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Ensemble „crazy freilach“Leverkusener unternahmen emotionale Konzertreise nach Israel

Lesezeit 3 Minuten
Die Klezmer-Band crazy freilach.

Mit dem Leverkusener Stadtwappen und viel Musik im Gepäck: Die Mitglieder von crazy freilach beim Empfang in der Leverkusener Partnerstadt Nof HaGalil (hinter der Flagge links ist Julian Hilgert, rechts ist Simon Boos).

Die Mitglieder des Leverkusener Klezmer-Ensembles „crazy freilach“ besuchten Israel und gaben dort elf Konzerte in elf Tagen.

Die Klezmer-Musik als Volksmusik Israels hat in Leverkusen eine lange Tradition. Hier wurde sie schon in den 1990er Jahren häufig gespielt – weil sie seinerzeit in der Musikschule an der Friedrich-Ebert-Straße unterrichtet wurde und den Lehrplan prägte.

Verantwortlich dafür war von Beginn an der ehemalige, 2021 ausgeschiedene, Musikschulleiter Jürgen Ohrem, der seinen Schülerinnen und Schülern Klezmer nahebrachte und seit jeher enge Kontakte nach Israel knüpfte und unterhielt – nicht zuletzt ob der Städtepartnerschaft zwischen Leverkusen und der dortigen Stadt Nof HaGalil (ehemals Nazareth-Ilith).

Stadt und Bürgestiftung waren mit im Boot

Eine Besonderheit, die aus dieser engen Verbindung hervorging, ist dabei das Ensemble „crazy freilach“ (die kleinen Anfangsbuchstaben sind essenziell). Dessen Mitglieder sind Simon Boos (Klarinette), Emma Fridman (Violine), Julian Hilgert (Gitarre), Daniel Hessel (Kontrabass) und Jeannine Engelen (Gesang). Alle Musikerinnen und Musiker hatten bei Ohrem Unterricht, taten sich Ende der Nullerjahre zusammen. Und spielten seitdem bereits zig Konzerte, in denen sie den Menschen den Klezmer nahebrachten. Auch international. Und das zuletzt erst, als es im April für „crazy freilach“ für elf Tage in die Heimat „ihres“ Genres ging: nach Israel. 

Organisiert unter Beteiligung der Stadt, der Bürgerstiftung Leverkusen und des Freundeskreises Leverkusen/Nof HaGalil spielte das Quintett elf  Konzerte an verschiedenen Orten. Zwar sei „jedes einzelne davon ein Erlebnis, dessen Eindrücke bleiben werden“ gewesen, sagt Simon Boos. Doch drei Auftritte stachen heraus: die in Seniorenheimen, in denen Überlebende des Holocaust leben. Und das vor einem Holocaust-Mahnmal am Holocaust-Gedenktag, der stets am Abend des 17. April beginnt und bis zum Abend des 18. April dauert.

Die Klezmer-Band crazy freilach vor Zuschauern.

Die Klezmer-Band crazy freilach gibt eines von sieben Konzerten in Israel.

Intensive Gespräche mit den Menschen

Es sei zuerst ein seltsames Gefühl gewesen, vor Menschen zu spielen, die auf direkte Weise mit von den Nazis an Jüdinnen und Juden verübten Gräueltaten verknüpft waren und immer noch sind. Einige der Bewohnerinnen und Bewohner hätten den Gästen aus Deutschland ihre Erlebnisse berichtet und ihre Geschichte erzählt. „Viele haben uns auch gefragt, wie wir darauf gekommen seien, ausgerechnet Klezmer zu spielen“, erinnert sich Julian Hilgert.

Aber: Es sei alles „unglaublich herzlich“ vonstattengegangen. Und emotional wie intensiv in jeder Hinsicht. Von dicken Klößen im Hals der „crazy freilachs“. Bis hin zu alten Menschen, die plötzlich anfingen zu tanzen. „Wir haben einmal mehr – und vor allem besonders stark – gemerkt, wie verbindend Musik ist“, sagt Simon Boos.

Zudem sei da diese Freude, dieses Glück und dieser Stolz, von den Menschen in Israel letztlich zu der Feier des Gedenktages eingeladen worden zu sein, um neben einem in der Stadt Netanya aufgestellten Viehwaggon, der früher Jüdinnen und Juden in die Todeslager der Nationalsozialsten transportiert hatte, zu spielen. „So etwas vergisst man nicht“, betont Simon Boos.

Die Klezmer-Band crazy freilach.

Das Ensemble trat auch am Holocaust-Gedenktag auf - vor einem Holocaust-Mahnmal, einem alten Viehwaggon, mit dem im Dritten Reich Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager deportiert worden waren.

Besuch bei einem alten Freund

Ebensowenig wie den kurzfristigen Besuch bei Schlomo Lemberg. Der war mal Mitarbeiter des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten in Nazareth-Ilith – und hatte damals die ersten engen Kontakte mit Jürgen Ohrem und Leverkusen geknüpft. Als er die jungen Musikerinnen und Musiker aus der Stadt seiner deutschen Freunde vor der Haustüre stehe sah, bat er sie umgehend zu sich hinein - und am Ende stand „ein Treffen, bei dem wir viel gelacht habe“, wie Julian Hilgert sagt. Und das, obwohl nur knapp 20 Minuten Zeit gewesen sei.

Wie auch immer: Diese Tage in Israel seien für „crazy freilach“ als Band und Musikensemble „unheimlich wertvoll, aufwühlend und schön“ gewesen. Und ebenso für die Menschen Simon Boos, Emma Fridman, Julian Hilgert, Daniel Hessel, Jeannine Engelen sowie Maren Lühring, die die Truppe als Fotografin und Dokumentatorin begleitete.