Abriss eines NeubausUnd die Ameisen leben noch immer

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Nur noch Trümmer: Das abgerissene Ameisenhaus in Burscheid.

Nur noch Trümmer: Das abgerissene Ameisenhaus in Burscheid.

Burscheid – Seit der „Kölner Stadt-Anzeiger“ am vergangenen Dienstag erstmals über den Abriss des rund zwei Jahre alten Eigenheims am Egger Weg im Stadtteil Rötzinghofen berichtete, war die Baustelle von Medienkollegen belagert. Am Donnerstagnachmittag war von dem Wohnhaus außer Bauschutt nichts mehr übrig.

Gegen 16 Uhr waren die beiden Mitarbeiter des Wuppertaler Abbruchunternehmens „SOP“, Baggerführer Andreas Ennenbach und sein Kollege Miro Majstorovic, gestern damit beschäftigt, den Estrich zu beseitigen. Völlig verblüfft hielten sie inne: Unter den weißen, dünnen Styroporplatten tummelten sich im Pulk Ameisen über Ameisen. „Damit haben wir nun gar nicht gerechnet“, so Miro Majstorovic.  Und Andreas Ennenbach: „Nach der großen chemischen Keule dürfte hier kein Insekt mehr leben.“

Dem Duo hatte es „in der Seele weh getan“, nach über 20 Jahren im Abrissgeschäft erstmals einen Neubau abzureißen. Dass die Urheber, die schwarzen Weg-Ameisen, nun immer noch das Grundstück bewohnten, war den Abrissspezialisten unerklärlich. Die betroffenen Besitzer, ein junges Burscheider Ehepaar mit einem  Sohn (2), hatte den neuen Wohnsitz im Frühsommer aufgegeben. Der Grund: In der idyllischen Wohngegend fühlten sich ebenso regelrechte Ameisenkolonien   wohl.

Ein herbeigerufener Schädlingsbekämpfer sollte der Plage ein Ende setzen.  Allerdings vernebelte er mit einer mutmaßlich 600-fachen Überdosierung des Insektizids aus der Gruppe der Pyrethroide dem Niedrigenergie-Wohnhaus den Todesstoß. Das Insektizid verbreitete sich im gesamten Haus. „Das Haus war nicht mehr bewohnbar“, erklärte gestern der von dem Hausbesitzer konsultierte Kölner Rechtsanwalt Peter Themann auf Anfrage. Aus Angst vor Gesundheitsschäden vor allem auch für den kleinen Sohn und wegen des üblen wie nachhaltigen Gestanks, zog die Familie zuerst in ein Hotel. Im Sommer verhalf ihnen die Burscheider Immobilienmaklerin Gabriele Berger zu einer Mietwohnung in der Jahnstraße – ganz in der Nähe des eigenen Grundstücks. In wie weit die Familie – die junge Mutter erwartet ihr zweites Kind – nochmals dort bauen wird, steht noch offen.

Das Fertighaus soll über 300 000 Euro gekostet haben. Der Schaden insgesamt wird auf eine halbe Million Euro geschätzt. Voraussichtlich wird die Betriebshaftpflichtversicherung des Schädlingsbekämpfers die Kosten übernehmen – wenn dem Kammerjäger kein Vorsatz nachgewiesen werden kann. Nach dem entsprechenden Gutachten wurde der Antrag auf Abriss gestellt. Allerdings hat das zuständige Kreisbauamt noch kein grünes Licht gegeben. „Wir haben erst aus dem 'Kölner Stadt-Anzeiger' vom Abriss erfahren“, sagte gestern  Kreispressesprecherin Birgit Bär. Der Kreis schickte noch am Dienstag Gutachter aus dem Umweltschutzamt  nach Burscheid: Laut Bär ist der Bauschutt kein Sondermüll. Er kann normal entsorgt werden. Allerdings behält sich die Kreisverwaltung vor, möglicherweise ein Bußgeld wegen des unerlaubten Abrisses zu erheben.

Völlig aufgeschreckt reagierten nach der ersten Veröffentlichung der Deutsche Schädlingsbekämpfer Verband (DSV) und viele seiner Mitglieder. Der IHK-geprüfte Schädlingsbekämpfer Stefan Kittner (45) aus Leverkusen vor Ort: „Nicht nur unser Verbandschef Werner Steinheuser und wir Mitglieder sind fassungslos.“ Eine solche Stümperei habe er noch nicht erlebt. Jetzt sucht der Verband nach dem Übeltäter, um die Branche nicht zu belasten. Die Ameisen leben  derweil weiter.

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