Nach Vermissten-VorfällenHasensprungmühle will Pflegebedürftige nicht überwachen

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Für Stanislaus Stegemann gehört Technik zwar zum Arbeitsalltag, die Bewohner brauchen trotzdem ihren Freiraum.

Für Stanislaus Stegemann gehört Technik zwar zum Arbeitsalltag, die Bewohner brauchen trotzdem ihren Freiraum.

Leichlingen – Jüngste Vorfälle ließen die Leichlinger Bevölkerung hellhörig werden. Innerhalb eines Jahres verschwanden drei Bewohner des evangelischen Altenzentrums Hasensprungmühle und aus dem Seniorendorf Pilgerheim Weltersbach. Die Vermissten lösten mehrtägige Suchaktionen der Polizei aus, bei denen Feuerwehr, Suchhunde, Rettungsdienste und Hubschrauber zum Einsatz kamen.

In Onlineforen wurde ausgiebig über das Verschwinden der Rentner diskutiert und überlegt, was man dagegen tun könne. Einige schlugen fragwürdige Maßnahmen zur Überwachung der Bewohner vor, hielten eingepflanzte Microchips oder elektronische Fußfesseln für die Lösung.

Vom Recht nicht ausgeschlossen

Für den Geschäftsführer der Hasensprungmühle, Stanislaus Stegemann, gehört die technische Modernisierung zwar zum Arbeitsalltag, doch die Würde des Menschen ist bekanntlich unantastbar: „Wir feierten vor kurzem den 70. Geburtstag des Grundgesetzes. Für die Mitarbeiter der Hasensprungmühle ist die Verfassung Grundvoraussetzung, um eine bewohnerfreundliche Versorgung gewährleisten zu können.“

Das Grundgesetz schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit, unabhängig von den geistigen und körperlichen Fähigkeiten des Einzelnen. Menschen mit geistigen Störungen sind vom Recht, ein möglichst eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, nicht ausgeschlossen. „Wir als Altenzentrum stehen in der Verantwortung die Betroffenen zu unterstützen und ihnen den gewünschten Freiraum zu bieten“, sagte Stanislaus Stegemann.

Im Fall eines 88-jährigen Bewohners des Altenheims wurde aus dem weitestgehend uneingeschränkten Ausgang eine Verlegung in eine geschlossene Einrichtung. Der ehemalige Marathonläufer hatte am Tag seines Verschwindens seine einstige Trainingsstrecke aufgesucht. „Demenzkranke leben primär in ihrer Vergangenheit. Manchmal sogar in ihrer ganz eigenen Realität“, erklärte der Einrichtungsleiter. Laut Stegemann sei es nicht vorhersehbar, wann die Betroffenen einen Realitätsverlust erleiden.

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Hohe Personaldichte als Lösung

Auch im Fall des im September letzten Jahres verstorbenen Bewohners sei die eingeschränkte Selbstständigkeit nicht zu erkennen gewesen: „Der 92-jährige Herr lebte gerne und vor allem frei in unserer Einrichtung.“ Stegemann äußerte die Vermutung, dass der Bewohner in den falschen Bus gestiegen sei und daraufhin die Orientierung verloren habe. Der Senior war schließlich an der Stadtgrenze zu Solingen in einem Waldstück gefunden worden.

Dem Verschwinden der Bewohner soll mit einer hohen Personaldichte entgegengewirkt werden. Präsenzkräfte werden zur Betreuung eingesetzt, um die Lebensqualität der Betroffenen aktiv zu erhalten und fördern. Eine der vorbeugenden Maßnahmen beinhaltet den täglichen Spaziergang.

Der Einrichtungsleiter erhofft sich durch den routinierten Ablauf, dass die immer gleiche Route langfristig im Gedächtnis der Bewohner abgespeichert wird. Dieser Prozess ist mit großem Aufwand verbunden, den laut Stegemann viele Einrichtungen nicht betreiben können: „Private Träger sind abhängig von Aktionären. Diese sehen eine Kostenreduzierung vor, daher bauen die Träger Personal ab, anstatt neues einzustellen.“

Augenhöhe und Empathie

Doch nicht nur interne Faktoren sind entscheidend für einen behaglichen Lebensabend. Für den Geschäftsführer der Hasensprungmühle gilt neben der Bewohnerbetreuung auch die Angehörigen zu beraten: „Im Fokus steht der erkrankte Bewohner und seine Bedürfnisse. Gemeinsam mit den Angehörigen versuchen wir eine individuelle Alltagsplanung zu konzipieren, welche die Wünsche beider Parteien berücksichtigt.“

Die Entscheidung über einen Eingriff in die Privatsphäre, mittels eines GPS-Geräts, überlässt der Einrichtungsleiter den Angehörigen. Die fürsorgliche Betreuung gewährleiste man in seiner Einrichtung durch soziale Empathie und einer Pflege auf Augenhöhe.

Präventionsarbeit ist für Stanislaus Stegemann nicht von der Gesundheits- und Sozialpolitik abhängig: „Jeder kann vorbeugende Maßnahmen treffen. Durch eine gesunde und dauerhafte Beanspruchung unseres Gehirns, in Form von lesen, reflektieren oder soziale Kontakte pflegen.“

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