Telefonischer Besuch„Viele Menschen haben das soziale Miteinander verlernt“

Telefonischer Besuchsdienst der Diakonie: Koordinatorin Ingrid Zurek-Bach und Teilnehmer Heiner Ridder am Telefon.
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Leverkusen – Der Plausch an der Wursttheke fällt ebenso aus wie der beim Bäcker. „Die Menschen laufen vermummt rum und gehen auf Abstand“, sagt Rentner Heiner Ridder. Und so ist er froh, dass er einmal die Woche angerufen wird. Immer mittwochs um 11 Uhr. Immer von der gleichen Frau vom telefonischen Besuchsdienst der Diakonie. „Da kann man über alles reden, über Krankheiten und ob Impfen sinnvoll ist“, sagt Ridder. „Oder auch über Frau Baerbock oder den Klimawandel oder dass die Geranien gerade so schön blühen.“ Wenn man wie er im Wohnpark Bürgerbusch wohnt, wo zwar viel Natur, aber wenig los ist, sei ein außenstehender Gesprächspartner besonders gut. „Jemand der mitten im Leben steht, sieht viele Dinge doch anders als die, die auf die 90 zugehen. So kann meine Telefonpartnerin mich schon manchmal von den Fantasien runterholen, die ich so entwickele.“
Feste Bezugsperson
80 Seniorinnen und Senioren betreuen die aktuell 74 Ehrenamtlichen des Diakonischen Werkes aktuell. Einmal die Woche werden sie angerufen, zu einer festen Uhrzeit von einer festen Bezugsperson. Der Gesprächsinhalt ist frei wählbar und vertraulich. In Zeiten von Kontaktbeschränkungen ein besonders wichtiger Draht in die Außenwelt. „Unser Kontakt ist garantiert virenfrei“, sagt Projektleiterin Annette Echstenkämper. Aber auch jetzt, wo die meisten Älteren geimpft und persönliche Treffen erlaubt sind, hat der telefonische Dienst weiter große Bedeutung. Auch Ridder, der weiterhin gerne und regelmäßig Menschen von Angesicht zu Angesicht trifft, stört sich nicht daran, dass seine Telefonpartnerin nicht persönlich vorbeikommt.
Plauschen im Morgenmantel
„Manchmal ist es ja auch ganz angenehm, wenn man es sich zum Erzählen im Morgenmantel auf dem Sofa bequem machen kann.“ Und für die Ehrenamtlichen sei es ein großer Vorteil, dass ihr Einsatz gut zeitlich planbar ist. „Wir haben mittlerweile auch einige, die noch berufstätig sind, die freuen sich, wenn sie nach Feierabend nicht noch einmal aus dem Haus müssen.“
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Der telefonische Besuchsdienst hat im vergangenen Jahr sein zehntes Jubiläum gefeiert – natürlich ohne Feier. Einige Befürchtungen aus der Anfangszeit haben sich nicht bewahrheitet. „Damals war es strikt so, dass nur unsere Anruferin die Nummer hatte, nicht umgekehrt“, erklärt Koordinatorin Ingrid Zurek-Bach. Die Diakonie hatte befürchtet, dass die Ehrenamtler von den Senioren vereinnahmt werden könnten. „Das ist aber in den ganzen Jahren nicht einmal vorgekommen.“ Einige Telefonfreundschaften bestehen jetzt schon seit Jahren und so wurden an der ein oder anderen Stelle doch Nummern ausgetauscht, damit die Senioren im Notfall auch direkt anrufen können.
Verwechslung mit Trickbetrügern
Ein Problem hat der Besuchsdienst durch die Zunahme von telefonischem Trickbetrug. „Den Senioren wird eingeschärft: Sprich nur nicht mit jemandem am Telefon“, erzählt Zurek-Bach. Das sei ja prinzipiell auch richtig, aber deswegen müssen sie bei der Verbreitung des Angebots stark auf vertrauenswürdige Multiplikatoren wie Pfarrer, Ärzte und Apotheker setzen. Mancher Teilnehmer kommt aber trotzdem über den Flyer zu ihnen. „Ein Mann hat uns erzählt: «Meine Frau hat mir vor ihrem Tod den Zettel hingelegt und gesagt, ruf da mal an»“, sagt Zurek-Bach. Mittlerweile telefoniert er seit drei Jahren wöchentlich mit einer Ehrenamtlichen und ist dankbar über den fürsorglichen Tipp seiner verstorbenen Frau.