Die 80er in LeverkusenMeilenstein in Umweltpolitik und vergehende Boomjahre

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So sah die Dhünnaue

Die Dhünnaue

  • In einer Serie schauen wir zurück, wie sich Leverkusen in den Jahrzehnten zwischen 1950 und 2000 entwickelt hat.
  • In den 80er Jahre schlug die Stunde der Grünen. Es gab auch an dieser Front viel zu tun: Das Problem mit der Deponie Dhünnaue kam ans Licht.

Leverkusen – Dass das Thema Ökologie in den 80er-Jahren an Aufwind gewonnen hat, konnte man auch in Leverkusen sehen: Bereits Ende 1979 waren die Grünen (damals noch AGL, Alternative Grüne Liste Leverkusen) erstmals in den Stadtrat gewählt worden, ein Jahr, bevor die Partei auf Bundesebene gegründet wurde. Und mit Klaus Wolf konnten die Grünen 1984 auch den ersten grünen Bürgermeister in ganz Deutschland stellen. Auch das Naturgut Ophoven wurde gegründet: 1983 zuerst der Förderverein, ein Jahr später nahm das Naturgut seinen Betrieb auf, auch damals schon unter der Leitung von Hans-Martin Kochanek.

Die AGL hatte sich am Streit um die Kolonie I gegründet: Tausende Einwohner Wiesdorfs mussten damals ihre Häuser und Wohnungen verlassen, weil Bayer die Kolonie abreißen ließ. Es gab Hausbesetzungen und Proteste: „Die Stadt hat dadurch solche Wunden bekommen“, bedauert Klaus Wolf noch heute. Er erinnert sich noch an Spottlieder, die über den damaligen Bayer-Werksleiter Eberhard Weise gesungen wurden: „Ganz heimlich still und leise, läuft Professor Weise…“, da muss Wolf noch heute schmunzeln. Dass damals ein Befriedungsplan aufgesetzt wurde, empfindet der heute 70-Jährige als „großen Erfolg“.

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Klaus Wolf

Dabei hatten es die Grünen nicht leicht in ihren Anfangsjahren. „Es war schon schwierig, einen Fuß in die Tür zu bekommen“, räumt Klaus Wolf ein. Die anderen Parteien hätten natürlich versucht, die neue politische Konkurrenz an die „Wand zu kleben“ und zu zeigen: „Wir sind die alten Hasen“. An seine erste Ratssitzung erinnert sich der heute 70-Jährige gut: „Wir sind direkt mit dem Haushalt gestartet“. Üblicherweise hätten die Sitzungen einen Nachmittag gedauert, danach wär man an die Theke gegangen, erzählt Wolf und lacht. Als die Grünen auf einmal mit dabei gewesen sind und sich „Zeile für Zeile durchgefräst“ hätten, hätten die Haushaltsverhandlungen auf einmal zwei Tage gedauert. Das habe nicht nur Freunde gebracht.

Krupp

Tausende protestierten gegen die Werksschließung.

Bürgermeister wurde Klaus Wolf dann 1984 in einer rot-grünen Koalition. „Da änderte sich ganz viel“. Eine öffentliche Koalitionsverhandlung, das Umweltamt mit Umweltdezernent wurde neu eingeführt – und hatte auch prompt gut zu tun, als 1987 Alarm geschlagen wurde. Wegen des verseuchten Erdreichs im Gebiet Dhünnaue mussten bald Hunderte Menschen wegziehen, damit „die größte Chemiealtlast in der Bundesrepublik“ – so bezeichnet Wolf das Areal – gesichert und umhüllt werden konnte. „Ein einmaliger Erfolg“, befindet Wolf heute, „der größte, den die Grünen in Leverkusen je gehabt haben“.

Protest gegen Schließung

Tausende Leverkusener auf die Straße getrieben hat das Aus des Wuppermann-Werks 1986. Im 19. Jahrhundert waren die Wuppermanns nach Leverkusen gekommen: Unternehmer Heinrich Theodor Wuppermann hatte 1878 das Gelände nahe der Bahn vom Kölner Schrotthändler Wilhelm Heiderich übernommen, der ursprünglich ein Walzwerk mit Schmiede errichtet hatte. Die Firma florierte, die Erfolgsgeschichte ging nach beiden Weltkriegen weiter – bis zur großen Stahlkrise der 80er-Jahre. Wuppermann übergab sein Werk dem Riesen Krupp, der den größten Betrieb in Manfort bald schloss.

Das war ein Schock für die gesamte Stadt, es gab Demonstrationen in nie zuvor gesehenen Größenordnungen in der Stadt, „Wuppermann muss bleiben“ und „Manfort wird ein Armenhaus, geh’n bei TW die Lichter aus“ wurde skandiert. Aktuell betreibt das Familienunternehmen, dessen Hauptsitz immer noch in der Fixheide liegt, fünf Werke, in denen derzeit mehr als 800 Menschen arbeiten. Überbleibsel in Leverkusen lediglich: das Wuppermann-Bildungswerk. 1988 war das Jahr des Karnevalsprinzen Kurt II alias Kurt Stichnoth.

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Der Leverkusener Kabarettist und Liedermacher war gerade im Vorruhestand und ergriff die Gelegenheit, sich in der jecken Stadtchronik zu verewigen. Die Proklamation? „Sagenhaft“, schwärmt der 89-Jährige noch heute. 150 Auftritte habe er damals in der Session absolviert, am Ende der Proklamation wurde „So ein Tag, so wunderschön wie heute gesungen“. „Das war ein Ereignis“, staunt Stichnoth, „einmalig.“ Das Forum? Rappelvoll. Man habe Tische in den Gang stellen müssen. „Der Schuljung ist zum Prinzen gereift“, hatte der damalige Oberbürgermeister Horst Henning bei der Prinzenproklamation im ausverkauften Terrassensaal gesagt.

Der Karneval habe sich seit dem verändert: Immer mehr Kölner Einfluss, der Karneval in Leverkusen unterscheide sich nicht mehr vom Kölner Karneval. Früher sei man bei einer Karnevalsgesellschaft im Stadtteil aufgetreten, daraufhin wollte die andere „nicht mehr“. Kurt Stichnoth, der seit den 50ern im Karneval als Büttenredner auftrat – auch im Kölner Karneval – hatte durchaus bis zu 200 Auftritte in der Session, vom Ruhrgebiet bis nach Koblenz. Was er nicht mochte? „Herrensitzungen“, bekennt Stichnoth, da er keine zweideutigen Witze mochte. „Keine Sauereien.“ Das Prinzenamt war der Höhepunkt seiner karnevalistischen Karriere. „Nach 40 Jahren ist Schluss.“ (mit Thomas Käding)

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