Leverkusens Jugendamtsleiter Michael Küppers„Wünsche mir mehr Einsicht, wie wichtig Kitas sind“

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Michael Küppers sitzt an seinem Schreibtisch im Verwaltungsgebäude Goetheplatz.

Michael Küppers leitet den städtischen Fachbereich Kinder und Jugend

Michael Küppers ist seit Frühjahr 2022 Leiter des Fachbereichs Kinder und Jugend. Im Interview spricht er über Pandemiefolgen und die Schwierigkeiten des Kitabaus. 

Herr Küppers, nach Ihrem Eindruck als Leiter des Fachbereichs Kinder und Jugend: Wie geht es Leverkusener Kindern und Jugendlichen nach fast drei Jahren Pandemie, den Kriegsnachrichten und der Energiekrise?

Michael Küppers: Sicherlich haben die letzten Jahre deutliche Spuren hinterlassen. Wir merken bei Jugendlichen, dass sie mehr Zukunftssorgen habe, dass sie sich in den vergangenen Jahren fragen mussten: Kann ich meinen Schulabschluss machen, unter welchen Umständen, wie kann es danach für mich weiter gehen? Damit sind dann natürlich auch Geldsorgen verbunden. Auch bei den jüngeren Kindern ist durch Schließung von Schulen, Kindergärten und Freizeitaktivitäten einiges auf der Strecke geblieben. Das ist nichts Leverkusen-spezifisches, aber man muss schon sagen, dass Kinder vor allem zu Beginn der Pandemie hinten runtergefallen sind. Da sind wir als Institution und als Gesellschaft gefragt, das jetzt aufzufangen. Dazu gehört meiner Meinung nach vor allem, dass sie mit ihren Wünschen und Ängsten auch von uns gehört und ernst genommen werden.

Sie haben im Frühjahr die Leitung des Fachbereichs von Angela Hillen übernommen, die 41 Jahre dort gearbeitet hat, die letzten elf als Leiterin. Wie groß waren ihre Fußstapfen?

Angela Hillen hat hier wahnsinnig viel bewegt, vor allem im Bereich der frühen Hilfen und daran möchte ich gerne anknüpfen. Der Übergang war insofern gut vorbereitet, als dass ich seit 2009 hier bei der Stadt arbeite, 2014 die Leitung der Stabstelle Jugendhilfeplanung übernommen habe und dann 2019 ihre Stellvertretung. Damit habe ich die Arbeit von Frau Hillen hautnah mitbekommen.

Was ist Ihr wichtigstes Ziel in der neuen Position?

Für mich ist der Ausbau der präventiven Arbeit zentral. Wie angesprochen haben wir mit dem Netzwerk der Frühen Hilfen schon ein hervorragendes Netz, das auch NRW-weit immer wieder als positives Beispiel herangezogen wird. Als letztes Bindeglied haben wir kürzlich noch die Babylotsen eingeführt, die Eltern jetzt schon nach der Entbindung im Klinikum ansprechen. Oft geht es vor allem darum, Wissen zu vermitteln: Was brauche ich alles, wo bekomme ich Hilfe? Wenn wir es schaffen, durch die Frühen Hilfen Eltern eine gute Umgebung für ihre Familie zu schaffen, dann erreichen wir hoffentlich, dass es erst gar nicht zu Situationen kommt, wo wir dann später vielleicht im Bereich des Kinderschutzes aktiv werden müssen.

Welche sind die größten Baustellen in Leverkusen, Ihren Fachbereich betreffend?

Wie überall: Das Personal. Wir brauchen dringend mehr, aber auch richtig ausgebildete und geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wir haben besonders in der Pandemie gesehen, wie belastet die sozialen Berufe sind. Erzieherinnen und Mitarbeitende im sozialen Dienst haben „an der Front“ gearbeitet: Sie konnten nicht ins Homeoffice und mussten Menschen treffen, auch, als man noch nicht so genau wusste, was dieses Virus mit einem macht. Ich bin sehr dankbar, dass wir hier ein sehr engagiertes Team haben, dass das gemacht hat, zum Wohle der Kinder. Tatsächlich zeigt sich da ja auch noch einmal deutlich, wie wichtig und wertvoll diese Arbeit ist.

Was unternehmen Sie gegen die Personalnot?

In der Erzieher-Ausbildung arbeiten wir daran, die PIA-Ausbildung auszubauen, für die wir zuletzt tatsächlich wesentlich mehr Bewerber als Plätze hatten. Die Bundesförderung für dieses Programm läuft aus, aber wir haben als Kommune beschlossen, die Kosten selbst zu übernehmen und arbeiten daran, mehr Plätze zu schaffen, weil wir die Mitarbeiter dringend brauchen und ihnen auch eine gute und finanziell auskömmliche Ausbildung zukommen lassen wollen. Um Mitarbeitende bei der Stadt zu halten, ist es vor allem wichtig, dass wir genug Personal haben, um eine Überlastung zu vermeiden, dann sind wir auch als Arbeitgeber attraktiv, das ist die große Aufgabe.

Der Kitaplatz-Ausbau ist seit langem ein großes Thema, allerdings geht er sehr schleppend voran. Haben Sie Ideen, wie man das beschleunigen kann?

Wir haben 2017 den Ratsbeschluss gefasst, mit aller Kraft den Ausbau voranzutreiben. Und es geht voran, aber es dauert, das ist richtig. Das liegt daran, dass wir einfach begrenzte Flächen in der Stadt haben und Findungs- und Genehmigungsverfahren einfach lange brauchen. Aber wir haben mittlerweile die Politik auf unserer Seite, wir stehen im engen Austausch und bekommen da auch alle Unterstützung.

Bei der zweiten Kita an der Heinrich-Lübke-Straße, die relativ schnell hätte umgesetzt werden können, hat es aber nicht geklappt mit der Unterstützung der Politik.

Da wollte die Politik einfach eine andere Planung: Kita ja, aber auch in Verbindung mit sozialem Wohnraum und Generationsangeboten. Das verstehe ich auch. Ja, wir brauchen Kitas, aber wir können auch nicht alle anderen Bedürfnisse ausstechen. Mehr bekümmert es mich, wenn wir, wie etwa in Hitdorf, gegen große Widerstände aus der Bevölkerung kämpfen müssen. Ich verstehe, dass jeder auch durch seine eigene Brille auf Bauvorhaben schaut. Aber ich würde mir wünschen, dass es mehr die Einsicht gibt, wie wichtig Kitas für unsere Gesellschaft sind: Sie sind der erste Baustein für frühkindliche Bildung. Und das ist nicht elitär gemeint, sondern eine Grundvoraussetzung, damit unsere demokratische Gesellschaft funktioniert.

Man hört immer wieder, dass gerade durch die Belastungen der Krisen in den Familien auch das Gewaltpotenzial wächst. Gibt es auch in Leverkusen mehr Fälle von Kindeswohlgefährdungen?

Ja. Ein Beispiel: Im Jahr 2021 sind bei uns 284 Gefährdungsmeldungen eingegangen. In diesem Jahr waren es von Januar bis September schon 340 Meldungen. Das heißt nicht, dass dahinter tatsächlich immer ein gesicherter Fall von Kindeswohlgefährdung steht, aber von den 340 Meldungen kamen alleine 200 von der Polizei. Und diese Fälle haben dann zumeist schon eine Vorgeschichte. Das enge Zusammensein in der Pandemie und Existenzängste spielen da mit Sicherheit eine Rolle. Ich bin sehr froh, dass es ein neues Kinderschutzgesetz gibt, dass es uns auch erlaubt, ein eigenes Sachgebiet für Kinderschutz aufzubauen. Mit Blick auf das Thema Kinderschutz wollen wir insgesamt sechs neue Stellen schaffen.

Zum Jahresanfang dürfen Sie sich etwas für 2023 wünschen…

In unserem Bereich kann man nie genug Personal haben, zum Wohle der Kinder aber vor allem auch der Mitarbeitenden, die in der Lage sein sollen, ihre Arbeit in einem gesunden Umfeld ohne Überlastung leisten zu können. Das hilft letztendlich auch den Familien am meisten. Für die Kinder und Jugendlichen bei uns in der Stadt wünsche ich mir vor allem, dass sie in 2023 wieder mehr genau das sein können: Kinder und Jugendliche, die spielen, toben und lachen, unbeschwert und ohne Zukunftsängste. Dass sie Freude am Leben haben, das wünsche ich ihnen am meisten.

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