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Zweites WochenendeLeverkusener Jazztage begeistern mit Chartstars und einer umwerfenden Show-Diebin

Lesezeit 4 Minuten
Die britische Funk-Rock-Band Level 42 um Frontmann und Bassist Mark King (rechts) spielte im Rahmen der 43. Leverkusener Jazztage im Forum (Terrassensaal).

Britische Ikonen des Funk-Rock: Level 42 mit ihrem singenden Bass-Reiter Mark King (rechts) im Forum. 

Das zweite Wochenende der Leverkusener Jazztage beschließen Level 42 und Judith Hill im Forum.

Sie machen schon ganz ordentlich einen auf dicke Hose und lassen heraushängen, dass sie in den 1980er Jahren eine Zeit lang die Nummer schlechthin in den internationalen Charts waren: Level 42 betreten die Bühne unter Fanfarengetöse. Dann schnallt sich Frontmann Mark King seinen riesigen E-Bass traditionell knapp unters Kinn, während hinter ihm die Bläsersektion auf einem Podest Aufstellung nimmt.

Und Keyboarder Mike Lindup, neben King das zweite noch verbliebene Gründungsmitglied der Band, tut das, was Keyboarder, die in den 1980er Jahren groß wurden und die Hitparaden stürmten und sogar das Publikum in der englischen Kult-Sendung „Top Of The Pops“ ganz wuschig machten, in diesem klassisch überkandidelten Keyboard-Jahrzehnt eben so taten: Er stellt sich hinter sein gefühlt meterhohes Gerüst aus elektronischen Tasteninstrumenten und, nun ja, haut in die Tasten.  

Eine Maschine ihres Genres

Gleich geht es hinein in einen der paar Riesenhits, die diese britische Band mit ihrem geradezu ikonischen Funk-Rock und Funk-Pop fabrizierte: „Running in the family“ gerät pumpend und druckvoll. Viele Zuschauende im Saal jauchzen hörbar und zappeln. Und sie werden damit auch für die folgenden gut 90 Minuten nicht mehr aufhören, denn: Level 42 sind eine Maschine ihres Genres. Es gibt kaum Pausen. Song folgt auf Song folgt auf das Solo irgendeines Instrumentes folgt auf das nächste Stück. Und all das immer in dieser hektisch-schwitzigen Rasanz, die den Briten seit jeher eigen ist.

„Lessons in love“, „Something about you“, „World machine“ – nichts fehlt. Mark King bearbeitet seinen Bass mit dem Slap-Daumen wie ein Wahnsinniger, beziehungsweise eben wie einer, der diese Spieltechnik gemeinsam mit Larry Graham (Sly & The Family Stone) oder Marcus Miller erst salonfähig machte. Er lacht und grinst die ganze Zeit. Und einmal macht er sogar einen für Musik-Liebhabende wirklich unfassbar guten Witz. Sagt „Hey, wir sind Level 42! Und wir spielen heute eine ganze Reihe Level-42-Songs. Also fragt bitte nicht nach „Red, red wine!“ Zur Erklärung: Letzteres Stück ist der Klassiker einer britischen Reggae-Rock-Band, die im Namen auch irgendwas mit Zahlen hat - UB 40 - und offenbar gerne mal mit den anderen Zahlen-Jungs um Mark King verwechselt wird.   

Die US-Sängerin Judith Hill eröffnete das Konzert von Level 42 im Rahmen der 43. Leverkusener Jazztage im Forum (Terrassensaal).

Beseelt und alle auf eine friedliche Revolution einschwörend: US-Musikerin Judith Hill eröffnete das Konzert von Level 42.

Judith Hill eröffnet und begeistert

Langweilig wird es jedenfalls zu keiner Sekunde. Level 42 sind die nächsten Künstler, die dieses Festival mit einem durchaus denkwürdigen Konzert beschenken. Und doch wird ihnen noch vor dem ersten Ton ihrer Show selbige so ein bisschen gestohlen. Denn da steht Judith Hill auf der Bühne. Das ist jene US-Sängerin, die schon mit Prince zusammenarbeitete. Und die bei der nachweislich von Milliarden Menschen weltweit im TV und Netz verfolgten Beerdigung Michael Jacksons sang, weil der King Of Pop sie vor seinem Tod als Sängerin für eine geplante Tournee quer über den Planeten haben wollte.

Und diese Judith Hill ist ganz und gar ein Wahnsinn. Hat den Blues und den Soul drauf wie – das lässt sie einen an diesem Abend jedenfalls denken – niemand sonst. Und singt derart beseelt ein Stück wie etwa „I can only love you by the fire“, oder „As trains go by“, dass man Angst haben muss, sie könne im nächsten Moment abheben und gen Saaldecke schweben.

Eine maximal politische Künstlerin

„Today is a new day. I can feel it in my bones!“, ruft sie den Menschen mit ihren fest geschlossenen Augen zu. Immer und immer wieder. Wie ein Mantra. Wie ein Appell: „Wir können den ganzen Mist da draußen vergessen lassen – weil wir alle zusammenkommen in der Musik und eins sind!"  Und sie ist in diesen Momenten dann auch eine maximal politische Künstlerin, die zeigt, dass Musik ohne Aussage auf Dauer nicht funktionieren kann und darf. 

Judith Hill, Kind einer Familie mit amerikanischen, afrikanischen und japanischen Wurzeln, schweißt alle zusammen. Schwört alle auf eine Revolution der Menschlichkeit ein. Und schaut sich – nebenbei bemerkt – am Ende das komplette Konzert von Level 42 inmitten des Publikums stehend an. Als Fan. Einfach so. Oft ist so etwas nicht zu erleben.