Leverkusener vor dem Landgericht„Prügel waren beim Sex immer dabei“

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Außenansicht des Landgerichts Köln

In der zweiten Sitzung des Gerichtsprozesses gegen Mustafa J. kreisten die Verhandlungen um mehrere ärztliche Atteste. (Symbolbild)

Der zweite Prozesstag kreiste sich um ärztliche Atteste. Sie dokumentieren häusliche Gewalt aus einer Beziehung des Missbrauchs.

Die Beziehung, die Nadine L. (alle Namen geändert) am Mittwoch vor dem Landgericht Köln beschrieben hat, basiert auf physischem, emotionalem, sexuellem und finanziellem Missbrauch. Die Staatsanwaltschaft fasst den Missbrauch in rund 30 Straftaten zusammen, darunter Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, Misshandlung und Körperverletzung. In der zweiten Sitzung des Gerichtsprozesses gegen Mustafa J. kreiste die Verhandlung um mehrere ärztliche Atteste.

Landgericht Köln: Ärztliche Atteste bezeugen Körperverletzungen

Am 9. April 2015 schickt eine Ohrenärztin Nadine L. in das Krankenhaus Köln-Holweide für eine Not-OP. Sie hatte acht Schläge auf ihr linkes Ohr bekommen. „Das Ohr sah aus, als wäre es explodiert“, erinnert sich die junge Frau im Zeugenstand. Heute ist ihr Ohr komplett verknorpelt, im Boxkampf nennt man das „Blumenkohl-Ohr“.

Wenige Tage später, Mitte April 2015, behandelt ein Zahnarzt die damals 17-Jährige, wie ein weiteres Attest bezeugt. Eine Zahnversiegelung in zwei Behandlungen. Ihre Vorderzähne waren angebrochen. Es vergehen erneut wenige Tage, da flüchtet Nadine L. endgültig von ihrem Partner. Mit nackten Füßen humpelt sie über die Straßen in Lützenkirchen und sucht eine Telefonzelle auf. Ihre Mutter holt sie ab und bemerkt sofort zahlreiche Verletzungen am Körper ihrer Tochter. Der nächste Arztbesuch folgt.

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Strukturelle Ungleichheit zwischen Mann und Frau

In diesem Attest ist zum ersten Mal die Rede von häuslicher Gewalt. Die Mutter hatte sie schon öfter versucht zu überreden, dass Mustafa J. nicht gut für sie sei und drängt sie dazu, sich ärztlich untersuchen zu lassen, um alle Verletzungen zu dokumentieren. Doch Nadine L. will das nicht.

Zum einen hat sie noch die Drohungen von Mustafa J. im Ohr: „Rede mit keinem darüber, was passiert ist. Erfinde was. Meine Freunde beobachten dich.“ Zum anderen scheut sie sich, sich vor einem anderen Mann zu entkleiden. Laut ihrem muslimischen Freund dürfe sie nicht mal anderen Männern in die Augen schauen. Der Arzt notiert: „Prellungen, Wunden, Atembeschwerden, Erschöpfung, Depression.“

Verteidigung sucht Schuld beim Opfer

In der Beziehung herrschte eine strukturelle Ungleichheit zwischen Mann und Frau. Die Mutter des Angeklagten habe Nadine L. früh das Frauenbild in der Familie beigebracht: Die Frau putzt, gehorcht dem Mann und geht nur mit Erlaubnis aus dem Haus. Diese totale Unterordnung war der Boden für die häusliche Gewalt.

Die Verteidigung suchte aber die Schuld bei dem Opfer. Mit Fragen wie „Warum haben Sie den Angeklagten nie nach einer Entschuldigung gefragt?“, oder „Warum sind sie von Zuhause abgehauen?“, versuchte sie die Glaubwürdigkeit von Nadine L. anzuzweifeln.

„Prügel waren beim Sex immer dabei“

Nadine L. sagt heute, die Prügel seien in der Beziehung eine Bestrafung für vermeintlich falsches Verhalten gewesen, wie ein falscher Blick. Es kam den Schilderungen des Opfers zufolge mehrmals vor, dass Mustafa L. sie nach Schlägen zu sexuellen Handlungen zwang, die sie nicht wollte.

Es kam den Schilderungen des Opfers zufolge mehrmals vor, dass Mustafa L. sie nach Schlägen zum Oralverkehr zwang. „Prügel waren beim Sex immer dabei. Es gab nie nur Geschlechtsakt. Das ist krank, das ist sadistisch.“ Die Prügel sollen ihn erregt haben. Mitunter filmte er demnach die weinende junge Frau während des Geschlechtsverkehrs.

Bis heute trägt Nadine L. physische und psychische Narben von der Beziehung mit sich. Das verknorpelte Ohr, Narben auf dem Brustkorb von Peitschenhieben mit einer Plastikblume und Narben an der Lippe und Augenbraue von Prügeln. Seitdem hat sie außerdem Probleme, sexuelle Beziehungen aufzubauen. Sie möchte den Angeklagten zur Rechenschaft ziehen, damit er nicht weitere Frauen missbraucht: „Wäre ich einen Tag länger in der Beziehung gewesen, dann wäre ich heute vielleicht nicht hier.“

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