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Kooperation mit Leverkusener HauptschuleWie Ostermann dem Fachkräftemangel begegnet

Lesezeit 4 Minuten
Auszubildender und Ausbilder im Lager von Ostermann.

Frank Tigges (r.) ist als Lagerleiter bei Ostermann auch für die Auszubildenden wie Maik Kubis verantwortlich.

Drei Schüler der Theodor-Wuppermann-Hauptschule haben eine Ausbildung in der Logistik von Ostermann begonnen – der Erfolg einer neuen Kooperation.

Maik Kubis steht vor einer riesigen Wand voller Arbeitsplatten. Ein Scangerät zeigt ihm an, wo die Platte steht, die er für seine Lieferung braucht. Oder zumindest stehen sollte. „Natürlich passieren jedem mal Fehler, dass man etwas falsch einsortiert oder beschriftet“, sagt Kubis. Wie letztens, als „das System eine Arbeitsplatte geschluckt hat“, wie es David Moll, Logistikleiter bei Ostermann in Leverkusen, ausdrückt. Und dann? „Haben wir die ganze Mannschaft inklusive der Azubis einmal gemeinsam durchgeschickt, um sie zu suchen“, sagt Moll.

Was lernt man daraus? Hier, in der großen Lagerhalle der Möbelhauskette Ostermann an der Carl-Duisberg-Straße kann aus einer kleinen Unaufmerksamkeit ein großes Problem werden, das viel Arbeit macht. „Aber genau das gefällt mir so gut an dem Job: Dass man Verantwortung übernehmen muss“, sagt Maik Kubis.

Maik Kubis mit einem Scangerät vor Küchen-Arbeitsplatten

Auszubildender Maik Kubis lernt bei Ostermann für die Arbeit und das Leben.

Doch wie viele Branchen leidet auch die Logistik unter Fachkräftemangel. Der Nachwuchs fehlt. „In den letzten Jahren haben wir bis zum Anmeldeschluss nach Azubis gesucht“, erinnert sich Moll. Doch für das neue Ausbildungsjahr ab Herbst haben schon zwei Schüler der Theodor-Wuppermann-Hauptschule einen festen Vertrag in der Tasche.

„Wir machen Praktikumstage in der neunten und der zehnten Klasse. Und wenn wir merken, da ist jemand, der zu uns passt und der auch wirklich an einer Ausbildung interessiert ist, dann zögern wir jetzt nicht mehr, direkt einen Vertrag auszugeben“, erklärt der Logistikleiter. Die Schule müssen die Jugendlichen dann natürlich dennoch zu Ende bringen, das ist die Grundvoraussetzung. Das Unternehmen bildet Kaufmänner und -frauen im Einzelhandel und Fachkräfte für Lagerlogistik sowie für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice aus.

Frank Tigges vor Lagerregalen

Frank Tigges ist für die Lagerleitung und die Auszubildenden zuständig.

Anfang des Jahres 2022 startete Ostermann Leverkusen die Zusammenarbeit mit der Theodor-Wuppermann-Hauptschule. Unterstützt wurden sie von der Bildungsinitiative „KURS“, die Schulen und Unternehmen beim Aufbau und der Entwicklung auf Dauer angelegter Lernpartnerschaften hilft. „Für viele Schülerinnen und Schüler der Hauptschule ist die Bewerbung bei einem ihnen unbekannten Unternehmen eine große Hürde. Im Rahmen der Kooperation können sie bereits während der Schulzeit die verschiedenen Arbeitsbereiche bei Ostermann kennenlernen, können sich ausprobieren und den potenziellen späteren Arbeitgeber von ihren Fähigkeiten überzeugen“, sagt die Leverkusener „KURS“-Koordinatorin Judith Abel. „Dies fördert das Selbstvertrauen, sich dann auch auf eine Ausbildungsstelle im Betrieb zu bewerben.“

Zwei Auszubildende aus dem freien Markt sind nicht über die Probezeit gekommen
David Moll, Leiter Logistik Ostermann Leverkusen

Das kann auch Maik Kubis bestätigen. Der 20-Jährige ist nach seinem Hauptschulabschluss zunächst über das Wuppermann Bildungswerk als Träger zu Ostermann gekommen. „Da habe ich festgestellt, dass das genau das Richtige für mich ist und wurde dann zum Glück auch als fester Auszubildender hier übernommen.“ Eineinhalb Tage pro Woche verbringt er mit der schulischen Ausbildung, den Rest ist er im Lager. 

David Moll, Leiter der Logistik bei Ostermann in Leverkusen

David Moll ist Leiter der Logistik bei Ostermann in Leverkusen.

Insgesamt drei Schüler der Theodor-Wuppermann-Hauptschule haben im vergangenen Jahr ihre Ausbildung hier begonnen. Ein Glücksfall für das Unternehmen, das in Leverkusen rund 120 Mitarbeiter im Bereich der Logistik hat, sagt Moll: „Wir hatten im gleichen Zeitraum auch zwei Auszubildende aus dem freien Arbeitsmarkt, die sogar höhere Schulabschlüsse und gute Lebensläufe hatten. Aber beide sind nicht über die Probezeit hinaus gekommen.“ Bei den Schülern sei die Wertschätzung für einen Ausbildungsvertrag höher.

Wenn ein Ausbildungsverhältnis scheitert, dann meistens daran, dass die Jungs nicht offen und ehrlich sind
Frank Tigges, Lagerleiter

Schulnoten und die persönliche Vergangenheit spielen für Frank Tigges keine besondere Rolle. „Wer hier ankommt, ist ab dem ersten Tag vollwertiger Teil des Teams“, sagt der Lagerleiter. Deswegen machen auch Auszubildende direkt zu Beginn den dreitägigen Lehrgang, um den Führerschein für die Stapler zu bekommen, die es braucht, um Möbel auf die fünfte Etage der riesigen Regale zu hieven.

„Mit einem Zehn-Tonnen-Stapler zu fahren, da muss man schon Verantwortung übernehmen.“ Und genau das will der Ausbilder sehen. Das Wichtigste für ihn: Ehrlichkeit. „Wenn ein Ausbildungsverhältnis scheitert, dann meistens daran, dass die Jungs nicht offen und ehrlich sind.“ Derzeit arbeiten nur Männer im Möbellager. „Natürlich würden wir auch gerne Mädchen nehmen, aber da müssen auch die körperlichen Voraussetzungen stimmen“, sagt Tigges. Sitzgarnituren und Waschmaschinen auf Paletten heben, das ist auch körperlich Schwerstarbeit.

Maik Kubis hat in seiner Ausbildung schon viel gelernt, auch für das Leben. Sich selbst und sein Handeln organisieren, in stressigen Situationen die Ruhe bewahren und Verantwortung übernehmen – die Erfahrung aus dem Möbellager mache sich auch im Zusammenleben mit seiner Freundin bemerkbar. „Das ist der Wahnsinn, manchmal bin ich von mir selbst überrascht“, sagt der 20-Jährige. „Hier kann ich nicht sagen: Ach, ich lass’ das mal liegen, kann ja ein anderer machen. Ich bin durch die Ausbildung auf jeden Fall erwachsener geworden.“