„An den 12 Uhren“ ist kein DenkmalHistorisches Leichlinger Wirtshaus wird abgebrochen

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Die legendäre Uhr über dem Namenszug ist schon weg: Der Abbruch der Gaststätte „An den 12 Uhren“ hat begonnen.

Die legendäre Uhr über dem Namenszug ist schon weg: Der Abbruch der Gaststätte „An den 12 Uhren“ hat begonnen.

Leichlingen – Die berühmte Uhr, die hoch oben an der Schieferfassade hing und ständig auf 12 zeigte, ist schon weg. Auch die Fenster sind raus, Zwischendecken eingestürzt, Schankraum, Saal und die drei Gästezimmer voller Schutt, alle Werbeschilder am Eingang abmontiert.

Nur der markante große Schriftzug „An den 12 Uhren“ aus weißer Farbe an der Hausfront kündet noch davon, dass es sich bei dieser Bauruine um eine ganz besondere Leichlinger Adresse handelt. Die bald verschwunden ist: Das altbergische Gasthaus „An den 12 Uhren“ an der Straße Förstchen wird abgebrochen.

Bis September gab es in Förstchen drei Pensionszimmer und den Vereinssaal.

Bis September gab es in Förstchen drei Pensionszimmer und den Vereinssaal.

Das Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert weicht Neubauten. Es stand nicht unter Denkmalschutz. Aber es birgt eine lange Geschichte, die mit der Stadthistorie verbunden ist. Und viele Erinnerungen seiner Stammgäste, die es vermissen.

Ende September musste das Gastwirts-Ehepaar Anselm und Beate Gross den Betrieb aufgeben. Nach 39 Jahren. Dem Corona-Lockdown wollten sie eigentlich mit einem Außerhausverkauf begegnen. Aber eine schwere Herzoperation erlaubte es dem leidenschaftlichen Koch nicht, die Arbeit fortzusetzen. Die Wirtsleute, die hier auch wohnten, haben das Inventar bei einem Hauströdel verwertet und sind nach Wermelskirchen gezogen.

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So sah das Wirtshaus aus, als Uhr und Kneipenwerbung noch an der Fassade waren.

Seinen urigen Namen hat das Fachwerkhaus aus der Zeit, als die einstige Sandstraße, an der es steht, der wichtigste Transportweg zwischen Solingen und Köln für den Abbau des Feinsandes aus den Leichlinger Sandbergen war. Der war als Form- und Gießereisand ein begehrter Rohstoff für die Eisen- und Stahlindustrie sowie für Glasfabriken. In dem Gasthaus kehrten damals die Fuhrleute ein, um Mittag zu machen.

Zeiger immer auf Mittag

Draußen hatten die Wirtsleute ein großes hölzernes Zifferblatt angebracht, dessen Zeiger zu jeder Tages- und Nachtzeit auf 12 standen – um Gästen ein offenes Haus und jederzeit eine warme Mahlzeit zu versprechen. Die Station wird in alten Aufzeichnungen aus dem Archiv auch als „Halte- und Futterplatz von Fuhrleuten und fahrendem Volk“ erwähnt. Die Tradition der ewigen Mittagszeit ersetzte später die auf 12 stehen gebliebene Bahnhofsuhr am Giebel. Früher gehörte zum Haus auch ein Krämerladen, daher die zwei Hauseingänge, und eine Zapfsäule für Benzin, später eine Kegelbahn.

Eine weitere Erzählung machte die Wirtschaft legendär: Es hält sich hartnäckig die Mär, dass Napoleon 1812 auf dem Kriegszug nach Russland hoch zu Ross vor der Tür des Wirtshauses angehalten und zur Aufwärmung einen Branntwein genossen haben soll. Das konnte nie bewiesen werden und ist höchstwahrscheinlich Quatsch, war aber zu allen Zeiten immer eine schöne Theken-Geschichte.

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1908 wurde an die Gaststätte ein Klassenzimmer für die Schule Förstchen angebaut. Der eingeschossige Trakt wurde später Jahrzehnte lang als Saal für Vereine und Familienfeiern, Parteitage und Bürgerversammlungen genutzt.

Vermutlich werden auf dem verkehrlich attraktiv gelegenen Grundstück nun bald Wohnungen entstehen. Ein Bauantrag des neuen Eigentümers für das große Gelände liegt der Stadtverwaltung bisher aber noch nicht vor. Wie sie auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärte, war für den angemeldeten Abbruch keine förmliche Genehmigung erforderlich, da es sich um ein freistehendes Gebäude handelt.

Dem Abbruch habe man zugestimmt, nachdem das geschichtsträchtige alte Haus noch einmal inspiziert worden sei. Wie schon bei früheren Besichtigungen habe sich dabei aber herausgestellt, dass die Bausubstanz nicht denkmalwert sei.

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