„Womit verdienen die ihr Geld?“Immer mehr Künstler hinterfragen Bayer-Sponsoring

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Skepsis: Einige geladene Künstler boykottierten die aktuelle Bayer-Ausstellung.

Skepsis: Einige geladene Künstler boykottierten die aktuelle Bayer-Ausstellung.

  • Künstler hinterfragen immer öfter die Förderung durch Konzerne.
  • Gerade bei Bayer ist das in jüngster zeit immer wieder Thema – zum Beispiel durch den Monsanto-Deal.
  • Wir haben mit Bayer-Kultur-Leiter Thomas Helfrich über die Debatte und Wege der Kunstförderung gesprochen.

Leverkusen – Thomas Helfrich möchte die von ihm geleitete Bayer-Kultur zukünftig weniger über ein traditionelles Spielzeitprogramm denn vielmehr über die Förderung von Künstlern und Projekten definieren (wir berichteten). Wohlgemerkt: über eine „partnerschaftliche“ Förderung, wie er betont. Das sei ein wichtiges Detail, denn: „Ich halte nichts davon, einfach nur Geld zu überweisen, um dann irgendwo mein Logo auf einem Plakat zu sehen.“ Das sei „kaltes“ Sponsoring. Er hingegen kümmere sich lieber persönlich um Künstler.

Und damit spricht Helfrich ein Thema an, das spätestens bei der jüngst im Erholungshaus eröffneten Ausstellung „Differenzen“ aufkam: Lassen sich Künstler – zumal junge – in „Fridays For Future“-Nestlé-und-Co.-Zeiten eines offenbar gewachsenen ökologischen, politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Bewusstseins überhaupt noch von einem Konzern wie dem Chemieriesen fördern?

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Einige Studierende der eingeladenen Akademie der Bildenden Künste München hatten sich jedenfalls dagegen entschieden. Sie nahmen nicht teil, weil die Konzernstrategie Bayers eben umstritten sei, wie ihr Tutor David Borgmann beim Besuch in Leverkusen erklärte.

Und tatsächlich: Wenn Dinge wie Umweltschutz und gesellschaftliche Verantwortung immer häufiger auf der Agenda der Menschen stehen, kann etwa ein Deal wie der mit dem umstrittenen Saatguthersteller Monsanto durchaus dafür sorgen, dass Abstand genommen wird. Laut Borgmann soll es zu diesem Thema demnächst auch eine große Diskussionsrunde an der Münchener Akademie geben.

„Mir fehlt da oft der Diskurs”

Es wäre eine Diskussion, die weder Helfrich noch Bayer-Kuratorin Andrea Peters neu ist. Im Gegenteil. „Dass es Künstler gibt, die nicht zu uns kommen, halte ich für völlig normal und richtig“, sagt Helfrich. „Ich akzeptiere es in jedem Fall, wenn jemand sagt: Da fühle ich mich nicht wohl.“ Dies sei eine Haltung, die man als Künstler haben könne. Ihm gebe – auch vor dem Hintergrund anderer Kooperationsanfragen – eher eine andere Sache zu denken: „Mir fehlt da oft der Diskurs. Dass man sich zusammensetzt und fragt: Weshalb wollen wir zusammenarbeiten?“

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Wenn dieser Diskurs fehle, dann stünde am Ende nämlich häufig nur der „Reflex“ des Künstlers: „Großer Konzern – egal welcher – gleich schlechter Einfluss. Ich sehe mich in meiner Integrität als Künstler verbogen. Deswegen mache ich es nicht. Das ist die Freiheit der Kunst.“

Genau dies sei aber nur eine Behauptung. „Ich glaube, Kunst ist nie frei. Auch eine vom Staat geförderte nicht“, sagt Helfrich. „Ich bin letztlich nur dann frei, wenn ich mich wirklich von allen Einflüssen freimache. Und ich weiß nicht, wem das gelingt.“

Auch Peters hat zuletzt durchaus einen Trend des verstärkten kritischen Hinterfragens ausgemacht: „Das Bewusstsein schon bei jüngeren Künstlern für diese Themen hat zugenommen. Ja.“ Auch das Gebaren von Konzernen würde heutzutage „schneller hinterfragt“, weil alles „medienwirksam präsenter“ sei. „Dadurch ist der Druck auf die Künstler von außen natürlich gestiegen.“

„Glaubwürdig bleiben”

Von ihnen werde gefordert, schon sehr früh eine klare Haltung zu entwickeln. Und Helfrich betont, dass er den Künstlern diese auch absolut zugestehe. Mehr noch: Dass er ihnen diesbezüglich zur Seite stehe und schon von sich aus gerne die Sinnfrage stelle: „Seid ihr sicher, dass ihr mit uns arbeiten wollt?“ Und das nicht, weil eine künstlerische Haltung vielleicht kritisch sei. Sondern weil es darum gehe, „glaubwürdig zu bleiben“.

Thomas Helfrich, Bayer-Kultur 

Thomas Helfrich, Bayer-Kultur 

Er nennt ein Beispiel: „Ich hatte das Problem mit einer ehemaligen Studienkollegin. Ich hatte sie gefragt, ob sie ein Theaterstück für uns schreiben wolle.“ Ihre Reaktion: „Da kann ich ja nicht schreiben, was ich will. Zumindest nichts zu den Machenschaften der Pharmakonzerne.“ Die Antwort des Kulturchefs: „Du kannst natürlich schreiben, was du willst. Aber in diesem Fall stellt sich die Frage, ob das schlau ist, denn: Ich glaube nicht, dass es die größtmögliche Entfaltung hätte, wenn du es dann bei uns aufführst. Es wäre zu durchschaubar.“ Anders ausgedrückt: Die Glaubwürdigkeit hätte gefehlt. Ein Theaterstück in Kooperation mit Bayer gegen Bayer? Keine Chance.

Helfrich habe daher vorgeschlagen, sich dem Thema anders zu nähern – und darüber zu schreiben, was Kapital mit einer Gesellschaft mache. „Dann bin ich doch sofort dabei“, sagt er.

Was macht die Unabhängigkeit aus?

Letztlich, erklärt Peters, sei es ja so: Ein Künstler, der sich von vorneherein einer Förderung aus der Privatwirtschaft verweigere, laufe Gefahr, das, was er sich vorgenommen habe, nicht umsetzen zu können. „Wir leben nun einmal in einer materiellen Welt. Böse ausgedrückt: Niemand wird mir etwas schenken, nur weil ich mich unabhängig gemacht habe. Und dann sind wir eben wieder beim sprichwörtlichen „Nebenjob Taxifahren“.

Vielleicht doch der Förderantrag?

Macht einen das unabhängig? Ich sage: Es kostet viel Zeit. Vielleicht ist da der Förderantrag doch der bessere Weg.“ Zumal es ja so sei: „Wenn ich meine Arbeit zur Diskussion stellen will, dann brauche ich Öffentlichkeit. Ich kann dann zwar eine Einladung wie die von Bayer ausschlagen. Aber: Muss ich dann nicht auch die des nächsten Kunstvereines ausschlagen, der Sponsoren wirbt? Muss ich warten, bis ich in einer Museumsausstellung bin? Und: Welche Sponsoren fördern wiederum diese Museumsausstellung?“

Helfrich: „Ich bin absolut gegen dieses Pragmatische des „Das haben wir immer so gemacht“. Aber: Extrem großartige Kunststätten und -schätze sind erst entstanden, weil es Kunstförderung gab. Wie arm wäre die Welt, wenn das nicht passiert wäre?“ Ganz klar: „Wir müssen in den Diskurs gehen. Es muss ein gemeinsamer Prozess sein.“

Künstler Mischa Kuball: Auseinandersetzung mit Sposoring

Kultursponsoring durch einen Konzern wie Bayer kennt auch Mischa Kuball. Der bildende Künstler war 2017 mit seinen Studierenden der Kunsthochschule für Medien Köln bei der Bayer-Kultur zu Gast. Und auch er habe in den letzten Jahren überall eine deutlich höhere Aufmerksamkeit bezüglich der Fragen „Wer ist denn da der Förderer? Und womit verdienen die ihr Geld?“ registriert. Das sei vor der damaligen Ausstellung unter dem Titel „Urban Stage“ genauso der Fall gewesen: „Alle, die daran teilnahmen, hatten sich im Vorfeld mit der Frage beschäftigt: Wie gehen wir damit um, dass ein Konzern, der uns einlädt, ein Global Player ist, aber eben auch diesen Kulturstandort hat?“

Zwei Projekte seiner Gruppe hätten sich denn auch kritisch mit genau dieser Rolle des Konzerns auseinandergesetzt – zu einer Zeit der Anbahnung zwischen Bayer und Monsanto. Indes: „Es wurde seitens der Bayer-Kultur nie in Frage gestellt, dass eine Arbeit, die sich kritisch mit dem Konzern beschäftigt, gezeigt werden darf.“ Das spreche für ein „hohes Maß an Selbstreflexion“ – und sicherlich auch für den von Helfrich geforderten Diskurs. (frw)

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