Direktorin des Amtsgerichts Leverkusen„Der Umgangston hat sich geändert“

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Dr. Ruth Reimann, Direktorin des Amtsgerichts Leverkusen

Leverkusen – Das Amtsgericht mit seinen knapp 100 Rechtspflegern, Wachdienstkräften und Servicemitarbeitenden und den 22 Richterinnen und Richtern ist das Reich von Ruth Reimann. Seit bald sieben Jahren leitet sie das Gericht in Opladen.

Die 58-Jährige aus Köln sitzt in ihrem Büro in der zweiten Etage, der Raum ist abgedunkelt, es soll wieder warm werden. Gemälde hängen an den Wänden, eine Reispapierlampe spendet Licht. Reimann erzählt, sie sei als Proberichterin früher bereits einmal am Amtsgericht gewesen. Nach Stationen am Landgericht und Oberlandesgericht in Köln und Elternzeit trat sie ihre Stelle Ende 2015 in Leverkusen an.

Große Unterschiede zu anderen Städten sieht sie nicht in der Art der Fälle, die auf den Schreibtischen der Richter und Richterinnen landen. Höchstens: „In Leverkusen gibt es ja einen Fußball-Bundesligaverein, da kommt es schonmal zu Auseinandersetzungen und ja, die Clans, aber die gibt es in jeder Stadt mit einer vergleichbaren Größe.“

Nach wie vor respektvoller Umgang

Respekt bringe man den Rechtssprechenden immer noch entgegen, empfindet sie. Als Angeklagter sei man natürlich in einer Extremsituation und äußere sich emotional, räumt sie ein. Und dennoch: .„Der Ton ist ein anderer geworden.“

Doch Reimann sieht auch Positives: „Auch der Umgangston zwischen Richtern und Verfahrensbeteiligten hat sich geändert.“ Es dominiere nicht mehr das rein Hoheitliche, man spreche als Richter oder Richterin nicht mehr nur mit den Anwälten, mittlerweile möchte man den Personen mehr vermitteln, warum und wie man zu den Entscheidungen gekommen sei. „Mehr Justiz zum Anfassen“, findet Reimann. Und das geschehe, ohne Respekt einzubüßen, freut sie sich.

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Inzwischen gibt es auch Fortbildungen, vor allem jüngere Richter und Richterinnen trainieren verstärkt den Umgang mit Menschen vor Gericht. „Es wird mehr Wert gelegt auf Auftreten und Kommunikation“, empfindet die 58-Jährige. Auch die Beweisaufnahme, wenn Zeugen befragt werden, werde intensiver geübt. „Früher hat man das einfach gemacht“ – Jetzt werde trainiert. Es brauche schließlich Geschick, um aus Zeugen das herauszukriegen, was sie wirklich beobachtet haben.

Von den 22 Richterinnen und Richtern, die allerdings nicht der Amtsgerichtsleiterin, sondern dem Land unterstellt sind, sind lediglich sieben männlich. Frauen hätten mittlerweile häufig die besseren Examensnoten, räumt Ruth Reimann ein und schmunzelt. Dass Männer und Frauen anders mit dem Job umgehen und auch anders kommunizieren, sieht sie auf jeden Fall.

Sowieso seien Männer der jüngeren Generationen anders im Auftreten als früher. Als junge Richterin sei sie mit einer Kollegin allein unter „einer Riege alter Herren“ gewesen, erinnert sich die Kölnerin. Grundsätzlich interessiere sich für den Richterberuf jemand, der Situationen analysieren möchte, sie in ein Rechtsschema einordnen wolle und Spaß hat, das Ergebnis zu erklären.

Richterstellen aufgestockt, aber nicht mehr

Personalprobleme habe man am Amtsgericht nicht. „Bei den Richtern sind wir gut aufgestellt.“ Nach der Kölner Silvesternacht seien zusätzliche Stellen geschaffen worden, allerdings nicht bei den so genannten „nachgeordneten Bereichen“ wie eben Rechtspflegern oder dem Wachdienst. Wenn alle da wären, habe man genügend Personal, räumt Reimann ein, doch es gebe einen überdurchschnittlich hohen Langzeitkrankenstand im öffentlichen Dienst, auch und vor allem in Corona-Zeiten. Die Direktorin selber arbeitet in Teilzeit, 80 Prozent. Mit einem guten Team gehe das.

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Das Amtsgericht in Opladen.

Um Nachwuchs im nicht-richterlichen Bereich zu gewinnen, gehen Kollegen in die Berufsschulen, kürzlich sei man auf der Ausbildungsmesse in Burscheid gewesen, erzählt Reimann, regelmäßig präsentiere man sich auf Fachmessen. Neun Justizfachangestellte bildet das Amtsgericht derzeit aus.

Reimann geht einige Meter auf den Flur. Nachwuchs konnte man bis vor Kurzem auch bei einem Blick aus dem Fenster des Gerichts sehen: „Man konnte von hier auf die Geburtsstation und die Babys schauen“, sagt sie und lacht. Nun wird man bald eher ältere Mitbürger in der umgebauten Geriatrie im Remigius-Krankenhaus sehen können.

Gewalt gegen Mitarbeitende gebe es – „Gott sei Dank“ – kaum, anders als in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes wie im Rettungswesen oder bei der Feuerwehr. Klar gebe es angespannte Situationen, vor allem im Einlassbereich, „es kommen ja Menschen in speziellen Situationen her, die teils auch vorgeführt werden“. Dennoch wolle die Leiterin des Amtsgerichts ein Zeichen setzen.

Auf Initiative des NRW-Innenministeriums hin hat sie eine „Grundsatzerklärung gegen Gewalt“ aufgehängt, ein ausgedrucktes Blatt Papier, auf dem explizit draufsteht, dass man sich gegen Gewalt aller Art gegen Mitarbeitende und Besucher stellt. „Es ist wichtig, dass die Mitarbeitenden sehen, dass man auf sie achtet“, findet sie. „Ich möchte Menschen hier haben, die zufrieden sind und die sehen, wie unendlich bedeutsam das ist, was sie tun: Egal ob an der Wache oder am Richtertisch, jeder soll wissen, dass er einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft leistet.“

In Zukunft kommt auf die Mitarbeitenden wie überall in Gesellschaft das Thema Digitalisierung zu. In ersten Bereichen wird schon mit der elektronischen Akte gearbeitet. Das sei ein Umbruch, das laufe auch mal ruckelig. Noch liegen ein paar rosa Akten auf Ruth Reimanns Schreibtisch auf der zweiten Etage. Wer weiß, wie lange noch.

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