Pfarr-Ehepaar verabschiedet sichDer letzte Gottesdienst nach 39 Jahren

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Das Ehepaar möchte mehr für die Enkel da sein.

Das Ehepaar möchte mehr für die Enkel da sein.

Leverkusen – Kurz vor dem großen Tag hat Brigitte Stahl-Hackländer in den alten Pfarrbüchern gestöbert. Zwei Tage in den Archiven der evangelischen Kirchengemeinde. Am Ende steht so etwas wie eine Chronik der vergangenen vier Jahrzehnte: 638 Taufen, 183 Trauungen, 614 konfirmierte Jugendliche, 1470 Beerdigungen.

Zahlen, hinter denen sich für Stahl-Hackländer und ihren Ehemann Ferdinand Hackländer Geschichten verbinden, die sie zum Teil heute noch lebendig vor Augen haben. Ein Kapitel wird an diesem Wochenende noch dazukommen. Dann, wenn die beiden ihren letzten Gottesdienst in Quettingen zusammen abhalten. Danach ist Schluss, nach 39 Jahren.

Zeit also, sich noch einmal zu erinnern an Bilder, die bleiben werden. Wie die einer Hochzeit in den 80ern, die eine Dreiviertelstunde verspätet begann, weil das Ehepaar auf der voll gesperrten Autobahn stand und nur von der Polizei auf dem Standstreifen nach Leverkusen eskortiert werden konnte. Oder die „Handy-Predigt“ von Pfarrer Hackländer. 2000 war das, da hat der Hobby-Schreiner seinen Konfirmanten Holz-Telefone geschnitzt. Aufklappbar, mit Antenne, das weiß er noch genau.

„Damals waren Handys noch kein Thema für Jugendliche. Ein Jahr später hatte jeder eins“, erinnert sich Hackländer. Amüsante Anekdoten kann er zuhauf erzählen. Aber auch die bitteren Kapitel gehören dazu. „Bei jeder Beerdigung ist Trauer dabei“, sagt er, „aber bei einem 18-Jährigen ganz besonders.“ Die Trauerrede für den jungen passionierten Volleyballer, der an einem Hirntumor gestorben war, führte Hackländer an seine Grenzen. Ebenso die Beerdigungen, die schrecklich schief gingen.

Einmal sei ein Grabplatz vertauscht worden und der Sarg fast in ein belegtes Grab gelassen worden. Ein anderes Mal habe sich der Sarg von den Tragseilen gelöst und habe auf einmal senkrecht im Grab gestanden. Szenen eines Pfarrer-Lebens. Manchmal erwischen sich die beiden bei dem Gedanken, dass sie die Konflikte der heutigen Zeit nicht mehr führen müssen. Der Sparzwang macht auch vor der Kirche nicht Halt. Stellen werden gekürzt, Gottesdienste gestrichen, bei der Gemeindearbeit gespart. „Es wird nur noch auf die Kosten geschaut“, sagt Stahl-Hackländer. Darauf könne sie gerne verzichten. „Wir sind da noch vom anderen Schlag“, sagt sie.

Diese Kämpfe muss in Zukunft Pfarrer Martin Weidner führen, der die Stelle übernimmt. Die meisten ihrer Vorgänger seien nach ihrer Laufbahn weggezogen. Doch das Pfarr-Ehepaar wird in Leverkusen bleiben, alleine wegen der drei Söhne, den vier Enkeln und vielen Freunden. In Zukunft wird mehr Zeit bleiben für Musik, beide sind im Bachchor aktiv. Sie sitzt außerdem gerne am Klavier, er spielt Cello. Auch der Schreiner im Pfarrer ist bald wieder gefragt. Diesmal sollen es keine Handys sein, sondern eine Tür für das Wohnzimmerregal.

Alles möge am Sonntag doch bitte ganz normal werden, so wie immer, sagt Stahl-Hackländer, die nicht für Sentimentalitäten zu haben ist. Ihr Mann wird in der Predigt sprechen von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. In seiner gesamten Pfarrer-Laufbahn, sagt er, habe er keine einzige Durststrecke erlebt. So sei er auf das Thema der Predigt gekommen. Alles wird dann aber wohl doch nicht so werden wie immer. Eine voll besetzte Kirche, mit der rechnet Stahl-Hackländer fest, gibt es schließlich nicht jeden Sonntag. Zum Abschluss wird wohl auch ihre Familie auf den Bänken sitzen. Wenn zum letzten Mal der Sonntag der Gemeinde gehört. Danach wollen Oma und Opa auch am Wochenende für die Enkel da sein.

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