KarnevalFastelovend im Blut – Zülpichs ältestes Tanzmariechen ist 94 und immer noch jeck

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Elisabeth Esser hält ein Schwarz-Weiß-Bild von sich als Tanzmariechen in die Kamera.

Elisabeth Esser ist das älteste noch lebende Tanzmariechen von Zülpich. Karneval ist in ihrer Familie ein ganz großes Thema.

Als Elisabeth Esser Tanzmariechen wurde, tanzte man an Karneval noch Walzer und die Zuschauer beim Rosenmontagszug waren nicht kostümiert.

Mit ihren weißen, rund geföhnten Haaren und dem freundlichen aber bestimmten Lächeln hat Elisabeth Esser eine gewisse Ähnlichkeit mit der verstorbenen Queen Elisabeth II.. Und im Prinzip ist sie ja auch eine Königin. Schließlich ist sie die Mutter des diesjährigen Karnevalsprinzen Ralf I. (Esser). 

Doch nicht nur das. Elisabeth Esser ist das aktuelle Oberhaupt einer ganzen Karnevalsdynastie. Schon fünf Prinzen habe ihre Familie hervorgebracht, berichtet sie stolz: Angefangen mit ihrem Vater Heinrich, dem letzten Karnevalsprinz von Zülpich vor dem Zweiten Weltkrieg.

Einen Mariechentanz gab es im Zülpicher Karneval kurz nach dem Krieg nicht

Sie selbst war nie Prinzessin. Die gibt es im Zülpicher Karneval nämlich nicht. Aber Elisabeth Esser hat das höchste Amt im Fastelovend der Römerstadt bekleidet, das man als Frau haben kann: Sie war Tanzmariechen. Und zwar vor 74 Jahren. 

„Damals gab es noch keinen Mariechentanz“, erinnert sich die 94-Jährige. In ihrer ersten Session hat sie daher Walzer getanzt. „Ich konnte schon mit zwölf Jahren Walzer tanzen, wie ein Ass“, sagt sie ohne jede Überheblichkeit.

In ihrer zweiten Session besuchten sie und ihr Tanzpartner einen Tanzlehrer in Düren und führten dann den ersten richtigen Mariechentanz auf. Auf den Schwarz-Weiß-Bildern, die sie auf dem Esstisch ausbreitet, ist sie zu sehen, wie sie ihre Arme in die Hüften stemmt und lachend die Beine hochwirft. 

Schwarz-weiße Fotografien zeigen Elisabeth Esser in jungen Jahren beim Karneval in Zülpich.

Federhut, Uniformjacke, Rock und zwei Zöpfe: Das Tanzmariechen-Outfit von Elisabeth Esser ist den heutigen Kostümen sehr ähnlich.

Schon damals trug sie als Tanzmariechen einen Hut mit Federn, zwei geflochtene Zöpfe, Uniformjacke und Röckchen. „Natürlich nicht so kurz wie heute“, betont Esser. „Die Freundin meiner Eltern war Schneidermeisterin“, erzählt sie. Sie habe ihr Kostüm genäht und sie auch vor Auftritten zurechtgemacht. 

Nur unverheiratete Frauen durften Tanzmariechen werden

Das Mariechen war damals die einzige Frau in der gesamten Karnevalsgesellschaft. „Die waren da schon einmal hart umkämpft“, sagt Sohn Udo Esser (Prinz im Jahr 2002). Sie und das Funkenmariechen der Blauen Funken haben deshalb immer bei den älteren Herren von den  Zölleche Öllege gesessen, die hätten gut auf sie aufgepasst, berichtet Elisabeth Esser: „Ich habe ja nie Alkohol getrunken, und da bekam ich immer ein Schokolädchen hingelegt, wenn eine Runde kam.“ 

Vier Jahre lang war sie das Tanzmariechen der Prinzengarde, dann heiratete sie. Und als verheiratete Frau mit einem fremden Mann durch den Karneval zu tanzen, das ging in den 50er-Jahren nicht. Doch als ihre Nachfolgerin 1955 plötzlich ausfiel, sprang Elisabeth Esser ein. „Zum Leidwesen meines Mannes“, ergänzt sie.

Doch ob verheiratet oder nicht, Fastelovend hat Elisabeth Esser immer gefeiert. Sie hat Tanzgruppen trainiert und kann sich noch an so manche durchtanzte Nacht erinnern. Nur Prinzgemahlin wurde die 94-Jährige nie, denn ihr Mann verstarb mit 36 Jahren, bevor er je zum Prinz der Römerstadt proklamiert werden konnte.

Den Karneval in Zülpich nach dem Krieg wieder aufgebaut

Karneval liegt ihr im Blut. Und auch ihr Mann war ein Jeck durch und durch. 20 Jahre lang war er Schriftführer der Blauen Funken und betrieb mit seinem Bruder die Stammkneipe des Karnevalsvereins, „Em Höttche“.  Ihr Mann war es, der mit wenigen anderen den ersten Rosenmontagszug in Zülpich nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Weg brachte. „Nach dem Krieg haben wir den Karneval in Zülpich wieder ein bisschen aufgebaut“, sagt Elisabeth Esser heute.

Elisabeth Esser steht auf ihrer Terrasse und hält ein Bild ihres Vaters als Karnevalsprinz in den Händen. Links und rechts neben ihr stehen ihre beiden Söhne Ralf und Udo. Ralf Esser trägt das Ornat des Prinzen und Udo Esser die Uniform der Blauen Funken. Neben Ralf Esser steht seine Frau Anne-Marie.

Eine Karnevalsdynastie: Schon Elisabeth Essers Vater war eins Prinz Karneval in Zülpich (Foto). Sohn Udo (rechts) übernahm das Regiment 2002 und Sohn Ralf ist der aktuelle Prinz.

Auf den Fotos sieht man, wie die damals 19-Jährige durch die Zülpicher Innenstadt tanzt. Mit viel Publikum, allerdings unkostümiert. Das mit dem Verkleiden an Karneval kam erst später auf. Dafür war es zu Elisabeth Essers aktiven Zeiten und noch lange darüber hinaus gang und gäbe, was heute undenkbar erscheint: Ob Sitzung, Proklamation oder Zoch – überall wurde geraucht. Auf den Fotos von Elisabeth Esser haben wirklich alle entweder eine Zigarette oder eine Zigarre im Mund. Auf einem Bild sieht man sogar, wie ganze Rauchschwaden den Raum vernebeln.

Früher war der Karneval handgemachter

Für Elisabeth Esser gibt es noch einen anderen deutlichen Unterschied vom Karneval der 50er und 60er-Jahre zu heute: Der Karneval früher sei handgemachter gewesen. Gerade am Anfang sei ja kaum Geld da gewesen. Einen Büttenredner oder eine Band von auswärts zu engagieren, war einfach nicht möglich. Also mussten die Zülpicher selbst ran.

Als später mehr Geld in den Kassen war, kamen auch mehr auswärtige Kräfte. „Und dann war auf einmal der handgemachte Karneval ganz weg“, beschreibt es Udo Esser. Deshalb haben die Blauen Funken vor mehr als 20 Jahren das Miljöhfest ins Leben gerufen. Hier treten wieder nur eigene Kräfte oder Amateure auf.

Die Ehe seiner Eltern sei bestimmt eine der ersten festen Bindungen zwischen den Blauen Funken und der Prinzengarde in Zülpich gewesen, überlegt Udo Esser. Durchgesetzt haben sich in der Familie die Blau-Weißen: Er und sein Bruder sind schon lange Mitglied, und auch ihre Töchter tanzten alle einmal bei den Funken mit. So wird das Karnevals-Gen immer weitergegeben. Ralf I. wird sicher nicht der letzte Prinz Karneval aus der Familie Esser in Zülpich sein - und Elisabeth Esser wird, so lange sie lebt, eine Königin des Karnevals bleiben.

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