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LaborZu Besuch bei Synlab

Lesezeit 4 Minuten

Gibt es Auffälligkeiten bei den Blutproben, wird direkt mit dem betreffenden Krankenhaus telefoniert. Zeit zählt und das macht sich auch in den Gesundheitskosten bemerkbar.

Schlebusch – Sie heißen Baba, Ali oder Bert. Sie sind bienenfleißige Roboter, die im Sekundentakt Röhrchen zur Blutuntersuchung in gelochte Kunststoffklötze sortieren. Die Ermittlung der Leberwerte kostet so nur 50 Cent, die der Fette 1,50 Euro. Die Belegschaft des Leverkusener Großlabors Synlab an der Paracelsusstraße hat den Robotern die lustigen Namen gegeben. Sogar den Kühlschrank sprechen die Mitarbeiter mit „Klaus“ an.

Es ist aber eine offenbar zwiespältige Beziehung zur Technik. Denn einerseits erleichtert sie die Arbeit, anderseits steigert sie das Tempo. Der 24-Stundenservice gilt an sieben Tagen. Trotzdem sind 75 Mitarbeiter aus Verwaltung, Labors und Haustechnik nun ganz aus dem Takt – ihnen wurde gekündigt. Häufig stehen Autos mit dem Augsburger Firmenkennzeichen A-SY vor dem Hochbau im Leverkusener Gesundheitspark. Augsburg ist der Hauptsitz des Unternehmens und von dort aus wird fortan auch größtenteils die Abrechnung gemacht.

Die beiden Geschäftsführer Gregor Rothe und Erik Vossius-Irshaid betonen, dass der Standort Leverkusen nicht geschwächt und nach wie vor der größte sei. Stärken habe Synlab in seltenen Krankheitsbefunden. Die Entlassungswelle sei unumgänglich gewesen. Doppelte Abteilungen rechneten sich nicht.

„Wir haben eine schwierige Periode durchlaufen und sehr viel sehr schnell angefasst. Aber es ist besser so, als scheibchenweise“, sagt Rothe. In diesem Jahr wird noch ein neues Laborinformationssystem eingeführt, das Synlab noch flexibler machen soll.

Danach wird laut Rothe auch die letzte Abrechnungsabteilung innerhalb der Buchhaltung, die bislang auf alter EDV arbeitet, nach Augsburg abgegeben. 2014 verspricht Rothe, sei die Umstrukturierung abgeschlossen. Gesundgeschrumpft will das Unternehmen in neuen Sparten investieren.

Wachstum zeichnet sich bei Wasseruntersuchungen ab, nachdem es seit 2011 eine neue Trinkwasserverordnung gibt. Standen früher vor allem die Krankenhäuser in der Pflicht, regelmäßig Wasseranalysen durchführen zu lassen, gilt dies nun generell für Immobilien mit großer Warmwasserbereitungsanlage. Synlab prüft auf Legionellen. Aus dieser Quelle fließt eine Menge Geld.

Als einen Grund für die Kündigungen nannte die Geschäftsführung im Herbst die Gebührenreform für Labordienstleistungen. Im ambulanten Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Krankenhausversorgung sei mit einem Einnahmenverlust von mehr als 16 Prozent zu rechnen. „Für uns ist die Mischkalkulation von Privat- und Kassenpatienten extrem wichtig. Nur mit Kassenpatienten kann ein Labor nicht mehr existieren“, sagt die organisatorische Leiterin Sabine Pöttgen.

Täglich gehen in Leverkusen rund 10 000 Aufträge ein. Mit bundesweit 400 Krankenhäusern und zahlreichen niedergelassenen Ärzten hat Synlab Verträge. Sobald die Proben bei der Laborfirma ankommen, muss alles ganz schnell gehen. Beim Auspacken der Boxen beginnt bereits das Sortieren, das sich bis in die Labors fortsetzt. Das Team von Britt Hornei, Fachärztin für Mikrobiologie und Virologie, startet um sechs Uhr morgens. Das Blut wird zur Diagnose in kleine Flaschen gezogen, auf deren Boden ein Indikator die CO2-Produktion anzeigt – ein Anzeichen, ob die Blutkultur positiv wächst. Danach werden bis zu 180 Proben in den Bactec eingelagert, einen Schrank für das automatisierte Blutkultursystem.

Ergebnisse gibt es bereits nach anderthalb Tagen. „Das ist wesentlich schneller, als bei den früheren Platten“, sagt Hornei. Wurden die Leukozyten früher unter den Mikroskop einzeln gezählt, brauchte es für ein Blutbild zwei Stunden. Heute werden 120 Blutbilder in einer Stunde automatisch gezählt. Schnelle Analysen sind im Gesundheitssystem immer wichtiger, weil auch der Krankenhausaufenthalt mittlerweile kürzer ist als noch vor einigen Jahren. Die teureren Schnelltests werden unter anderen bei den Multiresistenten Erregern gemacht, damit die Ärzte einer Klinik innerhalb weniger Stunden Klarheit haben, wie sie reagieren sollen. „Das ist auch ein Kostenfaktor“, sagt Hornei. Im Labor gibt es dafür einen Nachtdienst.

Streng sind die Vorschriften bei der Hygiene. Abfälle werden nicht in Säcken oder Körben gesammelt sondern in verklebbaren Containern, so genannten Joghurtbechern, die im Ganzen gewogen und entsorgt werde. Urin- und Stuhluntersuchungen kommen im Großlabor unter das Mikroskop. Es gibt einen Allergieplatz, aber auch Bauschutt, Lebensmittel oder gar Asphaltuntersuchungen sind unter den Aufträgen. Bis zu zehn Jahre werden die Daten laut Pötten aufbewahrt. Im vergangenen Jahr ist Tierärztin Claudia Bilzer mit ihrem Team von der Köln-Rodenkirchener Zweigstelle nach Leverkusen gewechselt. Der Veterinärbereich, den sie vor 20 Jahren im damaligen Labor Lempfried und Lembke aufgebaut hatte, wurde bereits 2004 an Synlab verkauft. „Damals war Synlab noch klein und überschaubar“, sagt sie. Durch die Zukäufe sei das Unternehmen aber auch schlagkräftiger geworden. Es sei das drittgrößte Labor am internationalen Markt. Auch in der Tiermedizin betritt man neues Terrain, unter andern in Belgien, und auch der osteuropäische Markt entwickle sich. Mittlerweile werden sogar Proben von erkrankten Meerschweinchen oder Hamster eingeschickt.

Gegen den Vorwurf, das Großlabor arbeite wie am Fließband, wehrt sich Bilzer. „Hier gibt es einen sorgfältigen Umgang mit jeder einzelnen Probe“, sagt sie.

Sie selbst habe wenige Stunden zuvor noch einen ganz speziellen Fall auf dem Tisch gehabt: Eine Zecke, die eine Pythonschlange gebissen hatte. Bilzer blieb ratlos. Zwar konnte sie die Art der Zecke einkreisen, aber bei insgesamt 250 Unterarten war sie überfragt. „Das habe ich an das parasitologische Institut weitergegeben.“