Leverkusens älteste Bürgerin ist totDie Lehrerin mit den Männerschuhen an den Füßen

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Klassenfoto vor der „Roten Schule“ in der Kölner Straße. Käthe Lezim (in der Mitte mit weißem Kragen) im Kreis ihrer Schülerinnen.

Klassenfoto vor der „Roten Schule“ in der Kölner Straße. Käthe Lezim (in der Mitte mit weißem Kragen) im Kreis ihrer Schülerinnen.

Leverkusen – Allein diese Kleidung: Als Mitte November 1947 die neue Lehrerin an die Frauenfachschule in der Kölner Straße kommt, wird sie neugierig gemustert. Käthe Lezim trägt dicke Wollsocken, grobe Männerschuhe. „Aber die hatte ja auch nichts“, sagt ihre frühere Schülerin.

Generosa Breuer hat sich immer für ihre Lehrerin und ihr Leben interessiert. Ein Flüchtlingsschicksal, wie es viele gab nach dem Krieg. Niedergeschrieben in einem Tagebuch. 75 Seiten, auf denen die junge Käthe Lezim ihre Irrfahrt von Königsberg nach Leverkusen beschreibt, die alles in allem dreieinhalb Jahre gedauert hat. Übertragen hat die Geschichte Generosa Breuer, auf dass sie der Nachwelt erhalten bleibe.

Käthe Lezim, geboren in Königsberg, wurde 107 Jahre alt.

Käthe Lezim, geboren in Königsberg, wurde 107 Jahre alt.

Lehrerin Lezim hat die Flucht recht gut überstanden. Sie ist alt geworden, sehr alt: 107 Jahre. Dieser Tage ist die älteste Leverkusenerin gestorben; am Freitag wird sie auf dem Manforter Friedhof begraben, die Trauerfeier ist im Altenberger Dom.

Als Käthe Lezim am 18. November 1947 vom Direktor der Frauenfach-, Handels- und Berufsschule per Telegramm nach Leverkusen eingeladen wird, geht eine gut zweimonatige Wartezeit zu Ende. Zuletzt hatte sie im Schwarzwald ausgeharrt. Dort hatte die Lehrerin zwar arbeiten können, aber sie fand erst einmal keine Wohnung.

Übernachten im Kartenraum

In Leverkusen sah es auch schlecht aus, zunächst mal: Schuldirektor Schimmels ließ die neue Kollegin im Kartenraum der „Roten Schule“ übernachten. Aber nicht viel später fand Lezim etwas Eigenes in der Sonderburger Straße. So konnte die damals 37-Jährige auch noch ihren Vater an den Rhein holen.

Im April 1944 hatte Lezim die Anweisung bekommen, ihre Geburtsstadt Königsberg zu verlassen, ohne Gepäck: Die Russen standen da bereits am Bahnhof. Schon der erste Flucht-Tag war schrecklich: Auf dem Weg zum Hafen Pillau wurde der Treck auf freiem Feld von Bombern angegriffen – Lezim verlor ihre einzigen beiden näheren Bekannten.

Mit dem Schiff nach Kopenhagen

Ein paar Tage später ging es mit dem Schiff nach Kopenhagen, dann in ein dänisches Flüchtlingslager. Dort unterrichtete Käthe Lezim: Es gab ja genug deutsche Kinder, die ebenfalls auf der Flucht waren. Die Zeit in Dänemark wurde immer länger. Und die Sorgen größer, ob man überhaupt noch einmal nach Deutschland gelangen kann.

Bis zur Ausreise vergehen mehr als drei Jahre. Im Juli 1947 kommt Lezim über Lindau nach Tübingen. Schließlich wurde es Leverkusen. Die Lehrerin, die mit nichts angekommen war und keine Bleibe hatte, konnte sich später ein Haus leisten, das sie erst mit 97 Jahren verlässt, um ins Hertha-von-Diergardt-Haus zu ziehen. Ihre letzte Heimat.

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