Der Täter, ein Taxiräuber, ist spielsüchtig und extrem einsichtig. Warum er im Gefängnis bleiben möchte.
Leverkusener bittet Richter„Ich will nicht freigelassen werden – auf keinen Fall!“

Ein Saal im Amtsgericht Leverkusen
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Wenn der Richter den vor dem Amtsgericht angeklagten Leverkusener wirklich hart hätte bestrafen wollen, dann hätte er ihn freisprechen müssen. Der 40-Jährige bat Richter Thomas Nagel am Freitag (25. Juli) mehrfach, er möge ihn bitte nicht freisprechen. „Ich will nicht freigelassen werden – auf keinen Fall!“, sagte er. Das ist ein Satz, den Richter selten zu hören bekommen. Für einen Freispruch gab es aber auch keinen Anlass.
Der Mann hatte am 4. Februar im vergangenen Winter einen Leverkusener Taxifahrer beraubt. Zuvor habe er mehrere Tage auf der Straße verbracht, wie er sagt. Die Fahrt hatte er ausschließlich dazu angetreten, um den Taxifahrer seiner Einnahmen zu berauben. Die Tour ging um kurz vor 3 Uhr nachts zur Tennishalle am Hemmelrather Weg. Um die Zeit ist das eine mehr als tote, dunkle Sackgasse.
Taxifahrer verfolgte Räuber, doch der war schneller
In dem Augenblick, als der Fahrer seine Geldbörse unterm Sitz zum Kassieren der 15 Euro Fahrkosten hervorgezogen hatte, rief der Räuber: „Ich habe eine Pistole, das ist ein Überfall!“ Mit den Worten riss er dem heute 67-jährigen Taxifahrer das Geld aus der Hand, der versuchte noch, sie festzuhalten, aber der Räuber war stärker. Der verschwand im Dunkeln über den schmalen Fußweg in Richtung Dhünn. „Ich war mal Marathonläufer“, sagte der Taxifahrer, der als Zeuge aussagt; er habe den Räuber nach dem Druck auf die Notruftaste kurz verfolgt, dann aber aufgegeben. Die Polizei suchte den Räuber in der Nacht, konnte ihn aber nicht finden.
Wenn Du nachts fährst, bist Du der Willkür der Leute in gewisser Weise ausgeliefert.
Für den Taxifahrer war der Raub ein traumatisierendes Erlebnis: Er habe hinterher auch mal Fahrten Kollegen überlassen, wenn ihm junge und muskelbepackten Fahrgäste seltsam vorgekommen seien. Aber grundsätzlich besteht für Taxis eine Beförderungspflicht: „Wenn Du nachts fährst, bist Du der Willkür der Leute in gewisser Weise ausgeliefert“, sagt er.
Was zwei Monate später geschehen ist, lässt sich nur durch einen wirklich extremen Leidensdruck erklären. Der Räuber tauchte am 3. April in der Polizeiwache auf und sagte: „Nehmen Sie mich fest.“ Seither sitzt er in Untersuchungshaft und wird während der Verhandlung bewacht. Warum er sich stellte, das erklärt er im Gerichtssaal. Er ist spiel- und kokainsüchtig: „Jeden Tag diese Automaten, das zieht mich an – und jeden Tag das Kokain! Das nimmt kein Ende.“
Ein berührender Augenblick im Leverkusener Amtsgericht
Seine Opladener Verteidigerin Bettina Güldner fädelte im Gerichtssaal klug ein, dass der zurückhaltende Taxifahrer nicht nur die Entschuldigung seines Räubers annahm, sondern sogar noch zuließ, dass dieser ihm die Hand geben konnte. Ein berührender Augenblick war das – wenn auch die zwei Wachmänner dabei eine gewisse Nervosität ausstrahlten.
Der Mann hatte keine Kontrolle über seine Spielsucht. Der Spruch mit der Pistole beim Raub war offenbar ein reiner Bluff: „Herr Richter, was glauben Sie? Wenn ich eine Pistole besessen hätte, hätte ich sie garantiert vorher verkauft und das Geld verzockt.“ Und Kokain, früher war das mal die Droge des Jetsets, ist heute ein billiges Massenphänomen geworden. Seit der Leverkusener 18 Jahre alt ist, will er weiße Substanzen, also Amphetamin und Kokain, konsumiert haben. Im Zusammenhang mit einer schwerwiegenden Borderline-Störung ist das eine kaum kontrollierbare Mischung.
Nichts wünsche er sich sehnlicher als eine Therapie, um diese Krankheiten und Störungen loszuwerden und wieder als Gerüstbauer arbeiten zu können. Dazu hatte er in seinem bisherigen Leben nur vergleichsweise kurz Gelegenheit. Insgesamt etwa 16 Jahre hat er seit 2006 in geschlossenen Kliniken verbracht. Dorthin hatte das Kölner Landgericht den Mann mit türkischer Migrationsgeschichte vor fast zwei Jahrzehnten eingewiesen, nachdem er versucht hatte, bei seiner Mutter einen Brand zu legen. Die Mutter sitzt am Freitag als Zuschauerin im Gerichtssaal.
Natürlich plädiert die Verteidigerin nicht auf Freispruch, sie ist verpflichtet, im Sinne des Angeklagten zu arbeiten. Pünktlich zum Mittagsläuten tut Richter Nagel dem Leverkusener den Gefallen und verurteilt den Mann zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis.