Erholungshaus LeverkusenGeburtstagstanz unter dem Meeresspiegel

Lesezeit 3 Minuten

Leverkusen – Alles ist durchgetaktet, der Einsatz muss klappen. Rund 600 Zuschauer sitzen am Samstag und Sonntag vor der Bühne des Erholungshauses. Irgendwo zwischen ihnen ist auch die Familie. Klappt etwas nicht, sieht es jeder sofort.

Hinter der Bühne ist Anspannung zu spüren. Die Luft steht, es ist warm und stickig. 300 Tänzerinnen und Tänzer der Schule „Tanzetage“ aus Remscheid und Köln laufen durcheinander, ziehen ihre Kostüme an und warten auf den Einsatz. Und auf Applaus – der Lohn für die Strapazen.

Fremdes Terrain

Wenn Josefine Schlicker erst einmal auf der Bühne steht, ist die Aufregung fast verflogen. Die Zehnjährige geht im Geiste die Choreografie durch, lässt sich von der Musik treiben. Seit ihrem vierten Lebensjahr tanzt die kleine Remscheiderin. Routine hat sie schon und doch ist jeder Auftritt etwas Besonderes.

Vor allem dann, wenn er nicht in den Übungsräumen der Tanzschule stattfindet, sondern auf fremden Terrain. Josefine Schlicker weiß, dass im Publikum ihre Familie sitzt, die ihr die Daumen drückt. Da ist Mutter Chris Schlicker, die in ihrer Kindheit selbst getanzt hat. „Das ist schon lange her“, sagt sie. „Meine Tochter hat mir erzählt, dass sie als allererste Tänzerin auf der Bühne stehen wird.“ Da ist ihre Großmutter Utta Sturne, die ihre Enkelin am Ende der Aufführung mit einem Blumenstrauß überraschen will. Und da ist ihr kleiner Bruder Jamey, der mit Tanzen weniger am Hut hat. Stolz sind sie alle drei. Dieses Gefühl teilen sie mit den vielen anderen Besuchern im Saal, die nach Leverkusen gekommen sind, um ihre Töchter, Söhne, Enkel, Geschwister und Freunde auf der Bühne tanzen zu sehen.

Zum 20-jährigen Bestehen der „Tanzetage“ führen die Schüler das Märchen „Die drei goldenen Perlen“ auf, das bereits vor zehn Jahren einmal in Leverkusen gezeigt wurde. Hier und da wurden Veränderungen vorgenommen, so dass jeder Tänzer glänzen kann. Unter das Meer geht es. In fantastischen Kostümen schweben die Tänzer über die Bühne.

Emilia Dabek spielt die Hauptrolle der frechen Nixe Neruli, die sich wünscht, einen Tag bei den Menschen zu verbringen. Ihre grünen Zöpfe wirbeln herum. Am Ende jeder Tanzeinlage steht Emilia Dabek mit einem Strahlen in der Mitte der Bühne. Ihr Brustkorb hebt sich. Es ist anstrengend. Das geht auch Romina Pastorelli so, die das Eismädchen Katinka verkörpert. Als erwachsene Solisten sind Christina Schattschneider, Jacqueline Endres und Veronika Krämer schwierige Auftrittsbedingungen schon gewöhnt. Sie müssen sich trotz allem konzentrieren – genau wie das Publikum.

Die erste Hälfte des Stückes geht fast zwei Stunden, die zweite nochmals eine Stunde. Die Geschwisterkinder werden langsam ungeduldig. Babys quengeln. „Richtig toll“, sagt Utta Sturne in der Pause. Ein kaltes Glas Wasser sorgt für eine Erfrischung. Besonders die kleinsten Tänzer seien herzzerreißend. Im Kindergartenalter sind sie noch. Sie stoßen teils gegeneinander, vergessen die Schrittfolge oder winken dem Publikum mit einem kecken Lächeln. „Die Kleinsten sind drei Jahre alt. Nach oben hin gibt es keine Grenze“, sagt Sabina Fröhler, Leiterin der „Tanzetage“. Auch fünf Jungs sind dabei – und klar unterrepräsentiert bei fast 300 Tänzerinnen.

Christina Schattschneider und Veronika Krämer nutzen die Pause, um die sechste oder siebte Schicht Puder aufzutragen. Es ist noch wärmer geworden hinter dem schweren Vorhang. Sie wollen durchhalten. Noch eine Stunde und sie haben es geschafft. Heiß duschen und schnell ins Bett, so die Planung von Schattschneider, die seit ihrem dritten Lebensjahr tanzt. „So sind wir für die nächste Aufführung wieder fit.“

KStA abonnieren