CDU-Ratsherr Frank Schönberger zieht das Defizit in Zweifel. Inzwischen ist es auf 86 Millionen Euro gestiegen.
Rettungsdienst-AffäreLebensgefährte von Leverkusens Baudezernentin will Gutachter loswerden

Die Ende August suspendierte Baudezernentin Andrea Deppe bekommt Unterstützung von ihrem Lebensgefährten, dem CDU-Ratsherren Frank Schönberger.
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In der Affäre um das gigantische Defizit bei den Rettungsdienstgebühren erhält die vor drei Wochen suspendierte Baudezernentin Andrea Deppe Beistand. Und zwar von ihrem Lebensgefährten: CDU-Ratsherr Frank Schönberger hat eine dreiteilige Anfrage an die Stadtverwaltung gestellt, in der er schwere Vorwürfe gegen den externen Gutachter erhebt. Auf dessen Feststellungen basiert der Vorwurf, Deppe habe ihre Dienstpflichten als für Feuerwehr und Rettungsdienst verantwortliche Dezernentin verletzt.
Schönbergers Vorwürfe gipfeln in der Forderung, den Auftrag an den Fachmann aus Leverkusen auszusetzen. Nur so könne „ein weiterer Ansehensschaden der Stadt Leverkusen und eine Fortsetzung eines Irrwegs bei der Erarbeitung einer neuen Satzung für die Rettungsdienstgebühren“ unterbunden werden, so Schönberger.
Wirtschaftsprüfer sollen Berechnungen unter die Lupe nehmen
Es gebe „offensichtliche Abweichungen der in Rede gestellten Zahlen von realistischen Werten“, meint der Christdemokrat, der 2020 noch Oberbürgermeister von Leverkusen werden wollte. Aus seiner Sicht müssten Wirtschaftsprüfer die Feststellungen des Gutachters unter die Lupe nehmen.
Der Gutachter war bisher davon ausgegangen, dass über die Jahre ein Minus von gut 78 Millionen Euro entstanden ist. Am Montag wurde im Rechnungsprüfungsausschuss allerdings klar, dass der Fehlbetrag noch höher ausfällt: Die Vorsitzende des Gremiums, Milanie Kreutz (SPD) sagte auf Anfrage, dass die jüngsten Berechnungen unterm Strich ein Minus von 86 Millionen Euro für die Jahre seit 2019 ergeben.
Ermitteltes Defizit soll „gegen Denkgesetze“ verstoßen
Ein Betrag, den Schönberger für noch „absurder“ halten muss. Das bisher ermittelte Defizit von über 78 Millionen Euro im Rettungsdienst der Stadt Leverkusen verstoße „gegen Denkgesetze“, findet der Lebensgefährte der geschassten Baudezernentin in seiner nicht öffentlich gestellten Anfrage. Sie liegt, wie auch die Antwort der Stadtverwaltung, dem „Leverkusener Anzeiger“ vor.
Das mit der Deppe-Suspendierung von Oberbürgermeister Uwe Richrath eingesetzte Kernteam im Rathaus, das die gigantische Fehlkalkulation aufarbeiten soll, kann die Vorwürfe und Behauptungen Schönbergers in keinem Punkt nachvollziehen. Die vom externen Berater ermittelten Zahlen seien in der Verwaltung „auch durch eigene Ermittlungen plausibilisiert“ worden.
Kosten waren im Schnitt nur zu 59 Prozent gedeckt
Danach gab es bei den Rettungsdienstgebühren in Leverkusen zwischen 2018 und 2023 nur einen durchschnittlichen Deckungsgrad von 59 Prozent. Daraus „ergibt sich, dass die Berechnung des Beraters schon bei überschlägiger Betrachtung korrekt ist“. 2018 habe das Defizit nur bei knapp 330.000 Euro gelegen: die Kosten für den Rettungsdienst lagen bei knapp 12,9 Millionen Euro.
Im Jahr darauf tat sich hingegen ein erster Abgrund auf. 13,9 Millionen Euro Kosten standen Gebühreneinnahmen von rund sechseinhalb Millionen Euro gegenüber. Das ergibt ein Defizit von ungefähr 7,4 Millionen. 2020 wurden für den Dienst 18 Millionen Euro fällig. Dem standen Gebühreneinnahmen von gut 5,5 Millionen Euro gegenüber, was eine Unterdeckung von etwa 12,5 Millionen Euro macht. 2021 ergab sich ein Minus von 4,4 Millionen, 2022 eines von gut zehneinhalb Millionen und 2023 eines von 11 Millionen Euro. 2024 ist nach Angaben der Stadtverwaltung noch nicht abgerechnet. Dafür stehen die Kosten einigermaßen fest. Sie liegen bei 28 Millionen Euro. Die Gebühreneinnahmen dürften etwa halb so groß sein.
Profit für den Bauträger werden die Kassen kaum bezahlen
Allein daraus ergibt sich ein Defizit von in Summe 56,6 Millionen Euro. Dazu kommen weitere Kosten durch die Fehleinsätze. Ob es bei dem Defizit von 86 Millionen bleibt, sei ebenfalls nicht sicher, heißt es aus dem Rathaus. Weitere Unwägbarkeiten seien „noch gar nicht eingepreist“. Es sei nämlich fraglich, ob die Krankenkassen bereit sind, die anteiligen Kosten der 2020 in Betrieb gegangenen neuen Feuerwache an der Edith-Weyde-Straße zu übernehmen: Denn die hat die Stadt ja nicht selber gebaut, sondern bauen lassen und für 25 Jahre zurückgemietet. Der Gewinn für den Baukonzern werde wohl eher nicht von den Krankenkassen übernommen, ist derzeit die Hypothese im Rathaus. Allein das könne eine Million Euro im Jahr kosten, auf denen die Stadt sitzen bleiben dürfte.
An den neuen Berechnungen des externen Gutachters bestehe kein Zweifel, heißt es zusammenfassend. Die Unterschiede zwischen den Berechnungen, die unter Andrea Deppe angestellt wurden und den aktuellen „ergeben sich im Wesentlichen aus dem Umstand, dass nunmehr eine kostendeckende Rettungsdienstgebührenkulation zu Grunde gelegt wird“. In der ersten Berechnung seien „wesentliche Mängel festgestellt worden“, so die Eingreiftruppe, die unter Leitung von Sozialdezernent Alexander Lünenbach steht und vom Fachbereich Finanzen unterstützt wird.