Die Christuskirche zeigt bis November die Ausstellung „Ich war ja einst schon Knabe, Mädchen, Strauch, Vogel und aus dem Meer empor tauchender stummer Fisch“.
Zwischen Mensch und KrabbeStephanie Pechs Kunst wirft in Leverkusens Christuskirche existentielle Fragen auf

Die Bonner Künstlerin Stephanie Pech stellt in der Wiesdorfer Christuskirche aus.
Copyright: Violetta Gniß
Sie spielt mit intensiven Farben, mit Körpern zwischen Tier- und Pflanzenwelt und Menschlichkeit und neben dieser Kunst, die sich jeder Zuordnung entzieht, behandelt sie existentielle Themen: Vergänglichkeit, Verletzlichkeit, Menschlichkeit, Natur. Die Künstlerin Stephanie Pech zeigt in ihrer Ausstellung in der Wiesdorfer Christuskirche eine monumentale, vieldeutige Arbeit, die sich zwischen Malerei und Performance bewegt.
Ihr zentrales Werk „Hybrid Moves“, das sie ursprünglich für den Kunstverein Potsdam entwickelte, entstand nicht im Atelier, sondern direkt vor Ort – gemeinsam mit zwei Tänzerinnen, deren Körper mit Farbe bemalt wurden und deren Bewegungen sich als Spuren auf der Leinwand manifestierten.
„Das ist das, was mich interessiert“, sagt Pech: „Diese flüchtigen Abriebe, diese Zeugnisse von Begegnung.“ Was bleibt, ist der Abdruck eines Tanzes – vergänglich und trotzdem auf der Leinwand festgehalten. In der Kirche hängt das zehn Meter lange Werk nun erstmals in horizontaler Ausrichtung im Altarraum. Farbspuren, Hautabdrücke und Schleifmarken treten sichtbar in Beziehung zum Kirchenraum und entfalten so ihre Wirkung.
Schlichter Kirchenraum in Wiesdorf bringt Pechs Kunst zur Geltung
Der helle, weiße, fast asketische Kirchenraum in Wiesdorf bietet einen starken Kontrast zu Pechs farbenfroher Arbeit. „Dieser Raum schreit nach einer farblichen Behandlung“, sagt die Künstlerin. Sie arbeitet mit starken Farbkontrasten, dominiert vom Krabbenrot, das sie als „majestätisch und schillernd“ beschreibt. Krabben- und Menschenkosmos soll ihr Hauptwerk „Hybrid Moves“ miteinander verbinden.
Ihren Malprozess teilte Stephanie Pech erstmals öffentlich. „Das Werk entstand nicht klassisch im Atelier. Die Vernissage war gleichzeitig Teil des Entstehungsprozesses“, erzählt sie und weiter: „Ich bin es gewohnt, für mich alleine zu arbeiten. Wenn Besucher da sind, trotzdem die Konzentration für das Kunstwerk zu behalten, war eine Herausforderung.“
Pech wirft mit ihrer Kunst existentielle Fragen auf
Inhaltlich kreist Pechs Arbeit um existentielle Fragen: Wo steht der Mensch mit seiner Körperlichkeit? Was passiert im Zwischenraum zwischen zwei Körpern? Und wie lässt sich eine Verbindung herstellen zwischen dem Menschlichen und dem Nicht-Menschlichen? Eine zentrale Rolle spielen dabei ozeanische Elemente, Meerestiere, insbesondere Krabben, aber auch Pflanzenwesen.
In einem hybriden Kosmos treffen menschliche Haut und Schalenpartikel aufeinander. In einem anderen Werk verschmelzen menschliche Beine mit Tentakeln zu surrealen Gestalten. „Mich fasziniert dieser Kontrast – das ganz Kleine, das Tierische – und der Mensch. Ich kehre die Hierarchien um“, erklärt Pech. Der Kirchenraum biete dafür eine perfekte Bühne: „Hier gelingt die Umkehrung des anthropozentrischen Weltbilds besonders gut.“
Wir kennen in der Kunstgeschichte den männlichen Blick auf Weiblichkeit – ich kehre das um.
Auch der Einsatz von nackten Körpern ist bewusst gewählt – allerdings ohne voyeuristischen Blick. „Die Tänzerinnen waren nur in Farbe gehüllt, aber es ging mir nicht um Nacktheit im klassischen Sinne, sondern um Verletzlichkeit, um das Ausgeliefertsein“, betont Pech. „Wir kennen in der Kunstgeschichte den männlichen Blick auf Weiblichkeit – ich kehre das um. Die Tänzerinnen handeln, sie sind aktiv. Das ist keine Inszenierung für den Blick des Anderen.“
Die Werke der Bonner Künstlerin entstehen in einem ergebnisoffenen Prozess, bei dem der Zufall eine zentrale Rolle spielt. Der Anfang sei ein Kontrollverlust. Diesen Zustand nutzt Pech in ihrer Kunst produktiv. Archaische Fragmente menschlicher Formen bleiben bewusst stehen – ihre Kunst bewege sich zwischen Rohheit, Abstraktion und Figuration, sagt sie.
Die Ausstellung ist eingebettet in die Woche gegen Einsamkeit in der Christuskirche, sie endet an Allerheiligen. Pfarrer Siegfried Eckert, mit dem Pech bereits mehrfach in der Pauluskirche in Bonn zusammengearbeitet hatte, sieht eine enge Verbindung zwischen Pechs Kunst und dem Glauben. „Ihre Grundthemen sind zutiefst existentielle und damit auch philosophische, theologische und religiöse“, so Eckert.