SchockanrufeSim-Karten, Chats und Fotos zeigen Ausmaß für Opfer – auch in Leverkusen

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Besser auflegen als in ein Gespräch verwickeln lassen: Opfer von Schockanrufern sollten sich nicht unter Druck setzen lassen. (Symbolfoto)

Besser auflegen als in ein Gespräch verwickeln lassen: Opfer von Schockanrufern sollten sich nicht unter Druck setzen lassen. (Symbolfoto)

Eine 24-Jährige steht vor Gericht, ihre mutmaßlichen Opfer kommen auch aus Leverkusen und Burscheid.

Screenshots von Telefonnummern, Hände voller Sim-Karten, Chatverläufe und Observierungsfotos des LKA decken vor dem Landgericht Köln auf, wie fundamental die Auswirkungen des Betrugs in Prozess um Schockanrufe sind – auch in Leverkusen und Burscheid.

Die 24-jährige Danuta K. (Name geändert) erscheint sichtlich aufgeregt, mit großen Augen und offenem Mund blickt sie hektisch im Saal umher. Sie ist angeklagt wegen ihrer Rolle in einer Bande, die Seniorinnen und Senioren durch Schockanrufe betrogen haben soll. Die Betrüger sollen zwischen April und August 2021 209.000 Euro erbeutet haben. K. habe mutmaßlich als Mittelsfrau fungiert, die Abholer und Telefonisten koordinierte und die Beute aufteilte. Sie wurde in Polen verhaftet und saß mehrere Monate in Warschau in Haft bis zur Auslieferung.

Landgericht Köln: Angeklagte stellt Einlassung in Aussicht

Vor Beginn der fortgesetzten Verhandlung um bandenmäßige Enkeltrick- und Schockanrufe zieht sich die Kammer zur weiteren Besprechung in den Hinterraum zurück. Gleich zu Beginn fragt der vorsitzende Richter Köhler den Verteidiger: „Wie sieht’s aus, ist die Angeklagte heute bereit zu einer Einlassung?“ Der Rechtsanwalt verneint – der Wille sei aber da, jedoch nicht heute.

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Die Ermittlungen nahmen schon 2021 ihren Lauf, nachdem eine aufmerksame 64-jährige Dame in Hessen die Lüge durchschaut und die Polizei kontaktiert hatte. Die Opfer wurden mit Geschichten unter psychischen Verheerungen unter Druck gesetzt. Eine 93-jährige Leverkusenerin verlor das für ihre Beerdigung gesparte Geld durch den Enkeltrick. Ein anderer 91-jähriger Zeuge hat in vorherigen Verhandlungen berichtet, wie er 21.000 Euro verlor, indem er am Telefon von Betrügern, die sich als Mitarbeiter eines Mercedes-Autohauses ausgaben, terrorisiert wurde. Beweismittel zeigen, dass teilweise über zwei Stunden am Stück auf die Opfer am Telefon eingeredet wurde.

K. schiebt die Hauptschuld auf den Abholer, der bereits zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Der deutschen Sprache nicht mächtig, spricht sich die Rumänin unregelmäßig mit einer Dolmetscherin ab. Ihr Verteidiger erklärt: „Es steht der Vorwurf im Raum, dass der Abholer nicht richtig ausgesagt hat.“ Es ergibt sich, dass deshalb ein Zeuge aus Göttingen noch mal geladen werden soll, da hier der Fallablauf eine andere Prägung habe und relevant sei.

Diebesgut der Schockanrufer auch von emotionalem Wert

Die Betrüger zeigten sich früher auf einem Gerichtsfoto bereits stolz über erbeutetes Geld und Goldbarren. Auf einem anderen Bild sind Donuts und Berliner zwischen bündelweise erbeuteten Geldscheinen zu sehen. Köhler fährt mit Richterin Kießling und zwei Schöffen mit der Vorstellung weiterer Lichtbilder aus der Akte fort: Auf einem großen Flachbildschirm werden Chat-Verläufe zwischen K. und dem bereits verurteilten Abholer aus Bergheim analysiert. Zu sehen ist unter anderem eine große Menge an Sim-Karten verschiedener Anbieter, aufgefächert in der Hand. Ein pensionierter Kölner Polizist, erklärte zuvor, dass Enkeltrick-Betrüger enorme Mengen an Sim-Karten verwenden, um ihre Straftaten zu verdecken.

Andere alte Fotos zeigen den entwendeten Schmuck von mehreren Geschädigten, teilweise schwarz-weiß Fotos aus dem Jahr 1982. Die Beute hat nicht nur einen hohen materiellen Wert – sondern wohl auch einen emotionalen, da in einigen Schmuckstücken auch Fotos von Angehörigen integriert sind. Weitere Bilder zeigten die durchsuchte Wohnung der Geschädigten, auf dem Boden die passenden leeren Schmuckschatullen.

Am 12. April soll es zu Plädoyer und Urteil kommen. Bis dahin könnten weitere Termine folgen, denn der Anspruch der Richter sei eine umfassende Beweisaufnahme auf beiden Seiten.

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