Prozess gegen 25-JährigenEs gibt noch viel mehr als die Attacke im Leichlinger Stadtpark

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Die Leichlinger Stadtbücherei am Stadtpark.

Die versuchte Vergewaltigung vorigen Juni an der Bücherei im Leichlinger Stadtpark ist eines von vielen Delikten, die einem 25-Jährigen vorgeworfen werden.

Er ist psychisch krank und unberechenbar: Am Dienstag wurden weitere Taten des Mannes aufgearbeitet, der im Leichlinger Stadtpark versuchte, eine 22-Jährige zu vergewaltigen.

„Ihr fuckt mich richtig ab!“ Der Prozess gegen ihn fordert den 25 Jahre alten, unter paranoider Schizophrenie leidenden Mann, am Dienstag extrem heraus. Er brüllt, später springt er auf und ruft: „Ich mach’ das hier nicht mehr mit!“

In beiden Fällen jagt er jungen Frauen, die gerade aussagen, einen gehörigen Schreck ein. Beide brechen in Tränen aus, schlimme Erinnerungen kommen hoch. Richter Benjamin Roellenbleck bemüht sich, die Situation nicht vollends eskalieren zu lassen, ein zweiter Wachtmeister wird sicherheitshalber in den Saal 32 des Kölner Landgerichts gerufen. Eingreifen muss er nicht. So plötzlich, wie er die Kontrolle verlor, beruhigt sich der Mann wieder.

Eine Zeugin nach der anderen schildert vor der 13. Großen Strafkammer ihre Begegnung mit dem Mann, dem unter anderem eine versuchte Vergewaltigung im Leichlinger Stadtpark und sexuelle Belästigung vorgeworfen werden. Dazu kommen diverse andere Delikte: Einer jungen Frau soll er die Brille vom Kopf geschlagen haben – weil sie eine trug. Vor dem Solinger Rathaus soll er aus einem Geschäft eine Machete gestohlen und versucht haben, drei Jugendliche anzugreifen. Hätte der Geschäftsinhaber – er macht Karate – nicht schnell reagiert und ihn überwältigt – wer weiß, was passiert wäre.

Die Mädchen sind noch immer tief verstört

Nachdem das Geschehen an der Leichlinger Bücherei im Stadtpark vor Gericht ebenso aufgearbeitet ist wie der unheimliche Besuch des Beschuldigten auf einem Hof am Rande von Herscheid, ging es am Dienstag um Vorfälle in Solingen. Zwei davon sind für die Opfer auch nach einem Dreivierteljahr noch eine extreme Belastung.

Eine heute 19-Jährige war an einem lauen Mai-Abend mit ihrem Hund in einer Kleingarten-Kolonie unterwegs, als ihr ein junger Mann zunächst entgegenkam. Kurz darauf hatte die das Gefühl, von dem Fremden verfolgt zu werden. Sie sei noch ein paar Mal auf andere Wege abgebogen, um sicherzugehen, dass sie sich die Verfolgung nicht einbildet.

Tatsächlich sei der Mann immer näher gekommen. Plötzlich sei sie von hinten angesprungen worden – so heftig, dass sie zu Boden gegangen sei und sich an der Hand verletzt habe. „Ich glaube, ich habe mich gewehrt.“ Jedenfalls sei der Angreifer weggelaufen. Dass es der Mann war, der jetzt auf der Anklagebank sitzt, da ist sich die junge Frau ganz sicher. Bis heute fühle sie sich unsicher, wenn sie allein unterwegs ist. „Ich drehe mich immer wieder um.“

Apathisch an der Bushaltestelle

Wirklich geflohen ist der Beschuldigte auch nach dieser Attacke nicht. Wenige Minuten später erkennt ihn ein Passant aufgrund der Beschreibung des Opfers. Er steht apathisch neben einer Bushaltestelle, mit dem Rücken zur Straße. Der Passant hält den Polizeiwagen an, der unterwegs zum Tatort ist. Einer der Beamten kennt den Mann schon. „Acht Mal“ sei er seit April wegen verschiedener Delikte aufgefallen, erinnert sich der Beamte vor Gericht. Tatsächlich arbeitet die Kammer neben den sechs Fällen aus der Anklageschrift weitere kriminelle Episoden auf.

Eine weitere Attacke galt vorigen Juni zwei Freundinnen, beide heute 17 Jahre alt. Sie waren vom Solinger Bahnhof zu einem Fitness-Studio unterwegs. Ein Fußweg von etwa fünf Minuten. Schon am Bahnhof habe sie ein abgerissen aussehender jüngerer Mann mit Worten attackiert: „Ihr seid schuld“ – dass er kein Geld vom Job-Center bekomme, dass er verletzt sei. Tatsächlich sahen die da schon verängstigten Mädchen Blut an seinen Händen und Schrammen am Kopf.

Sie hätten zugesehen, dass sie wegkommen, aber der Fremde sei ihnen gefolgt. Kurz vor dem Fitness-Studio habe er sie dann heftig an den Po gefasst, berichtet eines der Mädchen unter Tränen. „Es hat nicht weh getan. Aber es war halt eklig.“ Wenn nicht ein paar Jungs vor dem Studio gestanden und den Mann zur Rede gestellt hätten – wer weiß, was noch passiert wäre: „Ihr wollt das doch“, habe er auch gesagt. Das sei nur sexuell zu verstehen gewesen, sagt ihre Freundin, die den Mann nach der Attacke wegschubste. Den Jungs vor dem Studio habe er seltsamerweise dann seinen Namen verraten. Außerdem erkannten ihn die Mädchen, als die Polizei ihnen Fotos vorlegte.

Für die 17-Jährige, die der Beschuldigte angegrapscht hatte, ist die Sache noch längst nicht ausgestanden. „Nie wieder“ sei sie in das Fitness-Studio gegangen. Und „nie wieder bin ich in der Gegend gewesen. Ich hatte Angst, ihm noch mal zu begegnen.“ Nicht nur der Richter muss sie beruhigen, auch ihr Vater.

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