Zuhause Abschied nehmenPalliativpflegedienst der Caritas begleitet sterbende Menschen

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Die Betreuung durch die ambulante Palliativpflege wird Maria Schmitz bis zum Ende ihres Lebens brauchen. Sie ist unheilbar erkrankt und möchte Zuhause sterben.

Die Betreuung durch die ambulante Palliativpflege wird Maria Schmitz bis zum Ende ihres Lebens brauchen. Sie ist unheilbar erkrankt und möchte Zuhause sterben.

Kreis Euskirchen – Vor zehn Jahren wurde der ambulante Palliativpflegedienst des Caritasverbands Eifel gegründet. Heute sind über 70 qualifizierte Mitarbeiter in fünf Palliativpflegestationen im Südkreis und der Region Simmerath dafür im täglichen Einsatz. Sie fahren zu den mehr als 180 Patienten, die unheilbar erkrankt sind und Hilfe brauchen.

Es ist drückend warm in der kleinen Wohnung im Südkreis. Die Fenster sind geschlossen, die Vorhänge vorgezogen. Maria Schmitz, die darum bittet, dass ihr richtiger Name und ihr Wohnort nicht genannt werden, lebt an diesem Tag im Halbdunkel. Doch das ist ihr gerade recht. Draußen ist es ihr schlicht zu heiß. Genauer ihrem schwer getroffenen Körper. Langsam, wohlüberlegt, bewegt sich die End-Fünfzigerin zum Wohnzimmertisch. Sie trägt ein weites, bequemes Kleid, die schmale Frau wirkt gefasst. Sie hat sich mit dem, was nicht mehr zu ändern ist, abgefunden.

„Ich wusste schon länger, dass ich Probleme habe. Computertomographien haben es ja bestätigt. Ich wurde immer sehr schnell kurzatmig“, erklärt Maria Schmitz. Mitte April dieses Jahres habe sich die Lage dann zugespitzt. „Ich war hier, Zuhause, und bekam wieder kaum noch Luft. Ich hatte Angst, erneut zu kollabieren“, so die getrennt lebende Frau. Eine Freundin konnte sie noch über das Telefon erreichen: „Bitte ruf den Notarzt!“

Ein Stück Freiheit für immer verloren

Als der Rettungsdienst eintraf, war Maria Schmitz klar, dass sich jetzt etwas ändern würde. Für immer. Sie verlor den Alltag, wie er war, ein Stück Freiheit. Dafür erhielt sie am nächsten Tag eine Hilfe, die sie bisher nie haben wollte. „Es hat gedauert, bis ich mich damit abgefunden habe, dass der Pflegedienst dreimal die Woche kommt. Zu mir nach Hause.“

Schmitz ist an Pleuracarzinose erkrankt. Im Lungenzwischenraum ist der Krebs. Wasser bildet sich, das über eine Drainage abgeleitet werden muss. Die Drainage, seitlich an ihrem Brustkorb gelegt, kann sie nicht mehr selbst leeren. Und deshalb ist jetzt die Hilfe der gelernten Krankenschwester und zur „Palliative Care“ weitergebildeten Pflegerin Gitta Marin gefragt. Sie leitet das Team der 70 Palliativ-Pflegerinnen und Pfleger des Caritasverbands Eifel. Zu Maria Schmitz fährt sie oder eine Pflegerin, die Schmitz mittlerweile kennt. Eine halbe Stunde sind sie vor Ort.

Den ambulanten Palliativpflegedienst des Caritasverbands hat Gitta Marin (r.) vor zehn Jahren mitgegründet. Elisabeth Nosbers weiß, wie nötig das Angebot war und ist.

Den ambulanten Palliativpflegedienst des Caritasverbands hat Gitta Marin (r.) vor zehn Jahren mitgegründet. Elisabeth Nosbers weiß, wie nötig das Angebot war und ist.

Nur so kann Maria Schmitz Zuhause weiterleben und muss nicht in nicht in ein Pflegeheim. Zusammen mit dem Palliativarzt Wolfgang Leuchter hat Gitta Marin vor zehn Jahren den ambulanten Palliativpflegedienst im Südkreis und der Region Simmerath für den Caritasverband aufgebaut.

Es gibt Pflegestationen in Blankenheim, Kall, Mechernich, Schleiden und Simmerath. Vorher gab es kein vergleichbares Angebot in der Region. Der Caritasverband ist einziger genehmigter Träger. Zehn Jahre ist das her – eigentlich ein Jubiläum. Zum Feiern ist Gitta Marin und Elisabeth Nosbers, Fachbereichsleiterin Gesundheit und Pflege am Sitz des Caritasverbands in Schleiden, aber nicht zumute.

Es besteht dringender Bedarf im Palliativbereich

Pflegedienst

Jeder kann im Notfall sofort und zeitlich unbefristet eine Versorgung durch den ambulanten Palliativpflegedienst des Caritasverbandes Eifel erhalten. Voraussetzungen sind eine diagnostizierte nicht heilbare Erkrankung, die in absehbarer Zeit zum Tod führt.

Dazu gehören etwa bestimmte Krebserkrankungen, Multiple Sklerose, COPD (eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung), Herzerkrankungen oder Demenz im Endstadium. Der Hausarzt kann eine Verordnung für Palliativmedizin ausstellen. Der Caritasverband übernimmt die Antragstellung zur Kostenübernahme bei den Krankenkassen.

Weitere Informationen gibt es bei der Caritas in Schleiden unter der Telefonnummer 02445/8507223 oder auf der Internetseite der Caritas im Bereich Gesundheit und Pflege. (sli)

www.caritas-eifel.de

Die erfolgreiche Beantragung der anerkannten Trägerschaft nach den Richtlinien der Krankenkassen vor zehn Jahren habe auch gezeigt, dass der dringende Bedarf besteht. Pflegestützpunkte, hauptamtlich Beschäftigte im Palliativbereich, eine Pflegeleitung, ein Netzwerk aus Palliativmedizinern und Palliativstationen in den Krankenhäusern und Hospizen: Das alles war nötig und wird angesichts der Überalterung der Gesellschaft inzwischen noch viel dringender gebraucht.

Nosbers sucht weitere Palliativ-Pflegefachkräfte, damit unheilbar Erkrankte dauerhaft intensiv Zuhause betreut werden können – so wie Maria Schmitz. Und damit sie Zuhause sterben können. Denn das wünscht sich auch Maria Schmitz. Sie hofft im Moment, dass der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) auf ihrer Seite ist. Es geht um eine Haushaltshilfe. Für Gitta Marin vom Caritasverband ist klar, dass die Unterstützung nötig ist.

Nun muss der MDK den Fall prüfen und Maria Schmitz in die entsprechende der fünf Pflegestufen eingruppieren. Der Caritasverband übernimmt die Kostenabwicklung. Maria Schmitz wird dann einen weiteren Teil ihrer Freiheit aufgeben. Sie weiß, dass sie nicht mehr gesund werden wird. Dann soll es wenigstens ein leichteres Weiterleben werden.

Kundin statt Patientin

Gitta Marin verabschiedet sich von ihrer Kundin – diese Bezeichnung zieht sie dem Begriff Patientin vor. Maria Schmitz lächelt dankbar. Sie stellt das Futter für ihre Hauskatze im Napf bereit. Draußen ist es hochsommerlich. Maria Schmitz blinzelt kurz in die Sonne. Das Halbdunkel ihrer Wohnung ist ihr lieber. Gitta Marin macht sich auf die Weiterfahrt.

Sechsmal täglich braucht ihr nächste Kunde eine Morphiumspritze gegen die Schmerzen. Der Mann hat das Endstadium seiner unheilbaren Erkrankung erreicht, möchte Zuhause sterben können. Gitta Marin und ihr Team werden ihm das möglich machen. „Die Krankenkassen bezahlen höchstens drei tägliche Hausbesuche“, stellt die Palliativpflegerin fest. Wie sie das findet? Marin bemüht sich um Neutralität. Ein Versuch: „So ist unser Gesundheitssystem.“

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