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„Start-Festival“ in LeverkusenEin Konzert für fast alle Sinne

Lesezeit 2 Minuten
Anthony Roth Costanzo im Erholungshaus

Fähig zu allem: Anthony Roth Costanzo auf der Bühne im Erholungshaus 

Im Erholungshaus gastiert der amerikanische Countertenor Anthony Ross Costanzo und beschert Leverkusen einen Abend, der auf lange Zeit hinaus einzigartig bleiben wird.

Um zu sehen, dass dieser Gast ein besonderer ist und sein Auftritt einer der bemerkenswertesten werden wird, die in dieser Stadt zuletzt sehen gewesen sind, braucht es nur wenige Augenblicke. „Augenblicke“ m Sinne des Wortes. Anthony Ross Costanzo, Countertenor aus den USA, wo er ein Supertstar und regelmäßiger Akteur an der New Yorker Met ist, steigt ein ins Konzert. Klare, helle, intensive Stimme. L'arte Del Mondo, Orchestra in Residence der Bayer-Kultur, spielt. Und im Hintergrund der Bühne, über allem thronend, entrollen sich Videos und leiten hinein in einen Genuss, der Augen und Ohren, die wichtigsten Sinne, triggert.

Händel, Glass, Byrne

Costanzos Konzept des Durchmischens von Händel-Arien, der Minimal-Music eines Philip Glass, Texten von Songwritern wie David Byrne (Talking Heads) und Videokunst aus der Hand von absoluten Choryphäen des kunstvollen Filmgeschäfts ist wuchtig überwältigend und maximal ästhetisch. Und international derart einzigartig und bahnbrechend, dass die Ansprachen und kurzen Erklärungen des Sängers vor jedem Stück, das er hier mit Hingabe und glitzernder Augen-Brosche am Hals präsentiert, ein Name-Dropping der Superlative ist: Costanzo fragte an und bekam keinen Korb unter anderem von: Hollywood-Star Tilda Swinton, dem mehrfachen Oscar-Gewinner James Ivory oder Daniel Askill, der das bis heute gut drei Milliarden mal angeklickte Video zu Sias „Chandelier“ produzierte.

Das ist eine Sensation. Und es ist gleichzeitig nicht verwunderlich, weil das, was Costanzo am Ende daraus gemacht hat, bahnbrechend in eine Klassik-Szene hinein wirkt, die solche Grenzüberschreitungen und eingerissenen Mauern der Disziplinen dringend nötig hat.  

Anthony Roth Costanzo& I`arte del mondo

Tollende Hunde, Sci-Fi-Videos, Pop-Art: Über allem flirrten Videos aus der Hand von Choryphäen des Filmgeschäfts.

Geschichten auf der Leinwand

Seine Arien schwanken im Zusammenspiel der Musik zwischen Melodramatik, Melancholie, tiefer Tragik, Aufbegehren, ein wenig Heiterkeit und offener Rasanz. Vor den Augen der Zuschauenden werden Geschichten von wankenden Rittern, herumtollenden Hunden, wütend und leidenschaftlich Tanzenden, Sci-Fi-Kämpfen und -Friedensschlüssen zwischen Mensch und künstlicher Intelligenz, Pop-Art-Exzesse, dystopische Welten zwischen Shakespear und Dalí entfaltet. Höhepunkt ist eine minutenlange Close-Up-Aufnahme des weiß geschminkten Gesichts von Schauspielerin Marisa Tomei, über das am Ende Tränen rollen.

Das ist derart ergreifend und in Musik wie Gesang hineinziehend, dass man am Ende nie wieder ein Konzert ohne dieses Zusammenspiel erleben möchte. Wird nicht gelingen. Zeigt aber, zu was dieser Gast des Abends beim „Start-Festival“ der Bayer-Kultur fähig ist. Und ist am Ende eine Erlebnis, das in dieser Stadt auf lange Zeit hinaus einzigartig bleiben dürfte.

www.startfestival.de