Burscheider KlavierbauerNiklas Enzenauer übernimmt Piano-Meisterwerkstatt

Niklas Enzenauer übernimmt in der Meisterwerkstatt für Pianos das Ruder. Sein Onkel widmet sich der Klangforschung.
Copyright: Britta Berg
Burscheid – Einer tonnenschweren Verbindung aus Gusseisen, Holz und Filz, hat sich Niklas Enzenauer verschrieben. Der Klavierbaumeister hebt behände ein schweres Spielwerk, also die ganze Maschine mit Hämmern und Hebeln in den Rahmen. Eine Millimeterarbeit.
Der 27-Jährige liebt sein Handwerk. Er muss sich auskennen, nicht nur mit den mehr als 20 000 Einzelteilen und ihrem Zusammenspiel, die in einem Instrument der Meisterwerkstatt Piano Enzenauer im Luisental stecken, sondern weit darüber hinaus. Denn er braucht eine immer neue, kreative Vorstellung von Klang. Aus jedem Instrument will er Spannung, Farbenreichtum, Persönlichkeit herauskitzeln, Neugierde von der Musik von Chopin bis zu Prokofjew wecken. Aber auch Dinge wie Marketing und Menschenkenntnis muss er mitbringen.
Traumjob aufgegeben
Niklas Enzenauer ist im Familienunternehmen der neue Chef. Dafür gibt er einen Traumjob als Konzerttechniker des namhaften Klavierbauers Blüthner in Leipzig und Kontakte mit Solisten auf internationalen Bühnen auf.
In der kleinen Werkstatt, die sein Onkel Jan in den vergangen 25 Jahren im Luisental aufgebaut hat, weiß er aus seiner Lehrzeit aber einen Schatz, der dem jungen Mann einige Zukunftsperspektiven vermittelt: „Die Art und Weise, wie mein Onkel seinen Beruf auslebt, ist schwer zu vermitteln. Im Klavier steckt ein Zauber, ein immenser Geist, der sich weiterentwickelt. Mit unserem Handwerk werden Gefühle übermittelt. Ich bin überzeugt, dass ich die Arbeit meines Onkels eins zu eins weiterführen kann.“
Klang-Forschung
Und Jan Enzenauer? Er will sich der Forschung in Sachen Klang widmen. Er schafft Verbindungen zwischen Klavierbau und Schiffsbau, arbeitet mit dem Physiker Professor Jürgen Göken von der Hochschule Emden-Leer zusammen. Die Burscheider Neurobiologin Heike Endepols, Professorin am Institut für Radiochemie und Experimentelle Molekulare Bildgebung der Uniklinik in Köln, stieg mit ins Boot und steuert ihre Forschungswissen zum Hörverhalten von Fröschen bei.
Ein Frosch im Klavierkonzert? „Tatsächlich würde eine Amphibie bei einem Konzertabend mit Bartok oder Bach Tonfrequenzen erkennen, die aus seiner Welt stammen. Was der Klang mit uns allen macht ist ein weites Feld“, sagt Jan Enzenauer.
Per Du mit dem Flügel
Zurück in die Werkstatt: Niklas Enzenauer ist quasi per Du mit dem Flügel: „Klar, es ist selbstverständlich, dass ein Instrument solide und professionell gestimmt wird. Aber darüber hinaus ist noch einiges möglich. Wie schaffe ich es, einen Flügel zum Blühen und Singen zu bringen, wie gebe ich ihm die Möglichkeit, dass er seinen ganzen Charme zeigen kann?“
Dinge sind das, die Enzenauer in den vergangenen Jahren für Blüthner im Royal College of Music in London ebenso unter Beweis stellen konnte wie auf Bühnen in Polen oder Großbritannien oder in Luxushotels auf Mallorca und in Georgien. Er hat Erfahrung mit mit Konzertflügeln, die in Zeiten von Corona zimperlich auf die Temperatur einer Freilichtbühne reagierten. Um das Geheimnis eines Instruments zu ergründen, brauche es Geduld, sagt er.
Individueller Charme
Den individuellen Charme eines Instruments will er entschlüsseln und nennt sie bei seiner Arbeit schon einmal „Alte Dame“ oder „energiegeladener Teenager“. Für die Solisten, die auf ihren Reisen in der Regel immer neue Instrumente spielen müssen, ist das eigene Klavier heilig. Zu den Kunden zählt auch Sebastian Krumbiegel, Musiker und Mitgründer der Band „Die Prinzen“. Der Songwriter ist auch leidenschaftlicher Pianist und sang einst im Thomanerchor in Leipzig. Enzenauer betreut seinen Flügel, den er spieltechnisch und klanglich fertig stellte.
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Am Royal College of Music lernte er den britischen klassichen Pianisten Martin James Bartlett kennen. Spannend wie ein Turnier wurde der Auftritt in Wimbledon. „Einen Abend vor dem Konzert mussten 88 Bauteile ausgetauscht werden, um nach Absprache mit dem Pianisten die Spielart individuell anzupassen“, erzählt er.
Mr. Bartlett war erfreut
Sein Fazit: Der Unterschied war deutlich spürbar. Mr. Bartlett war sehr erfreut über die Einstellung und spielte ein großartiges Konzert.“ Nach dem Konzert wurde die Veränderung nochmals gelobt. „Sie war entscheidend für die Klangvariation und die Übermittlung an den Zuhörer.“
Bewegt hat Niklas Enzenauer, als sich ein Pianist an sein frisch gestimmtes und klanglich ausgearbeitetes Instrument setzte und vor Freude geweint hat. Auf die Frage, welches Instrument ihm am besten gefalle, sagt er selbstbewusst: „Mein Meisterstück“. Er baute es in seiner Zeit bei Blüthner, durfte alles komplett selbst bauen, was laut Prüfungsordnung gar nicht zwingend gewesen wäre.
„Ich habe andere Hammerköpfe gewählt und viel Zeit für den Resonanzboden, das Zentrum des Klangs, verwendet.“ In seiner Werkstatt weiter am Klang zu feilen, das ist erklärtes Ziel.