Verschwörungstheorien?Staatsanwaltschaft ermittelt nach Wahl-Kampagne in Leichlingen

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Das Rathaus von Leichlingen

  • An Leichlinger Haushalte wurde ein Heft verteilt, in dem mit Politikern abgerechnet wird und ihnen DDR-Methoden unterstellt werden.
  • Bürgermeister Frank Steffes bezeichnete die Kampfschrift als „Pamphlet“, das voller „befremdlicher und absurder Falschdarstellungen“ sei.
  • Nun ermittelt der Staatsschutz.

Leverkusen – Eine zwölfseitige Postille, mit der ein stadtbekannter Leichlinger Privatier auf eigene Faust massiv in den Kommunalwahlkampf eingreift, hat im Rathaus und unter Politikern für gelindes Entsetzen gesorgt. Die diffamierende Kampagne gegen Bürgermeister Frank Steffes, die Stadtverwaltung, den Rat und vor allem die SPD-Fraktion erfährt nun sogar ein juristisches Nachspiel.

Denn der angegriffene Verwaltungschef hat bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Verfasser Dr. Gerd Heidrich eingereicht. Mit der vor einigen Tagen persönlich an Haushalte verteilten Schrift beschäftigt sich nach Angaben von Steffes jetzt der Staatsschutz. In dem Heft wird Rat und Verwaltung unterstellt, sie operierten mit Enteignung, DDR-Methoden, Bereicherung und Verfassungsbruch. Dem Landgericht Köln wird vorgeworfen, im Rechtsstreit um Schadensersatz, den Unternehmer Reinhold Marseille wie berichtet gegen die Stadt verloren hat, ein politisches Urteil gefällt zu haben und mit der Verwaltung unter einer Decke zu stecken.

Was für den Verwaltungschef das Maß voll gemacht hat, ist aber ein Verweis auf „Michael Kohlhaas“. In einem ins Blatt gerückten Kasten erinnert Heidrich en passant an die Novelle von Heinrich von Kleist, in welcher der sich von der Obrigkeit zu Unrecht verfolgt wähnende Titelheld bei seinem Rachefeldzug vor Mord und Brandschatzung nicht zurückschreckt. Ob diese Parallele schon nah an einem Aufruf zur Gewalt und Selbstjustiz ist, können nun Richter entscheiden.

Abrechnungen mit Politikern

Hinter der harmlos als „Reportage aus der Blütenstadt“ titulierten Hauswurfsendung steckt Dr. Gerd Heidrich, der seinen Namen in der Broschüre, die kein ordentliches Impressum hat, auch nennt. „Hier ist der Wurm drin!“ steht auf dem Titelblatt neben der Zeichnung mit einem faulen Apfel. Unter diesem Vorwurf folgen auf den farbig bebilderten Seiten Abrechnungen mit vermeintlichen Verfehlungen der Kommunalpolitik vom Stadtpark über die morsche Henley-Brücke und das Schwimmbad bis zu Gewerbeansiedlungen. Namentlich kritisiert werden neben Steffes auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Ebecke und die scheidende Leiterin des Fachbereichs Bauen, Andrea Murauer.

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Steffes bezeichnete die Kampfschrift in der öffentlichen Ratssitzung am Donnerstag als „Pamphlet“, das voller „befremdlicher und absurder Falschdarstellungen“ sei. Die Polizei habe dazu geraten, Anzeige gegen den Urheber zu erstatten, weil er sich mit seinen Behauptungen möglicherweise strafbar mache. Die Staatsanwaltschaft habe die Anzeige angenommen und Ermittlungen eingeleitet, sagte er.

Im Kern widmet sich Heidrich auf acht der zwölf DIN-A-4-Seiten dem Bebauungsplan für das Gewerbegelände des Kunststoff-Unternehmers Reinhold Marseille, mit dem er auch ein Interview geführt und abgedruckt hat. In dessen Klageverfahren gegen die Stadt hatte sich der Immobilienmakler an der Seite Marseilles in den vergangenen Monaten immer wieder streitbar zu Wort gemeldet.

In der Leichlinger Kommunalpolitik ist der Diplom-Volkswirt kein Unbekannter. Ums Jahr 2000 herum war Dr. Gerd Heidrich eine Weile im Vorstand der örtlichen FDP aktiv und hat auch für den Rat kandidiert. Im Zusammenhang mit den Kontroversen um den Bau eines Einkaufszentrums im Stadtpark hat er sich 2010 bereits juristisch mit Steffes’ Vorgänger Ernst Müller (SPD) angelegt. Dem damaligen Bürgermeister hatte der Immobilienmakler mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde gedroht, ihn und den Rat wegen eines geplanten Grundstückstauschs öffentlich der versuchten Untreue und wegen eines Bürgerentscheids der vorsätzlichen Täuschung bezichtigt. Ohne Erfolg. Nun fährt er wieder schweres Geschütz auf und ruft am Rande des Rufmords dazu auf, den politischen Wechsel, jedenfalls nicht die SPD zu wählen.

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