2 Stunden in SteinbüchelIn Leverkusen unterwegs in einer tierisch sportlichen Ecke

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Tennistrainer Peter Brncal bei Rot-Weiss Leverkusen.

Leverkusen – Mein Dartpfeil-Landeplatz hat tierische Bewohner. „Hallo ihr Ziegen“, rufe ich, als diese mit lautstarkem Geblöke zum Zaun gerannt kommen. Es könnte sich um empörtes Blöken handeln. Denn erst jetzt sehe ich das Schild auf dem in großen roten Buchstaben steht: Das sind keine Ziegen! Entschuldigung, liebe Kamerunschafe. Und dann habe ich nicht mal trockenes Brot, Obst (kein Steinobst!) oder Gemüse (nicht blähend!) dabei. Immerhin haben sie es äußerst idyllisch hier in Höfen, ganz im Süden von Steinbüchel. Und eine sportliche Nachbarschaft.

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Ziegen, die Schafe sind.

Ich folge einem stetigen Strom blau gekleideter auf den Fußballplatz des SV Bergfried. Hier macht Jens Gerke gerade ein Porträt-Foto von der elfjährigen Ilayda für das Portal Fußball.de. Das große Shooting für das Mannschaftsfoto seiner U13 stehe am Wochenende an, sagt der Trainer.

Er begrüßt jede Spielerin mit einer persönlichen Ansprache, er weiß, wo die Mädchen im Urlaub waren und wem er eine Belohnung versprochen hat. Er ist gerne ehrenamtlicher Trainer einer Mädchenmannschaft. Der Bergfried habe als einziger Verein in der Stadt Mannschaften für alle Altersklassen, sagt er stolz.

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SV Bergfried: Trainer Jens Gerke mit der Mädchen-U13

„Der größte Vorteil ist, dass man hier nicht die ganzen Eltern am Rand stehen hat, die meinen, ihr Sohn sei der nächste Ronaldo“, sagt er lachend. Außerdem seien die Mädchen mitfühlender, hätten eine höhere soziale Intelligenz als gleichaltrige Jungs. Das sieht man, als zwei Mädchen kommen und den Trainer fragen, ob sie zu dem neuen Mädchen gehen sollen, das abseits auf einer Bank sitzt und sich mit Schienbeinschonern abmüht. Aber auch die Ansprache sei eine andere, erklärt Gerke: „Man muss netter sein, die mögen es nicht, wenn rumgebrüllt wird.“ Auch in Sachen Selbstbewusstsein sieht er Unterschiede. „Jungs muss man oft ein bisschen runterholen, Mädchen eher unterstützen.“ Aber wenn es im Winter kalt wird, dann seien es die Mädchen, die am härtesten und ausdauernsten weiter draußen trainieren, ergänzt Werner Fuhrmann.

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Werner Fuhrmann, SV Bergfried

Der Hauptgeschäftsführer des Vereins, der auch Abteilungen für Badminton, Tischtennis, Gymnastik und Motoball betreibt, ist stolz auf den Trubel, der an diesem Mittwoch auf dem Platz herrscht. „Und das ist eher ein Ruhetag, Montag und Donnerstag ist es noch voller.“ Das allerdings bringt auch Probleme: Schon am „Ruhetag“ müssen sich vier Mannschaften den Kunstrasenplatz teilen. Nebenan gibt es noch einen kleinen Ascheplatz. „Aber auf dem kann man vor allem bei diesem Wetter niemanden mit gutem Gewissen spielen lassen“, klagt Fuhrmann. Ein Kunstrasen auch für diesen Platz – das würde sein Kapazitätsproblem lösen. Aber die finanziellen Mittel hat der Verein aktuell nicht, der in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag feiert.

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Auch die Nachbarn feiern Geburtstag: Beim Tennisverein Rot-Weiss Leverkusen ist es der 70., wie der Vorstandsvorsitzende Daniel Dunkel berichtet. Die aktuellen Sorgen sind hier andere: Die sieben Tennisplätze sind meistens ausreichend und auch gut besucht. „Aber das Clubleben hat in den zwei Corona-Jahren gelitten“, berichtet Dunkel. Tatsächlich durfte auf der idyllischen Anlage oft gespielt werden, während Hallen- und Kontaktsport noch verboten war. Doch die Gastronomie ist nach einem Pächterwechseln nie wieder richtig ins Laufen gekommen und mittlerweile ganz geschlossen, so leidet das gesellige Zusammensein.

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Tennistrainer Peter Brncal bei Rot-Weiss Leverkusen.

Und in diesem Jahr sind Feste zwar wieder erlaubt, aber weniger nachgefragt, sagt Dunkel. „Man merkt, dass die Leute mehr reisen und andere Veranstaltungen besuchen.“ Das Eltern-Kind-Turnier musste wegen mangelnder Nachfrage abgesagt werden. Das soll sich aber jetzt ändern: Die ganze kommende Woche findet der „Griesi-Cup“ statt, ein stets gut besuchtes Doppelturnier für Ü-60-Männer, das Finale am Samstag ist in das 70-Jahre-Jubiläumsfest eingebettet, zu dem bestehende, ehemalige und potenziell zukünftige Mitglieder ab 11 Uhr auf die Anlage eingeladen sind. Die Verpflegung in der Woche soll eine örtliche Gastronomie übernehmen, da stehe er in gutem Kontakt, sagt Dunkel.

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Daniel Dunkel, Rot-Weiss Leverkusen

Lautes Ploppen klingt von Platz zwei herüber, wo sich drei Jugendliche bei 30 Grad in beachtlicher Geschwindigkeit Bälle um die Ohren hauen. Trainer Peter Brncal sitzt entspannt im Schatten. Der gebürtige Slowake ist seit 1991 als Tennistrainer in Leverkusen aktiv, zu Beginn bei verschiedenen Vereinen in der Stadt. Dann wollten ihn alle als hauptamtlichen Trainer haben. Entschieden hat er sich für Rot-Weiss. „Weil hier alle auf dem Teppich geblieben sind. Bei manchen Vereinen wird erst geschaut: Welches Auto fährt der, welche Uhr trägt er? Das mag ich nicht.“ Mit seiner Frau Zuzi zusammen betreibt er seine Tennisschule nun seit mehr als 30 Jahren im Winter in der Tennishalle Morsbroich und im Sommer eben hier auf der von Bäumen gesäumten Anlage.

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In Höfen blüht es - von Schottergärten keine Spur

Nach so viel sportlichem Engagement und mit noch 20 Minuten auf der Uhr will ich noch einen alten Bekannten besuchen: Henry Artelt hatte mir zu Ostern 2021 seinen entzückenden kleinen Hühnerhof nur wenige Meter von hier entfernt gezeigt. Auf dem Weg komme ich an den schönsten blühenden Gärten vorbei – wenn die Neue Bahnstadt das Zentrum der Schottergärten ist, ist Höfen das Gegenteil.

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Die Hennen fühlen sich wohl auf Henrys Hühnerhof.

Doch Henry ist nicht da, also erzähl ich den Hühnern noch etwas von ihren Nachbarn, den Ziegen, die eigentlich Schafe sind. Und genieße die Natur in dieser tierisch sportlichen Ecke der Stadt.

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