstein in oder vor der Geschichtswerkstatt als Zeugnis römischer Straßenbaukunst ausgestellt werden.

Überraschend war der Zeitpunkt der Entdeckung, nicht der Fund an sich. Der Stein ist ein „verlorener Sohn“, der erstmals im Zülpicher Stadtweistum vom 17. April 1375 erwähnt wurde: „Zo deme irsten an der colre straesen an deme groene Weege, da hin man geit zu Bessenich, da steit ein stein.“ Er stand also an der Kölnstraße, Abzweig Grüner Weg nach Bessenich. Der Weg ist seit dem Bau der Bahnstrecke Euskirchen – Düren im Jahr 1865 verschwunden. Irgendwie muss der Stein anschließend ans Kölntor geraten sein. Ein Foto im Kreisjahrbuch 1975 zeigt das Fragment angelehnt an das Stadttor. „Das Foto war zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung nicht mehr aktuell“, so Dick: 1975 sei der Meilenstein definitiv nicht mehr am Kölntor gewesen. Er habe vermutlich zuvor bei Straßenbauarbeiten im Weg gestanden und sei abtransportiert worden. In der Forschung galt das Steinfragment jahrelang als verschollen.

Anders als auf dem weit besser erhaltenen Fund in Hoven sind bei dessen „kleinem Bruder“ keine Schriftzüge mit bloßem Auge erkennbar. Dick hofft darauf, dass die Archäologen mit moderner Technik einige Zeilen sichtbar machen können. Der Meilenstein vom Grünen Weg nach Bessenich dürfte nach Erkenntnissen Dicks spätestens im 4. oder 5. Jahrhundert von den Römern installiert worden sein. Danach gewannen die Kelten in Zülpich die Oberhand; die Römer gaben die Unterhaltung ihrer Straßen sukzessive auf.

Den Archäologen kann man beim Versuch, dem neuesten Fund einige Informationen herauszukitzeln, nur die Daumen drücken. Denn die Auskünfte, die die alten Römer der Nachwelt auf Meilensteinen hinterließen, gehen weit über Entfernungsangaben hinaus. Das heißt: Der Terminus Meilenstein ist eigentlich nicht korrekt. Auf dem Hovener Exemplar wird die Entfernung bis Köln nicht in Meilen sondern im römischen Längenmaß „Leuge“ angegeben. 16 Leugen seien es bis zum Ziel, das entspricht rund 35 Kilometern.

Das Entstehungsdatum des Hovener Steins ist exakt bestimmbar. Zwischen 324 und 326 nach Christus wurde das Teil an die heutige Nideggener Straße gesetzt. Römischer Kaiser war damals Konstantin. Das ist auch auf einer Inschrift des Steins nachzulesen. Allerdings nicht, dass Konstantin drei Söhne hatte. Wie damals üblich, wurden die Imperatoren in spe ebenfalls in die Meilensteine gemeißelt.

Der aus Hoven weist aber nur auf Konstantins Söhne Flavius und Claudius hin. Der Name des dritten Sprösslings wurde herausgemeißelt. Dick kennt den Grund: Der ausgemerzte Crispus war ein Sohn aus Konstantins erster Ehe und der zweiten Frau Gemahlin ein Dorn im Auge. Konstantins Eheweib muss einen gewaltigen Einfluss gehabt haben. Crispus wurde wegen angeblichen Hochverrats der Prozess gemacht und hingerichtet. Der lange Arm der römischen Herrscher reichte bis in die Provinz nach Tolbiacum. Kaum war Crispus vom Leben zum Tod befördert worden, da griff man schon zum Meißel.

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