Nach SprengunfallGegen sieben Beschäftigte von Dynamit Nobel in Leverkusen wird ermittelt

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Das Werk von Dynamit Nobel auf dem Hügel über Schlebusch

Der schwere Unfall im abgeschieden gelegenen Werk von Dynamit Nobel hat auch ein strafrechtliches Nachspiel.

Der Vorfall, der Achim Cladders beinahe das Leben gekostet hat, ist juristisch noch nicht aufgearbeitet.

Wie kommt er da raus? Nach dem schweren Sprengunfall kämpft Achim Cladders darum, nicht mehr zu Dynamit Nobel zurück zu müssen. Zu sehr hat ihn der schwere Unfall am 15. September 2020 mitgenommen. Er schwebte in Lebensgefahr, nachdem er auf Geheiß seines Vorgesetzten drei Flaschen, in denen je zwei Liter des selbstentzündlichen Lösungsmittels CHS Hexan viel zu lange gelagert und deshalb gefährlich geworden waren, sprengen sollte. Dabei fing eine der Flaschen ohne Cladders’ Zutun Feuer. Seine Beine verbrannten.

In der Klageschrift, die sein Rechtsanwalt Peter Orlowski für das Arbeitsgericht verfasst hat, wird das dramatische Ereignis nebst seiner Vorgeschichte eindrücklich geschildert. Und es ist genau diese Beschreibung, die bei Dynamit Nobel für erhebliche Unruhe sorgt. Vor dem Arbeitsgericht stellte der Rechtsvertreter des Unternehmens die Beschreibung am Freitag als „dramatisiert“ dar. Dass Fehler gemacht wurden, sei keineswegs erwiesen. Ein Gutachten, das nach dem Vorfall im Auftrag der Kölner Bezirksregierung – sie ist die Aufsichtsbehörde für Dynamit Nobel – angefertigt worden sei, habe keine Beanstandungen ergeben.

Es geht um Geld und eine Vereinbarung

Insgesamt vier Behälter waren laut Beschreibung des Facharbeiters Cladders 15 Monate in einem Lager vergessen worden. Sie konnten nur noch durch eine Sprengung unschädlich gemacht werden. Als Cladders einen Tag vor dem Unfall dem ersten Behälter zu Leibe rückte, habe es eine extrem heftige Reaktion gegeben. Deshalb war er auch strikt dagegen, tags drauf die drei Glasflaschen dort zu sprengen, wie es Führungskräfte des Unternehmens vorhatten.  

Strafrechtlich ist der Sprengunfall auch keineswegs geklärt. Die Kölner Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren aufgenommen. „Es richtet sich gegen sieben Personen und ist noch nicht abgeschlossen“, sagte am Montag Ulrich Bremer, Sprecher der Behörde, auf Anfrage.  

Dieses Damoklesschwert hatte offenbar der Personalchef von Dynamit Nobel im Kopf, als er am Freitag vor dem Arbeitsgericht in Opladen unmissverständlich forderte, dass es eine Abfindung für Achim Cladders nur mit einer zusätzlichen Verpflichtung geben könne: Eine Zusage, „keine weiteren rechtlichen Schritte zu verfolgen“, wäre „ebenfalls wichtig.“ Sein Anwalt sah darin spontan kein Problem. Ein Passus in einem Wortlaut wie „An einer weiteren Strafverfolgung besteht kein Interesse“ könne durchaus Bestandteil der Einigung sein, so Orlowski.

Jedoch: Egal, was Dynamit Nobel und Achim Cladders vereinbaren – die Staatsanwaltschaft ermittelt. Wann die Katastrophe, die den heute 60 Jahre alten Cladders für immer gezeichnet hat, auch rechtlich aufgearbeitet sein wird, ist offen. In dieser Woche wollen die Anwälte des Unfallopfers und des Unternehmens verhandeln. Arbeitsrichterin Annegret Haves kündigte einen Vorschlag an, wie Cladders aus der Firma kommt, für die er dreieinhalb Jahrzehnte gearbeitet hat.

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