AufführungErdgeister retten die Welt

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Das Tanztheater Schlebusch begeisterte das Publikum: Dieses Mal steht die Rettung der Erde auf dem Programm.

Das Tanztheater Schlebusch begeisterte das Publikum: Dieses Mal steht die Rettung der Erde auf dem Programm.

Leverkusen-Schlebusch – Plötzlich bewegt sich der Luftballonhaufen. Wie ein mit Leben vollgepumptes, pulsierendes Gebilde, ein knallbunter Organismus schiebt er sich langsam über die Bühne. Teilt sich. Das Trippeln und Knarzen und Quietschen seiner Teile steigert sich hin zum lauten Geräusch-Crescendo aus Knallen und Fiepen. Und es ist klar: Schon diese kleine Choreografie zum Auftakt eines begeisternden Nachmittages mit dem Tanztheater Schlebusch gerät zum Paradebeispiel dafür, wie Tanz heute funktionieren kann.

Tanz braucht im Zweifelsfall noch nicht einmal Musik. Er braucht nur etwas, das die Leute anspringt. Optisch, akustisch, irgendwie. Etwas, das sie an Alltägliches erinnert und doch völlig abwegig daherkommt. Wie eben dieser über Tänzerkörper gestülpte Haufen aus Hunderten von Ballons, der metaphorisch für all jene Naturphänomene steht, die der Mensch seit jeher wie gebannt anschaut: Sich im Wind bewegende Baumwipfel, raschelndes Buschwerk, über den Boden wehende Blätter, eine aufreißende Wolkendecke, sich zum Gewitter auftürmende Wolkenballen.

Allein mit dieser Choreografie – „Natus –a, -um“ – von Anna-Carolin Weber hat das Tanztheater Schlebusch beim traditionellen Auftritt im großen Saal des Forums gewonnen. Aber dann folgt ja noch das Hauptstück des Abends: „Was tun?! Die Reise der Erdgeister“. Und das zeigt vollends, warum diese über 100-köpfige Truppe um Leiterin Inge Weber-Hintzen seit Jahren zur Spitze der Laien-Tanztheater der Region gehört: Weil bei den Tänzern in Schlebusch neben viel Erfahrung im Geschäft und Kreativität Jahr für Jahr auch ein Bewusstsein für bewegende Themen um sich greift.

Polizisten mit Trillerpfeifen

Die mannigfachen Formen der Liebe wurden in den vergangenen Jahren bereits erschöpfend behandelt von Mutter und Tochter, von Inge und Anna-Carolin, und ihren Mitstreitern. Dieses Mal steht die Rettung der Erde auf dem Programm: Die Erdgeister tanzen sich durch die Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft. Kleine Flammen züngeln. Wassertropfen prasseln. Und wenn der Mensch eingreift mit seiner Technologie, seinen Mega-Citys, seiner Hatz nach immer mehr Souveränität über die Schöpfung, bricht das Chaos aus: Die kleinsten Tänzer rollen auf Bobby-Cars fahrend die Erdgeister über den Haufen. Polizisten mit Trillerpfeifen jagen sie. Es hupt und tutet und dröhnt zu einem Mix aus Klassik, Pop, World- und Jazzmusik. Kinder im Publikum johlen, Erwachsene applaudieren spontan. Und am Ende halten die Beteiligten Dutzende Plakate in die Höhe: „Befreit die Erdgeister!“, „Rettet die Welt!“, „Schützt die Meere!“, „Spart Energie!“ Das ist Ballett, moderner Tanz, Volkstanz, Chorgesang – das ist alles in einem. Und: Das ist die nicht zu unterschätzende Kunst, über zwei Stunden lang auf ein karges Gerippe von Bühne nicht weniger zu zaubern als die Welt.

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