Das zweite Wochenende der Jazztage bot einmal mehr viel Aufregung um viel: Im Opladener Scala gastierte Fanta-4-Star Thomas D, im Forum heizte Candy Dulfer den Menschen ein.
Leverkusener JazztageEin Abend der Rap-Poesie mit Thomas D

Thomas D, Star-Sänger der Fantastischen 4, beschert den Leverkusener Jazztagen im Scala-Club mit seiner Band The KBCs Rap-Poesie
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Er beginnt das Konzert gleich mit einer kleinen Lüge. Steht auf der Bühne und singt „Show, alles nur Show. Wir tun alle nur so.“ Das Nur-So-Tun mag ja vielleicht hier und da mal stimmen, wenn Thomas D mit seiner Hauptband im Stadion auftritt und 50 000 Menschen eine paarstündige Party bescheren will. Aber es stimmt eben nicht, wenn der 53-Jährige an Abenden wie diesem im Opladener Scala-Club auf der Bühne steht.
Dann ist er nämlich nicht der Superstar, der mit den Fantasischen Vier den Rap und die Hip-Hop-Kultur hierzulande beinahe im Alleingang en vogue machte und verbal mit manchmal messerscharfen, manchmal bewundernswert geschmeidigen Reimen ins Bewusstsein des Mainstreams drückte. Sprich: Dann muss er nicht auf „Feiern, bis es kein Morgen gibt“-Entertainer machen. Dann kann er sich eineinhalb Stunden lang ganz und gar der Poesie hingeben und wirklich ausschließlich Wörter und Worte in den Raum stellen, wo sie wirken. Und das ist dann keine Show. Das ist dann ein - zumindest kleines - Ereignis von seriösem Künstlerkonzert.
The KBCs schieben die Songs an
Hinter ihm schiebt mit The KBCs eine famose Combo die Songs mit einer Melange aus Jazzrock, Blues und Soul an, die sehr dicht, sehr kraftvoll klingt. Gerade Stücke wie die von Thomas D für seine Hauptband geschriebenen „Krieger“ oder „Millionen Legionen“, in dem er alle Superhelden und Freaks der Welt zusammenruft, um sich selbst, sein Seelenheil und nebenbei auch noch die ganze Welt zu retten, gewinnen dadurch enorm an Wucht und entfalten eine epische Wirkung, die im reinen mit Pop durchsetzten Kosmos der Fanta 4 untergeht und somit der textlichen Brillanz, die immer wieder aufblitzt, nicht wirklich gerecht wird.
Man könnte auch sagen: Thomas D bei den Fantastischen Vier - das ist ein Künstler in der WG-Küche mit allen anderen am Tisch. Thomas D bei den KBCs - das ist derselbe Künstler in seinem Wohnzimmer. Sprich: Für sich. Hier kann er seinen Gedanken freien Lauf lassen und tun und lassen, was er will. Und wie er es will. Mein Haus, meine Regeln. Punkt.
Wilder Tanz, fordernde Gesten
Wie wohl sich Thomas D in diesem kleineren Kosmos des Nebenprojektes fühlt, das offenbart sich, indem er mit zunehmender Konzertdauer immer mehr und mehr aus sich herausgeht. Wilder tanzt. In Gesten immer fordernder wird. Lediglich beim Rausschmeißer, seinem größten Solo-Hit „Rückenwind“, blitzt dann doch einmal irgendwie so etwas wie ein Zugeständnis an die große, an die pure „Entertainment um des Entertainments Willen“-Bühne auf.
Ein Zugeständis an die durchaus zahlreich erschienenen Fanta-4-Fans im Publikum? Mag sein. Aber geschenkt. Denn gut ist dieser im kalkulierten Chart-Gewand daherkommende Song aus dem Jahr 1997 auch ein Vierteljahrhundert nach seiner Veröffentlichung noch. So wie dieser Thomas D, über den man nach dem Konzert im Scala denkt, dass er womöglich zu den sträflich unterschätzten Künstlern hierzulande gehört. Gut, dass es Clubkonzerte gibt. Sie können Augen- und Bewusstseinsöffner sein.
Alles im Griff vor der Japan-Tour
Wenn es um die Jazztage geht, ist Candy Dulfer hingegen eine Frau, die den Fans des Festivals Augen und Bewusstsein schon seit Jahren geöffnet hat. Sie gehört schließlich zu den Stammgästen in Leverkusen. Und sie liefert auch dieses Mal wieder ab. Einen Tag, bevor sie mit ihrer Band zu mehreren Japan-Konzerten aufbricht, hat sie den ausverkauften Terrassensaal in jeder einzelnen ihres 8700 Sekunden dauernden Auftritts im Griff.

Wuchtiger Funk im Terrasensaal: Die Saxofonistin Candy Dulfer heizte einen Tag vor ihrer Japan-Tour schnell noch den Fans in Leverkusen ein.
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Zwei Stunden und 25 Minuten der mitunter brachialen Funk-Raserei mit irrwitzigen Einschüben - das Gitarrenriff des White-Stripes-Krachers „Seven Nation Army“ schiebt sie auf ihrem Saxofon durch die Boxen - lassen recht wenig Zeit zum Durchtamen oder Bierholen. Im Glitzerjackett treibt die Niederländerin ihre Band an und empfiehlt sich für etwas, für das eigentlich keine Empfehlung mehr notwendig wäre: Für die nächsten Gastspiele im Leverkusen bei den kommenden Jazztagen.