Forum LeverkusenDas düstere Herz der USA

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Das urbane Amerika liegt am Boden, seine Ghetto-Kids rennen in Kyle Abrahams Tanzstück „Pavement“ um ihr Leben.

Das urbane Amerika liegt am Boden, seine Ghetto-Kids rennen in Kyle Abrahams Tanzstück „Pavement“ um ihr Leben.

Leverkusen – Diese Szenerie könnte auch einem düsteren Hollywood-Film entsprungen sein: Die Bühne ist ein Basketballfeld aus grauem Beton. Außer dem Korb und den Spielfeldmarkierungen ist hier nichts zu sehen. Die Tristesse ist greifbar. Das Ghetto verortet man gleich nebenan. Kurzum: Das düstere Herz des urbanen Amerikas schlägt eine Stunde lang im Forum, wenn der amerikanische Choreograph Kyle Abraham anlässlich der Internationalen Tanzmesse Düsseldorf gemeinsam mit seiner Compagnie das Stück „Pavement“ präsentiert. Es ist eine Gastspiel als deutsche Erstaufführung, das alles zugleich ist: befremdlich, mitreißend, aufwühlend, authentisch.

Schwarz gegen Weiß

Abrahams Tänzer jagen zu Hip-Hop-Musik – mit ihr wuchs Abraham einst in Pittsburgh auf – über das Spielfeld. Sie dribbeln. Sie feuern sich an. Und sie geraten aneinander. Immer wieder. Es kommt zu den typischen Auseinandersetzungen: Schwarz gegen Weiß. Ghetto-Kid gegen Cop. Und ganz sicher sind irgendwie auch Drogen im Spiel. Einer der Protagonisten streunt „Help me!“ schreiend durch dieses Betonloch.

Die Musik dazu wechselt von Rap zu Soul zu Kollagen von Vorstadt-Geräuschen voller Sirenen und Schüssen und auf den Boden klirrenden Patronenhülsen. Zwischendurch reißt ein klassisches Stück Johann Sebastian Bachs oder Benjamin Brittens den Albtraum auf und führt mit Pianoklängen und hohem Sopran den täglichen Kampf um Ansehen, ein bisschen Halt im Leben und die Chance aufs Rauskommen ad absurdum. Das ist so, als würde man die Handlung der US-Krimiserie „The Wire“, die der Choreograph ausgiebig geguckt haben muss, aus den tristen Baracken Baltimores in den nächsten Schlosspark verlegen. Es wird Schönheit vorgegaukelt, wo keine Schönheit existieren kann. Die Hoffnung zerschellt sicht- und hörbar an der Realität – ein starker künstlerischer Schachzug.

Die Mischung aus modernem und klassischem Tanz tut ihr Übriges dazu und hebt „Pavment“ („Straße“, „Pflaster“) auch technisch und emotional auf ein hohes Niveau. Die Zuschauer – viele von ihnen sind internationale Messegäste, die mit Bussen aus Düsseldorf anreisten – zeigen sich begeistert. Viele von ihnen kommen Freitag wieder, um den Tänzer Aakash Odedra beim zweiten, ins Forum ausgelagerten Gastspiel der Tanzmesse zu sehen. Der Status Leverkusens als „Tanzstadt“ mit akzeptablem Programm ist untermauert.

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