In der Wiesdorfer Buchbinderei Lang wird ein uraltes Handwerk gepflegt.
Ungewöhnliche BerufeIn der Leverkusener Buchbinderei Lang werden Titel per Hand geprägt

Norbert Herold beim Prägen des Buchtitels
Copyright: Jessy Schmidt
Manche Berufsbilder sind bereits sehr alt und in ihrer Art nicht mehr alltäglich, weil sie sich um Produkte drehen, die heute meist maschinell hergestellt werden. Die Buchbinderei gehört dazu. Ihre europäische Geschichte begann in den Klöstern, da dort die ersten Bücher geschrieben wurden. Ab dem 12., 13. Jahrhundert entwickelte sich die Kunst auch zum bürgerlichen Handwerk. Mit der Einführung des Buchdrucks vor der Wende zum 16. Jahrhundert erlangte die Buchbinderei immer mehr Ansehen und der Bedarf stieg an.
Im Jahr 2025 ist der Bedarf an per Hand gebundenen Büchern auf ein Minimum gesunken. Am 1. April 2021 wurde die Buchbinderei ins bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, was zeigt, dass die Weitergabe dieser alten Handwerkskunst schützenswert ist, aber auch, wie selten dieses Berufsbild geworden ist.
Leverkusen: Traditionshandwerk ist in Wiesdorf zu finden
In Leverkusen ist das Traditionshandwerk jedoch noch zu finden. In der Buchbinderei Lang werden seit über 60 Jahren Fachmagazine gebunden, Bücher repariert oder auch Sammelschuber nach individuellen Maßen angefertigt. Auch zerlesene Taschenbücher bekommen hier, auf Wunsch, einen neuen, festen Einband. Die Werkstatt liegt nur ein paar Meter vom Ladengeschäft in der Lichstraße 14 in Wiesdorf entfernt. Betritt der Besucher die Räume, steht er zunächst vor einem Arbeitsbereich, in dem es ums Rahmen von Bildern geht.
Das ist Bestandteil der Buchbinderausbildung – eine verlässliche Einnahmequelle für die Buchbinderei und seit jeher auch Bildeinrahmung Lang. Die Bücher werden im hinteren Teil der Werkstatt gebunden. Auf einer Ablagefläche türmen sich sorgsam sortierte Fachmagazine verschiedener Jahrgänge übereinander. Die Buchdeckel stehen markiert daneben. Es gibt immer noch Anwaltskanzleien, die den Bindeservice gerne in Anspruch nehmen. Aber auch das lässt nach. Vieles wird inzwischen digital abgelegt.

Josefine Kittel trägt den Leim auf das Papier auf.
Copyright: Jessy Schmidt
Josefine Kittel, seit einem Jahr ausgebildete Buchbinderin, ist dabei, den Sammelband einer Steuerkanzlei zu binden. Sorgsam sortiert liegt die Literatur eines Jahres vor ihr. Um die Fachzeitschriften genau zu binden, müssen sie zunächst am Rücken aufgeschnitten werden. Dafür werden sie in eine Maschine, den Planschneider gelegt, die Papierseiten auf den Milimeter-genau schneiden kann. Im nächsten Schritt werden sie in ein mechanisches Gerät eingespannt (Lumbeckgerät) und der Buchblock, so nennen sich die nun ungebundenen Seiten, wird aufgefächert und dann mit einer Leimschicht versehen. Um die Seiten zu verbinden, wird nun eine Gaze aufgebracht, die mit einem Falzbein angedrückt und glattgestrichen wird.
Durch diesen Arbeitsschritt wird auch der Leim gleichmäßig verteilt. Nun muss er antrocknen, was je nach Temperatur schonmal ein paar Stunden dauern kann. Dafür wird der Buchblock beschwert und zur Seite gelegt. Im nächsten Schritt werden die Seiten am Planschneider auf Endmaß beschnitten, schließlich in einer weiteren Maschine gerundet und dann mit dem Einband versehen. Während sich Kittel die nächsten Magazine vornimmt, um sie mit Leim und Gaze zu versehen, arbeitet Buchbindermeister Norbert Herold an einem edlen Einband für ein vielgelesenes Taschenbuch.

Norbert Kittel mit dem fertig gebundenen Buch
Copyright: Jessy Schmidt
Der alte Einband war bereits beschädigt. Das Buch soll einen neuen, edlen bekommen. Die ersten Arbeitsschritte sind die gleichen wie bei den Fachmagazinen. Mit der Gaze wird aber noch ein Lesezeichenbändchen eingeklebt. Der Buchdeckel ist mit rotem Leinen überzogen. Der Titel und der Autor werden mit der Hilfe von Goldfolie auf den Deckel aufgebracht. Jeder Buchstabe wird einzeln in die Prägemaschine gesetzt, ganz wie zu Gutenbergs Zeiten.
Herold geht mit Bedacht vor. Vor jedem Schritt macht er eine Probeprägung, um mögliche Fehler zu erkennen. Der Beruf erfordert Feinmotorik, Geduld, Genauigkeit. Der kleinste Fehler kann ein Buch ruinieren, den neuen Einband unbrauchbar machen. Weiter sind Aufnahmefähigkeit, technische Begabung, handwerkliches Geschick, mathematisches Verständnis und Flexibilität erforderlich. Herold ist seit 47 Jahren im Beruf. „Und trotzdem gibt es immer noch Herausforderungen, die ich zum ersten Mal mache“, erklärt er. „Der Beruf wird nie langweilig.“
Wie alte Bücher gerettet werden
Ein besonderes Gebiet der Buchbinderei ist die Restaurierung alter Bücher. Da werden sie schonmal komplett auseinandergenommen, aufwendig gereinigt, herausgerissene Stellen werden ausgebessert oder eine Buchseite aufgespalten, um eine unterstützende Schicht in eine Seite einzubringen. Die Reparatur eines Buches ist ähnlich, aber nicht so aufwendig. Buch-Restauratoren müssen eine Weiterbildung absolvieren, um sich so nennen zu dürfen.
Serie „Ungewöhnliche Berufe“
In loser Reihenfolge stellt der „Leverkusener Anzeiger“ Berufe vor, die man nicht oder nicht mehr so häufig findet. Die Redaktion gibt Einblicke in traditionsreiches Handwerk und Fähigkeiten, die heute nur noch für wenige Berufe benötigt werden. (nip)