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JazztageJamie Cullum spielt in Leverkusen ein perfekt unperfektes Konzert

Lesezeit 5 Minuten
Jamie Cullum steht vorne auf der Bühne und singt. Im Hintergrund sind Musiker mit Saxofon, Kontrabass, Schlagzeug und Gitarre.

Jamie Cullum (Mitte) spielt im Rahmen der Leverkusener Jazztage im Forum.

Es ist ausgeschrieben als Jamie-Cullum-Konzert. Aber der Donnerstagabend, 10. November, im Leverkusener Forum ist vielmehr eine Jam-Session von acht Musikern. Ein Zusammenkommen von acht Leuten, die das Musizieren lieben.

Es ist ein Sinnbild: Jamie Cullum und seine Band stehen gemeinsam vorne auf der Bühne. Zwei Mikrofone sind mit etwas Abstand vor ihnen aufgestellt. Zwischen ihnen steht ein Kontrabass, der auch als Trommel fungiert. „Still, I won't write off love“ („Trotzdem werde ich die Liebe nicht abschreiben“) singen alle im Chor. Dann im Kanon. Dann wieder im Chor. Es ist intim, voller Gefühl. Sie scheinen mit allem zu musizieren, das sie haben. Es zählen nur die Musik und die Emotionen, die sie hervorbringt.

Auf der Bühne stehen sieben Musiker und Musikerinnen. Es ist die Band um Jamie Cullum. In der Mitte steht ein Kontrabass, das einer der Band-Mitglieder spielt. Ein andere benutzt es als Trommel. Alle singen

Einen Song spielen die Musiker nur in Begleitung eines Kontrabasses, der auch als Trommel verwendet wird.

Dieses Gefühl, dass nur die Musik zählt, zieht sich wie ein roter Faden durch den Donnerstagabend im Forum, der Teil der 43. Leverkusener Jazztage ist – genau wie sein zweites Konzert am Freitagabend. 15 Minuten verspätet kommt erst die Band auf die Bühne. Sie fängt an, leise zu spielen. Dann setzt sich der britische Sänger und Multiinstrumentalist Jamie Cullum an den Flügel und haut in die Tasten. Gemeinsam spielen sie sich ein, bevor sie angefangen, zu singen. Das Lied baut sich langsam auf, bis die Party anfängt.

Das Konzert von Jamie Cullum wirkt wie eine gemeinsame Jam-Session

Die Background-Sängerin und der Background-Sänger sind viel mehr als das. Sie tanzen im Takt auf der Bühne, liefern eine Show. Es ist offensichtlich einstudiert. Wirkt aber spontan und voller Rhythmus im Blut. Auch die restlichen Band-Mitglieder, die alle mehr als ein Instrument beherrschen, spielen nicht einfach nur ebendiese. Sie bewegen sich mit ihnen und stacheln einander an, färben aufeinander ab. Jamie Cullum selbst tanzt wild auf der Bühne herum, wenn er nicht am Flügel sitzt. Er steigt auf das teure Instrument, springt herunter, ist voller Energie.

Auf der Bühne im Leverkusener Forum steht Jamie Cullum vorne in der Mitte und singt. Links stehen eine Sängerin und ein Sänger am Mikro und tanzen. Hinter Culum ist ein Schlagzeuger, ein Gitarrist und ein Mann mit Trompete, die ihre Instrumente spielen.

Jamie Cullum spielt seine Jazz- und Pop-Musik zusammen mit siebenköpfiger Band.

Diese Energie scheint beim Publikum erst während des zweiten Lieds anzukommen. Dass sie sich auf Cullum und seine musikalische Mischung aus Jazz und Pop gefreut haben, steht außer Frage – sie hatten immerhin coronabedingt drei Jahre gewartet. Während sie darauf warten, dass es losgeht, klatschen sie immer wieder und jubeln, um Cullum und Co. auf die Bühne zu locken. Als diese dann anfangen zu musizieren, scheint das Publikum zunächst zu fasziniert, um zu reagieren.

Sie schauen gespannt zu, bewegen sich noch nicht viel, während auf der Bühne ab den ersten Tönen Energie und Leidenschaft zu spüren ist. Beim zweiten Lied ist die Faszination nicht abgefallen, aber das Publikum scheint freier. Manche haben die Augen geschlossen, nehmen die Klänge, das Gefühl so auf. Manche nehmen sich in die Arme, küssen sich, zeigen Liebe. Andere tanzen ausgelassen. Doch nicht ausgelassen genug für Cullum. Der Sänger fordert seine „Liebschen“, wie er sie zu Beginn mit starken britischen Akzent nennt, zwischendurch auf, so wild wie möglich zu tanzen.

Jamie Cullum reist das Publikum im ausverkauften Forum mit

Wenig später zeigt Cullum, dass er die anderen Musiker nicht braucht, um abzuliefern, dass er das auch alleine kann. Die Band hat die Bühne verlassen und Cullum ist mit seinem Flügel alleine. Darum fleht er in dem Song „All at Sea“, den er jetzt singt: „Please just leave me here on my own“ („Bitte lass mich hier einfach alleine“). Es ist eine traurige Ballade. Das Publikum ist wieder ganz still und angespannt. Viele fassen sich an die Brust, sind ergriffen.

Jamie Cullum sitzt am Flügel. Er spielt und singt dabei.

Jamie Cullum spielt vor allem Flügel.

Jamie Cullum tut das, was er die gesamte Show über tut: Er übermittelt Emotionen mit seinen Instrumenten, mit seinem Gesang. Der ist nicht immer perfekt. An manchen Stellen bricht seine Stimme. Aber vielleicht ist auch das einstudiert. Was geplant ist und was nicht, ist allgemein bei diesem Konzert nicht klar. Teilweise wirkt alles perfekt einstudiert, als wäre jeder Klang, jede Bewegung geprobt. Dann wieder wirkt alles spontan. Als würden er und seine Band sich einfach voneinander und von der Musik treiben lassen.

Alle Instrumente bekommen in Leverkusen ihren Glanz-Moment

„Later on you could spend some time with me“ („Später könntest du etwas Zeit mit mir verbringen“) geht der Songtext von „All at Sea“ weiter. Und so geht auch die Show weiter. Die gemeinsame Jam-Session wird fortgeführt. Dann wird wieder klar, warum Cullum mit Band spielt, obwohl er sie nicht bräuchte: Weil es ihm und allen Spaß macht. Jeder Musiker, jedes Instrument bekommt an diesem Abend einen eigenen Moment.

Während der Saxofon-, Klarinetten-, Kontrabass- und Schlagzeugsoli unterstützen andere Instrumente im Hintergrund. Geben einen Beat. Aber die volle Aufmerksamkeit liegt auf dem jeweiligen Instrument und der Person, die es spielt. Cullum rückt in den Hintergrund. Auf ihn strahlt dann kein Scheinwerfer mehr. Doch wer genau hinschaut, sieht, wie er die Instrumente imitiert, sie mitsingt.

Zwischendurch, aber vor allem am Ende wird auch das Publikum Teil der Jam-Session. Immer wieder will Jamie Cullum ganz im Stil von Freddie Mercury, dass die Zuhörenden ihm Melodien nachsingen. Sie werden immer schwieriger und stellen im Endeffekt vor allem sein Talent heraus. Zum Schluss, als die Band „Mixtape“ als Zugabe spielt, singt das Publikum die Melodie einfach weiter. Auch als die Bandmitglieder die Bühne verlassen haben, hört das Publikum nicht auf. Und Cullum steigt wieder ein. Spielt die Melodie am Flügel weiter. Lässt sich vom Publikum, lässt sich von der Musik treiben.