Grundstücksdeal mit Dynamit NobelPolitiker wollen die giftige Dreingabe nicht

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Sieht aus wie unberührte Natur, aber der Untergrund hat’s womöglich in sich. Bevor die Stadt die Deponie übernimmt, will sie nun doch noch prüfen. 

Leverkusen – Zum Umgang mit gefährlichem Müll und Deponien gibt es in Leverkusens Stadtgedächtnis viele Geschichten, doch dazu später. Der Kauf der vielleicht schwer mit Schadstoffen belasteten „Deponie Petersberg“ von Dynamit Nobel durch die Stadt Leverkusen im Gesamtpaket mit vier Grundstücken (wir berichteten) ist verschoben worden. Für den schnellen Erwerb fand sich im ersten Anlauf im Stadtrat keine Mehrheit. Hinter verschlossenen Türen äußerten die Gegner des Deals Zweifel vor allem deshalb, weil nicht klar ist, wie giftig die Deponie ist.

Auch wenn sie als Teil des Pakets lediglich einen Euro kosten würde, soll vor dem Kauf erstmal geprüft werden. Dazu will man noch einmal in den Körper der Deponie Petersberg bohren und die Schadstoffe und die Belastung des Grundwassers messen. Die Bohrungen zahlt die Stadtverwaltung. Sollten die Analysen sofortigen Handlungsbedarf ergeben, muss allerdings der Eigentümer aktiv werden und weitere Untersuchungen, im Ernstfall gar eine Sanierung, in Angriff nehmen.

Der neue Kämmerer Michael Molitor äußerte sich auf Anfrage nicht nur zum Votum des Rats, sondern gab auch eine Einschätzung, wie es nun weitergehen könnte mit dem überraschend von der Stadtverwaltung vorgeschlagenen Grundstücksdeal. Er glaubt: „Das dauert jetzt drei Jahre, bis es Ergebnisse gibt“. Vom Anbieter habe er noch keine Rückmeldung.

Es ist also nicht klar, ob Dynamit Nobel die drei anderen Grundstücke auch ohne die Dreingabe der Petersberger Deponie abgeben würde.

Ein Satellitenbild offenbart alle Details rund um Dynamit Nobel

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Das Höhenmodell, aufgenommen von einem Satelliten, enthüllt alle Details des Geländes rund um Dynamit Nobel.

Bis in die heutige Zeit wird in der Umgebung des heutigen Willy-Brandt-Rings viel Erde bewegt. Die besondere Karte zeigt die pure Erdoberfläche ohne Bäume und Gebäude, die Daten stammen von einem Radarsatelliten.

(1) Die Deponie Petersberg, das mit Müll verkippte Baggerloch

(2) Der Schießplatz nahe der Heidehöhe, mit Erdwällen abgegrenzt vom früheren Baggerloch „Die 16“. Das Terrain grenzt an die Auffahrt vom Willy-Brandt-Ring auf die Kalkstraße.

(3) Die Autobahnauffahrt Leverkusen an der A3.

(4) Autobahnweiher des Bayer-Angelvereins

(5) Landebahn Kurtekotten

(6) Von-Diergardt-See

(7) Gelände Dynamit Nobel: Hier sind die vielen Erdwälle zu erkennen, die zum Schutz zwischen explosionsgefährdeten Gebäuden in der Fabrik aufgehäuft wurden.

(8) Naturschutzgebiet am Hornpottweg

(9) Binnendüne auf der Bullenwiese, zum Teil erhalten, daneben der Lärmschutzwall zum Gewerbegebiet. (rar)

Mit im Paket befindet sich die Schießanlage an der Kalkstraße, die sich der Bayer-Schießverein mit der einflussreichen Leverkusener Jägerschaft teilt. Die beiden Vereinigungen sind erpicht darauf, den bisher nur gepachteten Schießstand zu kaufen.

Einige Nachbarn sind davon nicht begeistert. Sie leiden unter dem Schießlärm. Sabine Hinterkeuser aus der Siedlung Heidehöhe beklagt das seit Jahren, und sie vermutet eine deutliche Überschreitung der zulässigen Lärm-Grenzwerte, nachdem sie eine eigene Schall-Messung durchgeführt hat, die natürlich nicht amtlich ist. Sie fühlt sich von der Stadt nicht ernstgenommen.

Nachbar beklagt „penetranten Lärm“

Ebenso fürchtet Nachbar Hans Kutscher, dass durch einen Kauf der seiner Meinung nach viel zu laute Schießplatz ein dauerhaftes Ärgernis bleibt: „Wenn die schießen, verursacht das einen penetranten Lärm, man kann dann draußen nicht sitzen“, sagt der Anwohner der Petersbergstraße. Zwischen seinem Haus und dem Schießplatz liegen die Kalkstraße und die Güterzugstrecke Mülheim-Speldorf-Troisdorf.

Ein anderer Nachbar, der ungenannt bleiben möchte, kennt die Deponie schon seit Kindertagen. Er weiß, wie es dort aussah, bevor die Anschüttung begann. Eine wahre Fundgrube für Kinder der 50er-Jahre muss sie gewesen sein. Ein selbst planierter Fußballplatz hatte darin eine Zeit lang Platz. Die ersten zehn Jahre nach dem Krieg seien wild gewesen: Einmal im Jahr brannten Kinder und Jugendliche die Brombeerbüsche ab, da sei noch nicht mal die Feuerwehr gekommen. Dann sammelten die Kinder Metall, um es zu verkaufen.

Schutt und Ölfässer

Ein Kumpel habe im damals halb vollgekippten Kiesloch ein Maschinengewehr gefunden, „in einer Kiste in Ölpapier“. Beim beschwerlichen Abtransport habe ihm aber ein Erwachsener das aufregende Fundstück abgenommen. In dem Kiesloch liege der Bauschutt des alten Wiesdorf, also die Überreste der Kolonie, die in den 60er-Jahren für die City abgebrochen wurde.

Es dürfte aber auch Problemzonen ganz anderer Art geben: Als Jugendlicher habe er sich ein paar Mark bei der Bundesbahn verdient, erinnert sich der Mann. Gleise lagen am Kiesloch und er half, ganze Waggonladungen Schotter und Schutt mit der Schaufel hinein zu schippen. Aber es kamen auch andere Abfälle. Und damit wird klar, dass vor einem möglichen Kauf neue Bohrungen sinnvoll sind: „Die Bahn hat dort Ölfässer auskippen lassen, die leeren Fässer wurden ins Bahnwerk zurückgefahren.“

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Auf den Meter genau kann er die Stelle nicht mehr lokalisieren. Ein gut 40 Meter breiter Streifen Land neben der Bahnstrecke gehörte früher zwar zum Kiesloch, ist aber nicht Teil des Grundstücks, das die Stadt kaufen will. Man habe sich einfach nichts dabei gedacht. Damals, sagt er, habe es dort einen richtigen Ölsee gegeben.

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