Explosion in LeverkusenDie Stadt wusste fast sofort, was in den Tanks ist

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„Stark erschüttert“ ist das Vertrauen in Currenta angesichts des Umgangs mit der Explosion, heißt es bei den Grünen.

Leverkusen – Die Bürgerliste wollte den Rat in ein paar Wochen zu einer Sondersitzung zusammenrufen; die Grünen wollen schon am Montag in der nächsten regulären Ratssitzung weitere Auskünfte über die Explosion in Bürrig. Und damit dabei mehr herauskommt als es vor reichlich einer Woche der Fall war, sollen diesmal alle Beteiligten im Rathaus erscheinen. Neben der Betreiberfirma Currenta also auch die Kölner Aufsichtsbehörde. Die Frage, „ob die Bezirksregierung ihrer Aufsichtsverpflichtung hinreichend nachkommt, ist offen“, stellt Fraktionschefin Roswitha Arnold fest. Und: „Der Vertrauensverlust ist riesengroß. Nicht nur die Currenta, sondern auch die Stadt und die Bezirksregierung müssen ihrer Verantwortung endlich nachkommen. Ansonsten sind die Schäden nicht zu reparieren.“

Auch Arnold und ihre ganze Fraktion waren von Currenta-Vertretern über den Hergang des Unglücks soweit informiert worden, wie es aus Sicht der Betreiber des Sondermüllofens derzeit möglich ist. Zufrieden ist die Fraktion nach dem Gespräch aber nicht: „Insbesondere die Fragen nach den Ursachen bleiben aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unbeantwortet.“ Zudem seien neue Fragen entstanden, die nun so schnell wie möglich beantwortet werden müssten. Und zwar im Rat, in öffentlicher Sitzung.

Eine Menge Einladungen

Dem ist Oberbürgermeister Uwe Richrath am Freitag nachgekommen, hat die Tagesordnung erweitert und entsprechende Einladungen ausgesprochen. Am Donnerstag voriger Woche stand Currentas Technikchef Hans Gennen wegen eines Trauerfalls in der Familie dann doch nicht zur Verfügung. Die Bezirksregierung war offenbar nicht eingeladen. Blieben das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) sowie der Umweltbereich der Stadtverwaltung.

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Fragen gibt es aber nicht nur an Currenta und die Bezirksregierung, deren letzte große Prüfung der Anlage nach der Störfallverordnung lediglich nach Aktenlage und somit per Ferndiagnose erledigt worden war. Das Vorgehen wurde von der Bezirksregierung mit dem Infektionsschutz erklärt. Die erforderliche Ortsbesichtigung war erst für Anfang August angesetzt.

Verwirrung um Liste

Mit „Erschrecken“ reagieren die Grünen nun auch auf die jüngste Currenta-Erklärung zur Verwirrung um die Liste jener Stoffe, die zum Zeitpunkt der Explosion in den Tanks am Sondermüllofen waren: Einerseits hieß es, man könne „auf Knopfdruck“ eine Liste auswerfen. Dennoch dauerte es bis Freitag, also drei Tage, bis das Lanuv Kenntnis von den gelagerten Stoffen hatte – und daraus ein Programm für die Bodenanalysen in der Nachbarschaft der havarierten Anlage konzipieren konnte. Im Gespräch in der Fraktion hieß es nun von Currenta, die Daten hätten bereits am Tag der Explosion beim Umweltamt der Stadt vorgelegen. Für die Grünen heißt das, „spezifische Messungen wären bereits zu einem deutlich früheren Zeitpunkt möglich gewesen“. Insofern sei zu fragen, „welche Versäumnisse der Stadt anzulasten sind“.

Keine, hieß es dazu am Freitag auf Anfrage im Rathaus: Die ersten schriftlichen Angaben zu den Stoffen seien zwar tatsächlich schon einige Stunden nach der Explosion im Fachbereich Umwelt eingegangen. Die habe man am nächsten Tag ans Lanuv weitergeleitet. Sie waren aber offenbar nicht ausreichend, um daraus ein Screening-Programm zu entwickeln: Es habe sich um „erste grobe Daten“ gehandelt, nicht um vollständige, detaillierte Stoffzusammensetzungen. Sie seien auch den Tanks nicht zugeordnet gewesen.

So etwas habe es tatsächlich erst am Freitag nach dem Unglück gegeben. Currenta habe die Bezirksregierung damit versorgt und sie auch der Stadtverwaltung zur Kenntnis gegeben. Dort habe man die Liste „vorsorglich an das Lanuv weitergeleitet“. Es sei „festzuhalten, dass der Fachbereich Umwelt alle ihm vorliegenden Informationen umgehend an die zuständigen Behörden weitergegeben hat“, erklärte Julia Trick, Sprecherin im Rathaus.

Nicht nur bei der Bürgerliste, sondern auch bei den Grünen wundert man sich über die 110-Kilovolt-Leitung, die über der Sondermüll-Verbrennungsanlage hängt. Sie hatte am Tag der Explosion wegen umhergeflogener Teile einen Erdschluss, was die Bekämpfung des Brandes für fast zwei Stunden behinderte.

Katalog mit 30 Fragen

Dazu kommen viele weitere Fragen. 30 sind es, die am Montag im Rat beantwortet werden sollen. Unter anderem geht es um einen anderen Standort für den Sondermüllofen, der mal nur dazu da war, Chemiemüll aus dem Bayerwerk zu verbrennen. Inzwischen betreibt Currenta einen schwunghaften Import gefährlicher Stoffe. Was im Stadtrat nicht vorliegen wird, ist das Protokoll, das die Bürgerliste von ihrem Gespräch mit Chempark-Chef Lars Friedrich angefertigt hat und das ein paar Neuigkeiten enthält: Currenta hat es nicht autorisiert.

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