Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

AutobiografieZülpicherin erzählt, wie sie als „Zebra“ ihrer Erkrankung trotzt

7 min
Die Autorin sitzt in einem Garten im Rollstuhl und lächelt in die Kamera.

Maike Romanowski-Fuß aus Weiler in der Ebene hat ein Buch über ihr Leben mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom geschrieben.

Maike Romanowski-Fuß musste lange warten, bis sie erfuhr, dass sie das Ehlers-Danlos-Syndrom hat. Hinter ihr liegt eine wahre Ärzteodyssee.

Die Einschulung sollte für Maike ein Neuanfang sein. Endlich raus aus dem Kindergarten, in dem die anderen sie „Gummipuppe“ nannten, „Tollpatsch“ oder „Baby“, weil sie sich mit vielen Dingen so schwertat. Doch die Hoffnung erfüllte sich nicht. Die Hänseleien in der Kita wurden in der Grundschule abgelöst durch schlimmes Mobbing. Nun riefen Klassenkameraden ihr Schimpfwörter hinterher wie „Pferdefresse“, „Krüppel“ oder „Fischgesicht“.

Längst war Maike klar, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung war. „Warum bin ich so anders?“, fragte sie sich Tag für Tag. Und: „Wann hören die Schmerzen endlich auf?“

Die Ärzte sagen: Besser wird es nicht mehr.
Maike Romanowski-Fuß

Dass sie nicht mehr von Schmerzen geplagt wird, das wünscht sich die Frau aus Weiler in der Ebene immer noch. Dass es so weit kommt, glaubt sie jedoch nicht. „Die Ärzte sagen: Besser wird es nicht mehr.“

Maike Romanowski-Fuß hat das Ehlers-Danlos-Syndrom, kurz: EDS, eine chronische genetische Bindegewebserkrankung. Das Bindegewebe ist, wie es die 34-Jährige vereinfachend erklärt, der Klebstoff, der den Menschen zusammenhält. „Liegt in diesem Bindegewebe eine Störung vor, betreffen die Symptome den gesamten Körper.“

Das Buch der Zülpicherin heißt „Hilfe! Ich bin ein Zebra!“

So beschreibt sie EDS in ihrem Buch „Hilfe! Ich bin ein Zebra! Autobiografie über das Leben mit dem Ehlers-Danlos-Syndrom“. Das Zebra steht als Symboltier für seltene und oft übersehene Krankheiten. Warum das? Wenn jemand Hufschläge höre, so denke er höchstwahrscheinlich an ein Pferd und nicht an ein Zebra. „So ist es mit seltenen Erkrankungen im Hinblick auf die Ärzte“, erklärt Romanowski-Fuß. „Sie denken bei der Diagnosestellung meist zuerst an vertraute Ursachen und nicht an eine Erkrankung, die selten und eher unwahrscheinlich ist.“

Seltene Krankheiten würden deshalb häufig viel zu spät entdeckt und die Betroffenen müssten eine wahre Ärzteodyssee mitmachen, bevor sie endlich einen Namen für ihre Probleme bekämen. „Man fühlt sich nicht ernst genommen und die Probleme werden immer schlimmer, bis irgendwann endlich jemand dem Hufgetrappel nachgeht und das seltene Zebra entdeckt.“

Als Kind kann sich Maike Romanowski-Fuß verbiegen wie ein Gummimensch

Romanowski-Fuß kann von einer solchen Odyssee erzählen. Sie beginnt, als sie ein kleines Kind ist. Das Mädchen, das im Kreis Heinsberg aufwächst, ist kurzsichtig und zierlich, die Gehörgänge sind zu eng, die Polypen zu groß, hinzu kommen Fußfehlstellungen und ständig Schwierigkeiten mit dem Rücken. Eigentümlich ist: Maike kann sich buchstäblich verbiegen wie ein Gummimensch.

Die anfängliche Bewunderung durch andere Kinder tritt bald in den Hintergrund. Die Schmerzen nehmen zu, und das Mädchen ist viel schneller am Ende seiner Kräfte als Gleichaltrige, die sie deshalb verspotten. Mehr noch: „Beispielsweise konnte ich an manchen Tagen plötzlich keine Schleife mehr an meinen Schuhen binden, bekam keine Reißverschlüsse mehr zu, konnte keine Puppen mehr anziehen.“

Die Ärzte seien ratlos gewesen, erzählt die Autorin

Die Ärzte, schreibt die Zülpicherin, seien ratlos gewesen, hätten – in Ermangelung anderer Erklärungen – immer wieder von Wachstumsschmerzen gesprochen und davon, dass sie ungewöhnlich empfindlich und schwach sei und „dass ich mich anstelle“.

Dadurch, dass sie der ständig wiederholten Empfehlung folgte, sich viel zu bewegen und Sport zu treiben, wurde es nicht besser. Im Gegenteil. In ihrem Buch schildert Maike Romanowski-Fuß die vielen schlimmen Begleiterscheinungen, die auf EDS zurückzuführen sind – was in ihrem Fall jedoch lange niemand weiß. Als sie 17 ist, wird sie zum ersten Mal operiert, am Knie.

Viele andere Krankheiten treten auf

Sie macht eine Ausbildung zur Kinderpflegerin. Weitere Eingriffe werden notwendig, doch wirkliche Erfolge stellen sich nicht ein. Stattdessen treten immer mehr Krankheiten auf, Asthma etwa, Arthrose, Bandscheibenvorfälle, Arznei- und Lebensmittelunverträglichkeiten.

All das erzählt die Autorin authentisch und oft mit Anflügen von Ironie, durchaus auch von der bitteren Sorte – aber nie mit Selbstmitleid, obwohl sie bis heute mehr als 20 Operationen hinter sich hat (meist am Rücken und an den Knien) und sie von geschätzt 50 Ärztinnen und Ärzte behandelt worden ist.

Selbstmitleid macht es nur noch schlimmer.
Maike Romanowski-Fuß

„Selbstmitleid macht es nur noch schlimmer“, sagt die 34-Jährige, die im Gespräch mit dieser Zeitung durch ihre Offenheit, ihre positive Art, ihr fröhliches Wesen besticht. Von Resignation keine Spur – und das, obwohl ihr klar ist: „EDS ist nicht heilbar. Die Krankheit ist zu wenig erforscht, sodass man nur die Symptome behandeln kann, aber nicht an die Ursachen herankommt.“

Es hatte weit mehr als 20 Jahre gedauert, bis sie erfuhr, dass das Ehlers-Danlos-Syndrom hinter all ihren Krankheiten und Beschwerden steckt. Nachdem sie 2018 in Weiler in der Ebene mit ihrem heutigen Mann Nikolai zusammengezogen war, wechselte sie zu seiner Hausarztpraxis. Eine Ärztin nahm sich ihre gesamten Akten vor. Große Hoffnung hatte die junge Frau, die sich zu Unrecht als Simulantin abgestempelt fühlte, nach vielen Enttäuschungen aber nicht.

An der Uniklinik Aachen erhielt sie endlich eine gesicherte Diagnose

Doch siehe da: „Sie nahm mich wirklich ernst und überwies mich in ein Zentrum für seltene Erkrankungen.“ Dort, an der Uniklinik Aachen, erhielt sie zwei Jahre später, 2020, nach zahlreichen Untersuchungen endlich eine gesicherte Diagnose. „Ich war schockiert. Andererseits war da eine gewisse Erleichterung, weil das Kind jetzt endlich einen Namen hatte und ich mir spezialisierte Ärzte suchen konnte.“

Bei EDS ist die Haut extrem elastisch, die Gelenke halten durch die fehlende Stabilität der Muskeln und Sehnen nicht in ihrer Position. Eine ausgeprägte Hypermobilität ist die Folge. Als Komorbiditäten, also       Begleiterkrankungen, treten unter anderem Neuropathien und Fibromyalgie auf, die brennende und stechende Schmerzen in verschiedenen Körperregionen auslösen, sagt Maike Romanowski-Fuß.

Manchmal ist ihr Körper „wie ein Wackelpudding“

Eine extreme Kraftlosigkeit ist ihr ständiger Begleiter: Manchmal sei sie zu schwach, um sich etwas zu essen zu machen oder eine Flasche zu öffnen, „weil der Körper wie ein Wackelpudding ist, der Kreislauf versagt oder bei kleinsten Bewegungen die Gelenke subluxieren“, was bedeutet, dass sich die Knochen verschieben.

Von Luxationen, dem vollständigen Ausrenken von Gelenken, bleibt sie verschont, seit sie Prothesen trägt. Doch fallen ihr ständig Gegenstände aus der Hand. „Jede Sekunde kann eine einzige Bewegung meinen Körper lahmlegen, dann kann ich den größten Teil des Tages nur auf der Couch liegen.“

Die Krankheit hat ihre beruflichen Träume zunichtegemacht

Ohne Umschweife beschreibt Romanowski-Fuß, dass sie nach außen oft nur zum Selbstschutz glücklich wirke. Über ihr wahres Inneres wüssten nur ausgewählte Menschen Bescheid.

Grundsätzlich sei sie aber ein positiver Mensch, betont sie: „Ich will immer das Beste aus einer Situation machen.“ Ihre beruflichen Träume hat EDS zunichtegemacht. Nach ihrem dualen Studium in Heilerziehungspflege musste sie ihren Plan, den Master in Sozialpädagogik zu machen, zu den Akten legen. Zuletzt arbeitete sie drei Jahre in einem Sanitätshaus, mittlerweile ist sie frühverrentet. Sie habe akzeptiert, dass sie nicht mehr arbeiten könne, dennoch lasse sie die Sehnsucht nach einem normalen Alltag nicht los.

Dank einer computergesteuerten Ganzbeinorthese kann sie sich in ihrem behindertengerecht ausgebauten Haus alles in allem gut bewegen. Draußen ist sie auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen.

In dem Buch dankt sie den ihr wichtigen Menschen: ihrem Mann, seiner und ihrer Familie, zwei besonderen Ärzten, ihrer Physiotherapeutin und den Freunden und Freundinnen, „die immer an meiner Seite geblieben sind, egal wie viele Umwege ich gegangen bin und wie viele Abstürze beim Erklimmen der Berge es auf meinem Weg gab“.


Ihr Ziel: anderen Menschen Mut machen

Schätzungen zur Zahl der bekannten Fälle von Menschen mit EDS in Deutschland reichen von 2500 bis 5000. Mit ihrer Autobiografie will Maike Romanowski-Fuß ihnen Mut machen: „Ich erzähle von all meinen Lebensabschnitten mit der Hoffnung, damit Menschen zu erreichen, die selbst noch auf der Suche nach einer Diagnose sind.“

Erkrankte möchte sie ermutigen, „niemals aufzugeben“. Sie gibt ihnen zudem Tipps zu Hilfsmitteln und zum oft zermürbenden Umgang mit Krankenkassen und Behörden. Gleichzeitig wolle sie mit dem Buch erreichen, „dass mehr Mediziner und Therapeuten sich trauen, sich mit der Krankheit zu befassen, damit es für künftige Betroffene bessere Unterstützung gibt“. Wünschenswert sei auch, dass mehr Geld in die Erforschung der Krankheit fließe.

Wer das Buch zum Preis von 20 Euro kaufen möchte, kann sich per E-Mail an die Autorin wenden.

Viele, die an EDS erkrankt seien, „geben auf, wenn sie die Diagnose erhalten“, sagt Maike Romanowski-Fuß. Sie verkörpert das Gegenteil. Die 34-Jährige lässt sich nicht unterkriegen, auch wenn die Krankheit ihr noch so sehr zusetzt. In ihrer Autobiografie beschreibt sie Kraftspender, die ihr dabei helfen. Sie nennt ihre Hunde Diego und Gizmo sowie als Hobbys die Fotografie und die Musik. „Musik ist Balsam für die Seele.“ Sich dem Zülpicher Kirchenchor anzuschließen sei ihre „allerbeste Entscheidung“ gewesen, sagt sie.