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Adventskochen soll Sichtbarkeit  schaffenJedes fünfte Kind in Leverkusen ist von Armut betroffen

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Adventskochen des Netzwerks gegen Kinderarmut am 6. Dezember 2025.

Die Prominenz in der ersten Reihe, die Kinder in der zweiten Reihe: Am Samstag kochten Leverkusener Politiker in der Wiesdorfer Rathaus Galerie, um auf Kinderarmut aufmerksam zu machen.

Mit einer Kochshow  machte das Netzwerk Kinderarmut darauf aufmerksam, wie verbreitet das Phänomen tatsächlich ist – ein Thema, das viele unterschätzen.

5901 von 29.461 Kindern in Leverkusen sind von Armut betroffen – das sind 20 Prozent, jedes fünfte Kind. In manchen Stadtteilen liegt der Anteil sogar bei bis zu 50 Prozent. Das Netzwerk Kinderarmut setzt sich seit 2009 mit verschiedenen Projekten für die Sichtbarkeit des Themas ein und leistet den betroffenen Familien Hilfestellung. 

So machen sie mit ihrem jährlichen Adventskochen in der Wiesdorfer Rathaus-Galerie auf das Thema aufmerksam. Politiker und Unternehmer aus Leverkusen, außerdem der Kabarettist Jürgen Becker kochen am Samstagmittag für die Passanten. Bei einem kostenlosen Salat kann man über das Thema ins Gespräch kommen.

Oberbürgermeister Stefan Hebbel, der auch mitkocht, eröffnet die Veranstaltung. Er komme häufig mit Kinderarmut in Berührung, sagt er Moderator Raphael Gaede: „Überall dort, wo wir Angebote für Kinder und Jugendliche schaffen, sehen wir auch Kinderarmut.“ Trotz Haushaltsdefizit seien bei ihm die betroffenen Kinder „in der Priorität ganz weit oben“. Er gibt aber auch offen zu, dass die Stadt keinen Raum für viel Neues habe. Aber das, was es bereits gebe, wolle er auf jeden Fall erhalten.

Oberbürgermeister Stefan Hebbel beim Adventskochen des Netzwerks gegen Kinderarmut im Dezember 2025.

Oberbürgermeister Stefan Hebbel eröffnete die Veranstaltung.

Zum vierten Mal kochen prominente Gäste in diesem Jahr gemeinsam mit den Kindern – die Prominenz steht in der ersten Reihe, die Kinder in der zweiten. Auch wenn vor der Kochshow eine Spendenbox aufgestellt ist, erklärt Reiner Hilken vom Netzwerk Kinderarmut, dass es an diesem Samstag nicht um das Spenden gehe – sondern um das Informieren, das Aufmerksam-Machen. Das sollte auf jeden Fall funktionieren: An einem Samstag in der Vorweihnachtszeit passierten 50.000 Menschen die Rathaus-Galerie, berichtet Center-Manager Frederik Schmälter.

Ein gut geeigneter Ort für dieses Vorhaben also. Hier spricht unter anderen Rudi Müller vom Netzwerk die Besucherinnen und Besucher an. Er lässt die Leverkusenerinnen und Leverkusener schätzen, wie viel Prozent der Kinder in der Stadt von Armut betroffen seien. „Von fünf bis 90 Prozent ist die Wahrnehmung sehr unterschiedlich – das kommt aber eben auch sehr stark auf das Umfeld an“, sagt Müller.

Netzwerk Kinderarmut Leverkusen macht deutlich: Armut isoliert

„Ich hoffe, es sind unter zehn Prozent“, wagt eine Lützenkirchenerin eine Schätzung. „Es ist traurig, dass es so eine Veranstaltung geben muss“, sagt sie. Die Show lockt einige Besucherinnen und Besucher an: Die Leute stehen und essen, schauen beim Kochen zu, wollen ein Foto mit dem Nikolaus, der kleine Geschenke verteilt. Manche Eltern sind am Handy, während sie mit ihren Kindern auf die Nikolaus-Attraktion warten – da stellt sich also die Frage: Lenkt die Attraktion zu sehr vom Thema ab? Geht der Inhalt dahinter verloren?

Rudi Müller sagt: „Es lenkt sicherlich vom Kochen ab. Aber ich glaube, dass es die Aktion aufwertet, weil hier viel mehr Betrieb ist. Ich konnte viel mehr Eltern ansprechen, weil sie hier auf den Nikolaus warten.“ Und so verteilt die Aktiven vom Netzwerk Kinderarmut Flyer und kleine Schalen mit Salat – und die Passanten kommen mit dem Thema in Kontakt. Das Netzwerk zeigt auf: Betroffen von Armut sind Kinder von Arbeitslosen, von Alleinerziehenden, die auf Bürgergeld angewiesen sind, Kinder mit Migrationshintergrund oder Kinder mit vielen Geschwistern, wenn die Eltern wenig Einkommen haben.

Kinder, die von Anfang an nicht teilhaben können, haben keinen Zugang zur Gesellschaft
Thomas Schorn, Netzwerk Kinderarmut

Armut isoliert. Auch macht das Netzwerk deutlich. „Nichts diskriminiert so sehr wie Armut. Kinder, die von Anfang an nicht teilhaben können, haben keinen Zugang zur Gesellschaft. Der Bewegungskreis ist kleiner. Die Welt ist nicht so bunt“, erklärt Thomas Schorn vom Jobcenter Leverkusen. Man müsse bei den Eltern ansetzen, sie aus der Arbeitslosigkeit und Isolation herausholen – denn immer korrespondiert die Armut der Kinder direkt mit der ihrer Eltern.

Reiner Hilken ergänzt, man müsse bei den Familien bei der Bildung beginnen. „Das Thema Eltern- und Familienbildung können wir städtisch angehen, auf der Bundesebene braucht es aber auskömmliche Beschäftigungsverhältnisse.“